Sechs Mythen über das benigne Prostatasyndrom

Maria Weiß

Warum die Resektion nicht alle Probleme lösen kann. Warum die Resektion nicht alle Probleme lösen kann. © iStock/Jan-Otto

Fünf Urologen räumen mit sechs weitverbreiteten Annahmen zum benignen Prostatasyndrom auf. Das Fazit: Vergessen Sie fast alles, was Sie bisher zu wissen glaubten!

1. Mythos: Mit der Urethro-Zystoskopie lässt sich die Obstruktion beurteilen

Viele Urologen glauben, dass der Blick in die Blase ausreicht, um den Obstruktionsgrad einschätzen zu können. Die hier sichtbaren Blasentrabekel sind aber nicht Ausdruck der benignen Prostataobstruktion (BPO), sondern einer Detrusor­überaktivität, die auch andere Ursachen haben kann, erklärte Professor Dr. Matthias Oelke von der Urologischen Klinik der Universitätsklinik Maastricht. Auch bei Frauen findet man solche Trabekel. Zudem haben selbst Patienten mit sehr großer Prostata nicht zu hundert Prozent eine Blasenauslassobstruktion (BOO).

2. Mythos: Das BPS verläuft in Stadien

Man findet die Stadien-Einteilungen des benignen Prostatasyndroms (BPS) noch heute in vielen Lehrbüchern: Im Stadium 1 stehen danach Reizerscheinungen im Vordergrund, im Stadium 2 dekompensiert mit zunehmender Prostatagröße die Blasenfunktion mit Restharnbildung und im Stadium 3 kommt es zu Harnverhalt mit Überlaufblase und Stauungsniere.

Diesen stadienhaften Verlauf erachtet Privatdozent Dr. Claudius­ Füllhase­ von der Urologischen Klinik und Poliklinik der Universitätsklinik Rostock als unsinnig. So haben nur 50 % der Männer mit vergrößerter Prostata überhaupt Symptome. Zudem sind Beschwerden unspezifisch und korrelieren weder mit der Prostatagröße noch mit dem Grad der Obstruktion. Außerdem ist der natürliche Verlauf keinesfalls immer progredient.

3. Mythos: Die Blasenauslassobstruktion führt zur Restharnbildung

Die Entscheidung für eine trans­urethrale Prostataresektion (TURP) wird oft von der Restharnmenge abhängig gemacht. Zu Unrecht, wie Professor Dr. Klaus Höfner von der Klinik für Urologie am Evangelischen Krankenhaus Oberhausen findet. Denn es besteht nur eine geringe Korrelation zwischen Restharnmenge, LUTS (lower urinary tract symptoms), BOO und Prostatavergrößerung. Große Restharnmengen > 300 ml sprechen eher für eine Detrusorunteraktivität. Zudem ist Restharn kein Risikofaktor für einen Harnverhalt und stellt – wenn keine weiteren Komplikationen vorliegen – keine alleinige Therapieindikation für irgendetwas dar, betonte der Urologe.

4. Mythos: Medikamente helfen bei Blasenauslassobstruktion

Medikamente werden in der BPS-Behandlung eingesetzt, um Beschwerden zu lindern und die Progression auszubremsen. Der Einfluss auf die BOO ist aber im Vergleich zur TURP eher gering und die möglicherweise erzielten Änderungen spielen für die Symptomlinderung wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle, so Professor Dr. Martin C. Michel vom Institut für Pharmakologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

5. Mythos: Chirurg trägt Schuld an Inkontinenz nach Prostataoperation

Schon in der Normalbevölkerung liegt die Inkontinenzrate von über 70-jährigen Männern bei bis zu 20 %. Trotzdem wird dieses Symptom vor einer TURP nicht routinemäßig erfasst, kritisierte Professor Dr. Christian Gratzke vom Interdisziplinären Prostatazentrum München. Unmittelbar nach einer TURP ist die Rate an Inkontinenz zwar hoch, sie geht aber fast immer vorbei. Dies kann jedoch bis zu einem Jahr dauern. Die Rate an postoperativ persistierender, neu aufgetretener Inkontinenz beträgt nur etwa 1 %.

6. Mythos: TURP hilft immer, auch bei Patienten ohne BOO

Etwa 10 % der Patienten mit BPS und Dranginkontinenz entwickeln auch nach der TURP keine Kontinenz, so Professor Dr. Dr. Rolf Muschter, niedergelassener Urologe aus Rotenburg an der Wümme. Möglicherweise löste gar nicht die Obstruktion, sondern eine überaktive Blase die Beschwerden aus.

Letztendlich waren sich die Referenten einig: Wenn Patienten trotz medikamentöser Therapieversuche weiter unter BPS-Symptomen leiden, wird man ihnen bei vergrößerter Prostata letztendlich ganz pragmatisch eine TURP anbieten. Da Morphologie und Funktion nicht immer zusammenpassen, muss man sie jedoch darüber aufklären, dass ihnen keiner garantieren kann, dass die Beschwerden danach tatsächlich verschwinden.

Quelle: 69. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie

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