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Sechs Schritte mit SPIKES: Sicherheit beim Überbringen schlechter Nachrichten

STEP 1: Rahmenbedingungen
- Sorgen Sie für eine angemessene Privatsphäre, z.B. ein Besprechungszimmer, oder ziehen Sie die Vorhänge um das Bett zu. Taschentücher sollten auf jeden Fall bereit stehen.
- Manche Patienten haben lieber noch eine vertraute Person dabei. Das sollte aber die Entscheidung des Kranken bleiben. Handelt es sich z.B. um eine größere Familie, bitten Sie ihn, ein bis zwei Personen auszuwählen.
- Setzen Sie sich. Es entspannt den Patienten und vermittelt das Gefühl, dass Sie sich für das Gespräch Zeit nehmen. Vermeiden sie physische Barrieren zwischen sich und ihm. Emöglichen Sie es ihm sich anzuziehen, falls Sie ihn zuvor untersucht haben.
- Bleiben Sie in Kontakt! Den direkten Augenkontakt zu halten mag für Sie vielleicht unangenehm sein, aber er ist wichtig für Ihre Verbindung. Eine Berührung am Arm oder der Hand – wenn der Patient einverstanden ist – kann einen ähnlichen Effekt haben.
- Berücksichtigen Sie mögliche Unterbrechungen. Haben Sie nur begrenzt Zeit oder erwarten Störungen, teilen Sie es im Vorfeld mit. Stellen sie Telefon, Pager etc. lautlos oder bitten Sie Kollegen, Sie zu vertreten.
STEP 2: Patientenwahrnehmung
- Fragen Sie bevor, Sie erzählen. Sichern Sie sich die Zustimmung Ihres Gegenübers für das Gespräch.
- Beurteilen Sie über offen gehaltene Fragen, was der Patient schon weiß, bevor sie die medizinischen Belange ansprechen. So konnen Sie vorhandene Fehlinformationen korrigieren und Ihre Informationen so zuschneiden, dass sie verstanden werden.
Mögliche Fragen
„Was wurde Ihnen bisher über Ihre medizinische Situation gesagt?“
„Was meinen Sie, warum wir das MRT gemacht haben?“
- Versuchen Sie herauszufinden, ob Ihr Patient in einem Zustand ist, in dem er seine Krankheit verleugnet (Wunschdenken, Weglassen essentieller, aber schlechter medizinischer Details, unrealistische Behandlungsansprüche)
STEP 3: Einladung
- Nicht jeder Patient will alles über seine Krankheit wissen. Das Umgehen von Information ist ein psychologischer Prozess und kann bei schwerer Krankheit stärker ausgeprägt sein. Besprechen Sie den Grad der Offenlegung z.B. schon beim Durchführen von Tests, um sich selbst besser auf das Gespräch vorbereiten zu können. Wenn ein Kranker die Antworten jetzt nicht will, bieten Sie weitere Gespräche zu einem späteren Zeitpunkt an oder sprechen sie mit Familienmitgliedern/Freunden.
Mögliche Formulierung
„Wie genau soll ich Sie über die Testergebnisse informieren? Wollen Sie alles genau wissen oder soll ich die Ergebnisse grob skizzieren und mehr Zeit für die Besprechung des Therapieplans verwenden?“
STEP 4: Kenntnisse vermitteln
- Warnen Sie den Patienten vor. Das mildert den Schock und kann bei der Informationsverarbeitung helfen.
Mögliche Einstiege
„Ich habe leider schlechte Nachrichten für Sie.“
„Es tut mit leid, Ihnen sagen zu müssen, dass ...“
- Achten Sie darauf, das Verständnislevel des Patienten zu berücksichtigen sowie die gleiche Sprache zu verwenden. Vermeiden sie technische Ausdrücke. Nutzen Sie z.B. „gestreut“ statt „metastasiert“ oder Gewebeprobe statt Biopsie.
- Vermeiden Sie schonungslose Unverblümtheit z.B. „Sie haben sehr schlimmen Krebs. Ohne Behandlung sterben Sie.“ Das kann den Patienten verärgern.
- Geben Sie die Informationen häppchenweise und überprüfen Sie zwischendurch, ob Ihr Schützling Ihnen noch folgen kann.
- Auch wenn die Prognose schlecht ist, versuchen Sie Aussagen wie „Es gibt nichts mehr, was wir für Sie tun können“ zu vermeiden. Gerade für die Palliativmedizin trifft das nicht zu.
STEP 5: Emotionen einfühlsam ansprechen
- Patienten reagieren verschieden, z.B. schweigend, ungläubig, verleugnend oder wütend. Es überwiegen oft Gefühle von Schock, Isolation und Kummer. Zeigen Sie sich solidarisch und bieten Sie Unterstützung an, indem Sie empathisch auf den Patienten eingehen.
