Schlafapnoe: Zungenmuskeln medikamentös regulieren, Obstruktion der oberen Atemwege verhindern

Manuela Arand

Forscher suchen nach medikamentösen Therapieoptionen, um die oberen Atemwege im Schlaf offen zu halten.
Forscher suchen nach medikamentösen Therapieoptionen, um die oberen Atemwege im Schlaf offen zu halten. © iStock/tommaso79

Leptin, Carboanhydrasehemmer sowie eine Kombi aus ADHS- und Inkontinenzmittel: Ein interessanter Pharmamix tritt gegen die obstruktive Schlafapnoe an.

Bei der medikamentösen Therapie der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) geht es vom Grundprinzip her darum, die Funktion des Hypoglossus und des von ihm innervierten Zungenmuskels so zu regulieren, dass die oberen Atemwege offen bleiben, erklärte Professor Dr. Richard Horner, Universität Toronto. Doch das ist leichter gesagt als getan, sind daran doch unzählige Rezeptoren und Ionenkanäle betei­ligt, die je nach Schlafstadium unterschiedlich aktiv werden.

Ato-Oxy halbiert den Apnoe-Hypopnoe-Index

Forschungsprojekte der letzten Jahre haben ergeben, dass über den Funktionszustand der Zunge während des REM-Schlafs vor allem Acteylcholinrezeptoren und Kaliumkanäle wachen. Folgerichtig setzen Studien auf Substanzen, welche die Wiederaufnahme von Noradrenalin hemmen und/oder anticholinerg wirken. Als besonders vielversprechend gilt die Kombination des Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmers Atomoxetin (eigentlich für die ADHS-Behandlung entwickelt) und des Anticholinergikums Oxybutynin, liebevoll Ato-Oxy abgekürzt. Die beiden wirken synergistisch an den motoneuronalen Synapsen: Atomoxetin erhöht die Verfügbarkeit von Noradrenalin, Oxybutynin verstärkt die Antwort darauf.

Nicht dass man derzeit keine effektive OSA-Therapie hätte.„CPAP** wirkt praktisch immer, aber es gibt erhebliche Probleme mit der Adhärenz“, meinte Professor Dr. Luigi­ Taranto Montemurro, Havard Medical School, Boston. Er legte Mitte des Jahres eine placebokontrollierte Pilotstudie im Cross-over-Design mit Ato-Oxy vor, an der 20 OSA-Patienten teilgenommen hatten.1 Im Schnitt reduzierte die Kombi bei einmaliger Einnahme den Apnoe-Hypopnoe-Index um 16/h (63 %), bei keinem Patienten mit einem Ausgangs-AHI über 10/h sank er um weniger als die Hälfte. Die Sauerstoffsättigung stieg signifikant. Das Ganze funktioniert übrigens nur mit der Kombination – die Einzelwirkstoffe zeigten kaum einen Effekt.

Leptin wirkt auf Motoneurone des Hypoglossus ein

Der Wermutstropfen: Oxybutynin ist kein sehr spezifisches Anticholinergikum, es penetriert die Bluthirnschranke und verursacht reichlich antimuskarinerge Nebenwirkungen – Mundtrockenheit, Obstipation, Harnverhalt und Albträume. Jetzt wollen die Forscher einen anderen Vertreter der Substanzklasse testen, Fesoterodin, das vor allem am M3-Rezeptor andockt. Außerdem müssen natürlich noch größere und Langzeitstudien die ersten positiven Befunde bestätigen.

Leptin beeinflusst ebenfalls die Motoneuronen des Hypoglossus, aber auf anderer Ebene, erklärte Professor Dr. Vsevolod­ Y. Polotsky, Johns Hopkins University School of Medicine, Baltimore. Es wirkt vor allem im Hypothalamus und kontrolliert die Response auf Hyperkapnie, sodass die Ventilation zunimmt. Allerdings zeigen Patienten mit OSA keine erniedrigten Leptinspiegel, wenn überhaupt eher leicht erhöhte. Das erinnert an die scheinbar paradoxen Befunde zu Leptin aus der Adipositasforschung: Leptin verringert den Appetit und steigert den Stoffwechsel, weshalb es als mögliches Antiadipositum gehandelt wurde – bis sich herausstellte, dass Dicke eher mehr davon im Blut haben als Schlanke.

Laut Prof. Polotsky liegt des Rätsels Lösung in der Bluthirnschranke, die bei steigenden Spiegeln nicht mehr so viel Leptin durchlässt. Deshalb experimentieren Forscher jetzt mit nasalen Applikationsformen unter der Vorstellung, der Botenstoff könne sich am Olfaktoriusnerv entlanghangeln zum Hypothalamus. In dicken Mäusen funktioniert das, Sauerstoffsättigung und Ventilation steigen und die Tiere nehmen auch ab. Ein anderer Weg ist, das Leptin in Exosomen von Makrophagen zu verpacken, welche die Bluthirnschranke queren können. „Zurzeit diskutieren wir die Anwendung von nasalem oder exosomalem Leptin mit der FDA***“, berichtete Prof. Polotsky.

Carboanhydrase schafft CO2 aus dem Gewebe

Die dritte Zielscheibe der Forschung, das Enzym Carboanhydrase (CA), findet sich in einer seiner 16 Isoformen in nahezu allen Körpergeweben, erläuterte Professor Dr. Jan Hedner von der Sahlgrenska Akademie der Universität Göteborg. Vereinfacht gesagt hat es die Aufgabe, CO2 aus dem Gewebe zu schaffen, und es hält den Säurebasenhaushalt in der Balance. Bei Patienten mit OSA dreht die Entsättigung die Enzymaktivität hoch – je mehr Apnoe, desto höher.

Unter der Vorstellung, dass die Carboanhydrase auch an der OSA-Entstehung beteiligt ist, werden CA-Inhibitoren wie Acetazolamid und Topiramat bei OSA erprobt. Sie zeigen einen mäßigen Effekt auf den AHI, die Reduktion liegt zwischen 30 und 50 %. „Möglicherweise lässt sich das steigern, wenn wir lernen, die Patienten besser zu phänotypisieren“, hofft Prof. Hedner. Das gilt übrigens auch für Leptin und Ato-Oxy. 

Quellen:
ERS* International Congress 2019
1. Taranto-Montemurro L et al. Am J Respir Crit Care Med 2019; 199: 1267-1276; doi: doi.org/10.1164/rccm.201808-1493OC

* European Respiratory Society
** continuous positive airway pressure
*** Food and Drug Administration

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Forscher suchen nach medikamentösen Therapieoptionen, um die oberen Atemwege im Schlaf offen zu halten.
Forscher suchen nach medikamentösen Therapieoptionen, um die oberen Atemwege im Schlaf offen zu halten. © iStock/tommaso79