Benignes Prostatasyndrom: Gehört die Monotherapie bald der Vergangenheit an?

Dr. Alexandra Juchems

Schaschlik: Diese 7 cm große Prostata musste dann doch raus. Schaschlik: Diese 7 cm große Prostata musste dann doch raus. © wikimedia/ Steven Fruitsmaak

In der Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS) kommen Medikamentenkombinationen zu selten zum Einsatz, kritisiert ein Urologenteam in einer Übersicht zum aktuellen Stand der Therapie. Demnach könnten bestimmte Patienten von einem synergistischen Effekt profitieren.

Das benigne Prostatasyndrom (BPS) manifestiert sich als eine Speicher- oder Entleerungsstörung (oder beides) und verursacht Symptome des unteren Harntraktes (lower urinary tract symptoms, LUTS). Wie progredient die Erkrankung verläuft, hängt u.a. vom Prostatavolumen und dem Grad der Obstruktion ab. Das Ausmaß der Beschwerden sowie das Progressionsrisiko bestimmen auch, ob eine operative oder eine medikamentöse Behandlung infrage kommt.

Grundsätzlich zielen alle Therapieformen darauf ab, die Lebensqualität zu steigern und sekundäre Komplikationen (akuter Harnverhalt, Abflussstauungen des oberen Harntrakts und Infektionen) zu vermeiden, schreiben Privatdozent Dr. Frank Strittmatter und seine Kollegen vom Klinikum der Universität München-Großhadern. Allgemein geht einer medikamentösen Behandlung immer eine sinnvolle Diagnostik voraus, um die Symptome zu quantifizieren, betonen die Autoren.

 

  • α1-Adrenorezeptorantagonisten (a1-Blocker): Alfuzosin, Doxazosin, Tamsulosin, Terazosin oder Silodosin weisen keine Unterschiede in der Wirksamkeit auf. Da sich bereits nach Stunden bis wenigen Tagen die Symptome bessern, eignen sich die Substanzen nicht nur dauerhaft, sondern auch als Kurzzeit- oder intermittierende Therapie.
    Kranheitsprogression und Blasenauslassobstruktion werden allerdings nicht beeinflusst. Zudem erhöhen α1-Blocker das Orthostaserisiko von Patienten, die Antihypertensiva einnehmen, zusätzlich. 3–5 Tage vor einer Augenoperation sollte das Medikament abgesetzt werden! Laut den Experten können α1-Blocker die Irismobilität steigern, was z.B. eine Katarakt-Op. erschwert.

  • 5α-Reduktaseinhibitoren (5ARI): Dutasterid und Finasterid führen innerhalb von 6–12 Monaten zu einer Größenreduktion der Prostata um 18–28 % und zu einer Halbierung der PSA-Konzentration im Serum. Besonders Männer mit einem höhreren Prostatavolumen (> 30 ml) scheinen davon zu profitieren. Da sich der Effekt erst langsam einstellt, sind sie als initiale Monotherapie ungeeignet. Durch 5ARI lässt sich auch die Progression bei asymptomatischen Patienten hemmen. Die erforderliche lebenslange Einnahme sollte aber vor einer etwaigen Behandlung mit dem Patienten diskutiert werden.

  • PDE-5-Inhibitoren (PDE-5-I): Männer mit LUTS laufen Gefahr, eine erektile/ejakulatorische Dysfunk­tion und eine verminderte Libido zu entwickeln. Dem können Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil entgegenwirken. Insbesondere jüngere Männer mit einem niedrigen Body-Mass-Index und starken LUTS profitieren von der Therapie. Tadalafil ist seit Kurzem zur Behandlung des BPS zugelassen und sorgt den Autoren zufolge für eine größere Patientenzufriedenheit als Tamsulosin.

  • Muskarinrezeptorantagonisten (MRA) gelten als Standardtherapie bei einer Blasenspeicherstörung, was etwa 40–50 % aller Männer mit BPS betrifft. Unter Tolterodin z.B. besserten sich in Studien Miktionsfrequenz, Nykturie und Dranginkontinenz binnen dreier Monate. Zudem wirkte sich das Mittel positiv auf Harnstrahl und Restharnvolumen aus. Bei Blasenauslassobstruktion sind MRA jedoch kontraindiziert!

  • Phytopharmaka: Extrakte aus Sägezahnpalmenfrüchten, Brennnesselwurzeln, Kürbissamen, Roggenpollen und südafrikanischem Stargras können auch in aktuellen Leitlinien nicht generell empfohlen werden, so die Autoren. Bis dato fehle der evidenzbasierte Nachweis der Wirksamkeit hinsichtlich Blasenauslassobstruktion, Prostatagröße und Krankheitsprogression.

  • Eine Kombination der einzelnen Medikamente erfolgt bisher viel zu selten, kritisieren Dr. Strittmatter und Kollegen. Der dadurch erzielte synergistische Effekt könnte einerseits die Symptomatik bessern und andererseits die Progression bremsen. An sinnvollen Kombinationen nennen die Experten:
    1. a1-Blocker/5ARI (bei Prostatavolumen > 30–40 ml)
    2. a1-Blocker/MRA (bei gleichzeitiger Speicher- und Entleerungsstörung)
    3. PDE-5-I/5ARI (Speicher- und Entleerungsstörung, sexuell aktive Patienten)
    4. a1-Blocker/PDE-5-I (in Einzelfällen)
Risikostratifiziertes Vorgehen bei Patienten mit mäßigen bis schweren Symptomen des unteren Harntraktes (LUTS)
niedriges Progressionsrisikosexuell nicht aktivα1-Blocker
sexuell aktivα1-Blocker oder Phytotherapeutika oder PDE-5-Hemmer
hohes Progressionsrisikosexuell nicht aktiv5ARI + α1-Blocker
sexuell aktiv5ARI + α1-Blocker oder 5ARI + PDE-5-Hemmer
vorwiegend Symptome einer überaktiven Blasesexuell nicht aktivMRA + α1-Blocker
sexuell aktivPDE-5-Hemmer

Quellen: Aus der Fachliteratur
Strittmatter F et al. internistische praxis 2017; 57: 217-226

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Schaschlik: Diese 7 cm große Prostata musste dann doch raus. Schaschlik: Diese 7 cm große Prostata musste dann doch raus. © wikimedia/ Steven Fruitsmaak