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Benignes Prostatasyndrom: Zentralnervöse Nebenwirkungen der Hyperplasie-Therapie sind kritisch

Mögliche zentralnervöse Effekte der Pharmakotherapie des benignen Prostatasyndroms (BPS) lassen sich durchaus plausibel erklären. So sprechen Spontanberichte, (Tier-)Studien sowie die klinische Erfahrung dafür, dass 5α-Reduktasehemmer (ARI) u.a. das Depressionsrisiko erhöhen, schreiben Dr. Klaus Friedrich Becher, Helios Hanseklinikum Stralsund, und Kollegen. Ein Rote-Hand-Brief aus 2018 fordert dazu auf, Patienten über dieses Risiko aufzuklären.
Nebenwirkungen treten insgesamt selten auf
Depressive Symptome können sich auch nach Absetzen eines ARI entwickeln (5α-Reduktaseinhibitorsyndrom). Finasterid und Dutasterid als verfügbare Vertreter kommen als Monotherapie oder in Kombination mit α-Blockern bei benignem Prostatasyndrom mit erhöhtem Progressionsrisiko zum Einsatz. Eine Analyse aller kontrollierten Studien zwischen 1992 und 2012 bestätigte eine signifikante Häufung von Angststörungen und Depressionen unter ARI gegenüber Placebo.
Aktuellere Untersuchungen mit etwa 14 000 bzw. 93 000 Männern kamen zu ähnlichen Ergebnissen. In den ersten beiden Therapiejahren war einer der Studien zufolge auch das Demenzrisiko erhöht. Insgesamt treten die Nebenwirkungen aber selten auf, so die Autoren.
Mehr Demenz-Neudiagnosen unter Tamsulosin?
Unter den α1-Adrenozeptorantagonisten scheint es einen substanzspezifischen Effekt von Tamsulosin zu geben. Laut einer epidemiologischen Untersuchung häufen sich Demenzerkrankungen nach Erstverschreibung. In der Studie wurden 253 136 Patienten unter Tamsulosin mit 180 926 ohne BPS-Medikation bzw. mit 17 000–39 000 unter anderen α-Blockern oder ARI verglichen.
In der Tamsulosin-Gruppe war die Rate an Demenz-Neudiagnosen moderat erhöht (Hazard Ratio 1,11–1,20). Andere Studien erhärten diesen Verdacht allerdings nicht. Die Autoren diskutieren eine mögliche Komedikation mit Muskarinrezeptorantagonisten. Diese Medikamente entfalten ihrerseits eine gut dokumentierte Wirkung auf das ZNS und deren Einnahme wurde nicht erfasst. Nichtsdestotrotz solle man die Assoziation ernst nehmen.
In höherem Alter nimmt die Expression der Muskarinrezeptoren im Gehirn ab. Anticholinerge Substanzen wie Muskarinrezeptorantagonisten, die bei unzureichendem Ansprechen des BPS auf α-Blocker verwendet werden, können somit ein Problem darstellen. Assoziationen zwischen der Einnahme von Anticholinergika und kognitiven Störungen, Störungen des Schlaf-Wach-Zyklus sowie dem Auftreten eines Delirs sind bekannt.
Retard-Präparate geben und die Dosis langsam steigern
Wer Muskarinrezeptorantagonisten einsetzt, sollte retardierte Formen wählen, die Dosis langsam steigern und Patienten im Einzelfall engmaschig kontrollieren, raten die Autoren. Gerade für ältere und multimorbide Menschen fehlen Studiendaten. In der FORTA*-Liste wurde Fesoterodin als gut verträglich und wirksam eingestuft. Allgemein sehen die Experten mögliche Vorteile für Substanzen mit deutlicher (Darifenacin) oder moderater (Oxybutynin, Solifenacin) Selektivität für M3-Rezeptoren.
* fit for the aged
Quelle: Becher KF. Urologe 2019, 58: 248-253
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