Schlagen Fluorchinolone doch nicht auf die Aorta?

Dr. Anne Benckendorff

Dass Fluorchinolone das Risiko für eine Aortendissektion erhöhen, wird derzeit als unwahrscheinlich eingestuft.
Dass Fluorchinolone das Risiko für eine Aortendissektion erhöhen, wird derzeit als unwahrscheinlich eingestuft. © Fotolia/psdesign1

Im Jahr 2015 ermittelten zwei epidemiologische Studien ein etwa doppelt so großes Risiko für Aortenaneurysmen und -dissektionen nach Einnahme von Fluorchinolonen. Eine aktuelle Bewertung kommt nun zu dem Schluss: Die Evidenz reicht nicht für den Nachweis eines kausalen Zusammenhangs.

Sowohl eine kanadische Kohortenstudie als auch eine taiwanesische Fall-Kontroll-Studie kamen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von Fluorchinolonen das Risiko für ein Aortenaneurysma bzw. eine -dissektion etwa um den Faktor zwei erhöht. Da diese zu lebensbedrohlichen Rupturen führen können, hat der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) unter Federführung des BfArM* im Rahmen eines Signalverfahrens beide Studien sowie die bei den Unternehmen spontan gemeldeten Fälle nun im Detail analysiert und bewertet.

Störanfälligkeit und methodische Mängel

Der PRAC konstatiert, dass es aufgrund der Störanfälligkeit und methodischer Mängel der Untersuchungen keine ausreichende Evidenz gibt, um eine Aktualisierung der Produktinformationen zu rechtfertigen. So ließ sich etwa in der kanadischen Studie auch nach der Einnahme von Amoxicillin eine Erhöhung des Risikos beobachten – obwohl dieser Arm eigentlich als Negativkontrolle dienen sollte. Dieser Umstand weist darauf hin, dass mögliche Störfaktoren vermutlich nicht ausreichend adjustiert waren, was Zweifel am eigentlichen Ergebnis der Studie aufkommen lässt.

Außerdem betrug in dieser Studie die Beobachtungszeit bis zu 17 Jahre – in dieser Zeit hat sich der Gesundheitszustand der Teilnehmer im Durchschnitt vermutlich eher verschlechtert, was potenziell die Resultate verzerrt.

Antibiotika wegen Fieber bei Aussackung gegeben?

In der taiwanesischen Untersuchung waren die Fälle in einem schlechteren Gesundheitszustand als die Kontrollen. Es ist daher möglich, dass bei Ersteren häufiger per Zufall Aortenaneurysmen und -dissektionen diagnostiziert wurden, weil sie sich häufiger in Behandlung befanden.

Darüber hinaus können Infektionen selbst Aneurysmen begüns­tigen. Und nicht diagnostizierte Aussackungen lösen manchmal Symptome wie Fieber aus, was eventuell eine Antibiotika-Behandlung nach sich zieht, sodass in letzteren Fällen die Kausalität genau andersherum wäre als in den Studien postuliert.

Den Hersteller­unternehmen wurden insgesamt 23 Fälle von Aneurysmen und Aufspaltungen gemeldet – eine im Vergleich zur Verbreitung der Substanzen sehr geringe Zahl.

Trotzdem Nutzen abwägen bei Risikopatienten

Davon wurden 15 als möglicherweise mit der Einnahme in Verbindung stehend klassifiziert, elf davon wiesen Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Rauchen auf. Obwohl ein Kausalzusammenhang also unwahrscheinlich erscheint, sollte nach Ansicht der Autoren bei Patienten mit bereits bestehender Gefährdung trotzdem eine besonders sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vor dem Einsatz von Fluorchinolonen unter Berücksichtigung möglicher Alternativen erfolgen.

* Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
Seemann W et al. Bulletin zur Arzneimittel­sicherheit 2017; 1: 3-11

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Dass Fluorchinolone das Risiko für eine Aortendissektion erhöhen, wird derzeit als unwahrscheinlich eingestuft.
Dass Fluorchinolone das Risiko für eine Aortendissektion erhöhen, wird derzeit als unwahrscheinlich eingestuft. © Fotolia/psdesign1
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