- Achten Sie zunächst auf Anzeichen, die auf die der Art der Emotion schließen lassen: Tränen, trauriger oder schockierter Gesichtsausdruck, Schweigen.
- Versuchen Sie dann über offene Fragen herauszufinden, wie sich der Patient fühlt oder denkt. Gehen Sie dem Grund des Gefühls nach – es muss nicht immer direkt die schlechte Nachricht sein.
- Beschreiben Sie dem Patienten Ihren Eindruck.
Eine Situation als Beispiel
Arzt: „Es tut mir leid, aber die Röntgenbilder zeigen, dass die Chemo wohl nicht angeschlagen hat. (Pause) Der Tumor scheint gewachsen zu sein.“
Der Patient weint: „Das habe ich die ganze Zeit befürchtet“
Der Arzt zieht seinen Stuhl etwas näher heran, reicht ein Taschentuch und wartet kurz: „Ich weiß, das ist nicht das, was Sie hören wollten. Ich wünschte, ich hätte bessere Nachhrichten gehabt.“
Der Arzt im Beispiel registriert, dass der Patient anfängt zu weinen und reagiert entsprechend. Statt näher an ihn heranzurücken, hätte er je nach Beziehung auch eine Hand nehmen können. Indem er kurz abwartet, gibt er dem Patienten die Möglichkeit, sich wieder zu sammeln. Durch das Eingeständnis am Ende zeigt er Einfühlungsvermögen und fasst seinen Eindruck über die Gefühlslage zusammen.
- Bleibt der Patient weiterhin sehr emotional, sollten Sie versuchen, ihn über weitere einfühlsame Aussagen zu beruhigen. Man kann wie im obrigen Beispiel so auch seine persönliche Betroffenheit zum Ausdruck bringen und den Betroffenen unterstützen, indem man ihn in seinen Gefühlen bestätigt.
Mögliche Formulierungen
„Ich kann verstehen, wie sie sich fühlen“
„Ich glaube, jeder würde so reagieren“
„Sie haben völlig recht, so zu denken“
„Viele andere Patienten haben eine ähnliche Erfahrung gemacht“
- Solange Ihnen die Emotionen nicht klar sind, ist ein weiteres Gespräch schwierig. Werden die Gefühle nicht klar kommuniziert, fragen Sie nach!
Mögliche Fragen
„Wie meinen Sie das?“
„Erzählen Sie weiter.“
„Könnten Sie mir erklären, wie Sie das meinen?“
„Sie haben gesagt, es macht Ihnen Angst?“
„Würden sie mir beschreiben, was genau Ihnen Sorgen macht?“
- Macht der Patient subtile Andeutungen, die auf Wut oder Enttäuschung hinweisen, sollten Sie auch empathisch vorgehen. Viele Patienten sehen den Arzt als psychologische Stütze. Durch Nachfragen und Legitimation der Reaktion nehmen Sie das Gefühl der Isolation und unterstützen.
Weitere Beispiele
Patient: „Ich nehme an, das bedeutet, ich muss wieder eine Chemo machen“
Arzt: „Ich kann nachvollziehen, dass die Neuigkeiten sie aufregen.“ „Ich stelle fest, dass Sie das nicht erwartet haben zu hören.“ „Ich weiß, das sind keine guten Nachrichten.“ „Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen.“ „Das ist auch für mich sehr schwierig.“ „Ich hatte auch auf ein besseres Ergebnis gehofft.“
Arzt: „Ich kann nachvollziehen, dass die Neuigkeiten sie aufregen.“ „Ich stelle fest, dass Sie das nicht erwartet haben zu hören.“ „Ich weiß, das sind keine guten Nachrichten.“ „Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen.“ „Das ist auch für mich sehr schwierig.“ „Ich hatte auch auf ein besseres Ergebnis gehofft.“
STEP 6: Strategien und Zusammenfassung
- Fragen Sie den Patienten erst, ob er bereit ist, über eine mögliche Behandlung zu sprechen. Dadurch hat er das Gefühl, dass seine Wünsche stärker berücksichtigt werden.
- Lassen Sie den Patienten mit entscheiden. Das reduziert auch den Eindruck des ärztlichen Versagens, sollte die Therapie scheitern.
- Überprüfen Sie, ob es Misverständnisse bezüglich Effizienz und Nutzen der Behandlung gibt.
- Stellt der Patient unrealistische Erwartungen an die Therapie, lassen Sie sich die Krankheitshistorie beschreiben, um die dahinter liegenden Gründe zu erfahren. Meist wird dem Kranken dadurch die eigene Situation besser bewusst.
- Versuchen Sie, die für Ihren Patienten wichtigen Ziele zu verstehen, z.B. Symptomkontrolle. Stellen Sie sicher, dass er die bestmögliche Behandlung erfährt und auch weiterhin versorgt wird. Machen Sie deutlich, was mit Ihrer Strategie möglich ist.
Quelle: Baile WF et al. The Oncologist 2000; 5: 302-311
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