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Warum der Umgang mit Palliativpatienten Ärzte überfordert

Wer gesteht sich schon gerne ein, die Grenzen seiner Möglichkeiten erreicht zu haben? Für Mediziner ist es schwer, die Endlichkeit des Lebens ihrer Patienten zu akzeptieren, stellt Dr. Sofia C. Zambrano vom universitären Zentrum für Palliative Care am Inselspital Bern fest. Der Tod wird noch immer als eine Niederlage verstanden, was es den Ärzten erschwert, sich auch die eigene Betroffenheit und Angst einzugestehen.
Das bleibt nicht ohne Folgen: Am Patientenbett werden nur selten fatale Prognosen angesprochen. Statt zu überlegen, was der Patient sich wünscht und wie man die Lebensqualität hoch halten kann, drehen sich die Gespräche um spezifische Behandlungen und Last-minute Rettungsversuche. Zusammen mit Stress, Zeitmangel und Unsicherheit steht sich der Arzt bei der dringend nötigen offenen Kommunikation oft selbst im Weg. Denn: Niemand nimmt einem Sterbenskranken gerne die Hoffnung.
Gespräch reduziert Ängste und steigert die Zufriedenheit
Der Arzt beeinflusst generell die Art und Weise, wie der Patient stirbt: Erhält der Patient durch ehrliche und rechtzeitige Gespräche die Autonomie, seine persönlichen Angelegenheiten zu ordnen und beispielsweise wichtige Beziehungen noch einmal zu pflegen? Oder wird zwanghaft weiterbehandelt, ohne auf die Wünsche des Sterbenden einzugehen? Unzureichend informierte Patienten neigen zusätzlich dazu, durch falsch geweckte Hoffnungen z.B. aggressiven und sinnlosen chirurgischen Last-minute-Eingriffen zuzustimmen – hohe Komplikationsraten und lange Klinikaufenthalte inklusive. Es kann auch zu Depressionen führen, wenn z.B. Patienten zu wenig Zeit zur Sterbevorbereitung bleibt.
Ihre Zurückhaltung begründen Ärzte oft damit, dem Patienten Leid ersparen zu wollen. Paradox, denn sie verweigern ihm dadurch eine angemessene Sterbebegleitung und einen ehrlichen Entscheidungsprozess. Viele befürchten auch, dass es der Arzt-Patienten-Beziehung schadet. Nach Aussage der Expertin ist bei einem offenen, zur richtigen Zeit geführten Gespräch aber das Gegenteil der Fall, denn die Patienten sind zufriedener und weniger ängstlich – vorausgesetzt, der Patient stimmt dem Gespräch zu.
Doch wie entscheidet man sich für den richtigen Zeitpunkt? Sicher ist, Erkrankungskrisen oder das Scheitern einer Behandlung sind der falsche Moment. Denn von einem emotional aufgewühlten oder angsterfüllten Kranken sollte man keine überlegte Therapieentscheidung verlangen, weiß die Psychologin. Nur leider hat sich das noch nicht überall herumgesprochen.
Nicht erwarten, dass Patienten von sich aus aktiv werden
Am besten spricht man mit dem Betroffenen, wenn dieser sich einigermaßen gut fühlt, rät Dr. Zambrano. Hier haben Versorgungspläne und prognostische Gespräche potenziell die größte Wirkung. Ob es an der Zeit ist, können Sie sich z.B. auch über eine einfache Frage beantworten: „Würde es Sie erstaunen, wenn Ihr Patient in den nächsten 6–12 Monaten stirbt?“ Gleichzeitig gilt natürlich: Je früher man ein solches Gespräch führt, desto größer können die Auswirkungen auf die Patienten und ihre Angehörigen sein.
Keinesfalls darf man davon ausgehen, dass Patienten von sich aus aktiv werden, mahnt sie. Im Gegenteil: Es lasse sich belegen, dass diese darauf warten, dass ihr Doktor auf sie zukommt und das Gespräch initiiert. Welcher „Doktor“ das sein sollte, ist für Dr. Zambrano nicht festgelegt. Generell kommt für sie jeder an der Versorgung beteiligte in Betracht. Gerade die Hausärzte könnten hier mit ihrer idealen Beziehung zum Kranken eine genauso wichtige Rolle spielen wie ein Spezialist.
Sich den eigenen Gefühlen stellen, statt sie zu verdrängen
Bei der Gesprächsvorbereitung helfen verschiedene Leitfäden: Für das Übermitteln schlechter Nachrichten empfiehlt die Expertin zum Beispiel das SPIKES-Protokoll.
SPIKES-Protokoll
Serious Illness Conversation Guide
Das Schweizer Rahmenkonzept SENS
- Nicht nur den Patienten (Familienangehörige), sondern auch sich selbst auf das Gespräch vorbereiten.
- Erlaubnis seitens des Patienten erfragen, ggf. späteren Termin zur Wahl stellen. Ohne Zustimmung kein Gespräch führen.
- Verständnis schaffen, was der Betroffene über seine Erkrankung weiß.
- Prognose ehrlich und einfühlsam kommunizieren, Wünsche und Ängste erfragen.
- Das Informationsniveau an den Gegenüber anpassen.
Quelle: Zambrano SC. Therap Umschau 2018; 75: 135-144
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