Wann muss ein aktiv überwachtes Prostatakarzinom doch operiert werden?

Michael Brendler

Hält sich das Ausmaß des Tumors in Grenzen, muss nicht gleich aggressiv therapiert werden. Hält sich das Ausmaß des Tumors in Grenzen, muss nicht gleich aggressiv therapiert werden. © iStock/themacx

Nicht zwangsläufig schränkt das Prostatakarzinom Überleben und Wohlergehen des Betroffenen ein. Bei lokal begrenztem und wenig aggressivem Tumor kann den Männern eine „aktive Überwachung“ angeboten werden. Aber wie aktiv muss diese eigentlich sein?

Ein Prostatakarzinom ist bei der Autopsie älterer Männer nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Japanische und russische Untersuchungen belegen ein Vorkommen bei rund jeder dritten männlichen Leiche. Bei Über-79-Jährigen steigt diese Quote auf 59 %, was zeigt: Ein kleiner, nicht-aggressiver Tumor muss seinem Träger nicht unbedingt gefährlicher werden als andere Todesursachen. Bei Lebenden wird er – aufgrund des breiten Screenings – bei drei von vier Patienten bereits in diesem Stadium entdeckt. Womit sich die Frage stellt, wie umgehen mit diesen Fällen?

Dafür, dass mehr Zurückhaltung angebracht sein könnte, spricht das Ergebnis der europäischen ERSPC-Studie: Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass 54 % der untersuchten Patienten übertherapiert wurden. Die Deutsche Krebsgesellschaft versucht, Ärzten und Patienten bei dieser schwierigen Entscheidung weiterzuhelfen, berichtet Dr. Eva Erne von der Klinik für Urologie der Universität Tübingen zusammen mit Kollegen.

Die aktualisierte S3-Leitlinie definiert Kriterien, ab wann es angebracht ist, eine solche Zurückhaltung zu erwägen. Liegt der PSA-Wert bei einem lokal begrenzten Prostatakarzinom höchstens bei 10 ng/ml und überschreitet gleichzeitig der Gleason-Score nicht die Stufe 6 (= niedriges Malignitätspotenzial), kann dem Betroffenen eine Active Surveillance (aktive Überwachung) angeboten werden – sofern weitere Kriterien erfüllt sind.

Kontrollschema bei stabilen Befunden

Die S3-Leitlinie Prostatakarzinom empfiehlt in den ersten zwei Jahren nach Beginn der „aktiven Überwachung“ alle drei Monate eine Kontrolle des PSA-Wertes. Bleibt der Wert stabil, kann das Intervall auf sechs Monate ausgeweitet werden. Die Frequenz der Biopsien hängt davon ab, ob zum Zeitpunkt der Diagnose eine multiparametrische (mp) MRT-Untersuchung zur Beurteilung des Primärtumors durchgeführt wurde. Liegen solche Aufnahmen vor, steht die erste Re-Biopsie samt erneutem mpMRT erst nach zwölf Monaten an. Ist das nicht der Fall, sollten diese Maßnahmen bereits in den Monaten zwei bis sechs durchgeführt werden. Danach sollte alle zwölf bis 18 Monate biopsiert werden. Im Folgenden bei stabilem Befund alle drei Jahre.

Komorbiditäten und Lebenserwartung bedenken

Die zusätzlichen Voraussetzungen für eine aktive Überwachung umfassen:
  • nicht mehr als zwei positive Funde pro Biopsie (10–12 Stanzen)
  • Tumorgewebe macht weniger als 50 % des Stanzeninhalts aus
  • Niedriges Tumorstadium (CT1- Ct2a-Stadium)
Allerdings sind in die Entscheidung auch die Begleiterkrankungen und die Lebenserwartung des Betroffenen mit einzubeziehen. Insbesondere wenn Letztere nicht mehr als zehn Jahre beträgt, sollte eine aktive Überwachung erwogen werden. Für den Patienten ist eine Active Surveillance mit regelmäßigen Nachuntersuchungen verbunden. Das Ziel ist lediglich, die therapiebedingte Toxizität auf die wirklich nötigen Fälle einzuschränken. Indikation für ein forscheres Vorgehen ist neben dem Wunsch des Patienten den Autoren zufolge die Progression des Tumors mit Stadienveränderung. Die Leitlinie rate zudem auch bei einer PSA-Verdoppelung innerhalb von drei Jahren zu einem solchen Wechsel. Worauf man gerade jüngere Patienten vorab vor­bereiten sollte.

Empfehlung ändert sich häufig innerhalb von sechs Jahren

Laut einer Studie müssen Unter-60-Jährige mit einer Wahrscheinlichkeit von 18 % damit rechnen, dass ihnen der Arzt binnen sechs Jahren aufgrund neuer Befunde zu einer aggressiveren Therapie rät. 

Quelle: Erne E et al. Urologe 2019; 58: 511-517

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Hält sich das Ausmaß des Tumors in Grenzen, muss nicht gleich aggressiv therapiert werden. Hält sich das Ausmaß des Tumors in Grenzen, muss nicht gleich aggressiv therapiert werden. © iStock/themacx