Sechste Version der Leitlinie erschienen

Dr. Judith Lorenz

Darstellung von Zellen eines Prostatakarzinoms unter dem Rasterelektronenmikroskop. Darstellung von Zellen eines Prostatakarzinoms unter dem Rasterelektronenmikroskop. © Science Photo Library/Anne Weston, EM STP, the Francis Crick Institute

Männer „ergebnisoffen“ über Vor- und Nachteile einer Früherkennung des Prostatakarzinoms aufklären lautet eine der neuen Empfehlungen der aktualisierten S3-Leitlinie. Dem Thema fokale Therapien haben die Autoren ein ganzes Kapitel gewidmet. Das sind die wichtigsten Änderungen.

Das Prostatakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor bei Männern. Im Jahr 2016 erkrankten in Deutschland 58.780 Personen neu und 14.417 verstarben daran. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist zu erwarten, dass sowohl die Inzidenz als auch die Prävalenz von Prostatakrebs zunehmen werden. Dieser Tatsache müssen Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge Rechnung tragen. Hierzu gibt die aktualisierte S3-Leitlinie evidenz- und konsensbasierte Hilfestellung.

Früherkennung

Zum Thema Früherkennung führen die Leitlinienautoren aus: Männer sollen ergebnisoffen über die Vor- und Nachteile beraten werden, insbesondere über die Aussagekraft von positiven und negativen Testergebnissen, Überdiagnosen sowie über gegebenenfalls erforderliche weitere Maßnahmen.

Ärzte sollen Personen, die nach der Aufklärung eine Früherkennungsuntersuchung wünschen, die PSA-Wert-Bestimmung als Untersuchungsmethode anbieten. Die Experten haben dagegen die Empfehlung zur digital-rektalen Untersuchung hinsichtlich des Empfehlungsgrades abgeschwächt: Sie kann zusätzlich angeboten werden.

Primärdiagnostik und Staging

Bezüglich der Primärdiagnostik gehen die Autoren insbesondere auf die multiparametrische Magnet­resonanztomographie (mpMRT) ein. Außer der gezielten Biopsie der in der mpMRT beschriebenen karzinomverdächtigen Herde empfehlen sie im Rahmen der Erstbiopsie zusätzlich eine systematische Probenentnahme. Nach negativer systematischer Biopsie ohne vorherige mpMRT und einem fortbestehenden Karzinomverdacht soll laut den Experten eine Bildgebung mittels mpMRT erfolgen.

Auch Patienten, die eine aktive Überwachung erwägen, sollen vor Indikationsstellung eine mpMRT erhalten. Im Hinblick auf das Staging äußern sich die Autoren erstmals zur PSMA*-PET: Diese habe eine höhere Genauigkeit bezüglich der Metastasendetektion als die Kombination aus CT und Knochenszintigraphie. Nach Einschätzung der Experten kann die PSMA-PET/CT bei High-Risk-Tumoren zur Ausbreitungsdia­gnostik eingesetzt werden.

Fokale Therapien

Einen Schwerpunkt legt das Leitlinien-Update auf die fokalen Therapien (siehe Kasten). Ihre Indikation beschränkt sich allerdings auf Erkrankte mit unilateralem, lokal begrenztem Prostatakarzinom mit niedrigem Risiko, die sowohl Standardbehandlungen als auch eine Active Surveillance ablehnen, unterstreichen die Autoren. Weitere Voraussetzungen sind:

  • Gleason Score 6
  • PSA < 10 ng/ml
  • unauffälliger Tastbefund
  • maximal 50 % positive Stanzen nur auf einer Seite in der systematischen Biopsie
  • Diagnose durch mpMRT, Fusionsbiopsie und systematische Biopsie

Zusätzlich sind nach der Therapie bioptische Kontrollen der behandelten Prostataareale sowie der restlichen Drüse notwendig. 

Fokale Therapien

Fokale Therapien sind minimalinvasive Verfahren, die wie die Standardbehandlungen – radikale Prostatektomie, perkutane Bestrahlung und LDR/Low-Dose-Rate-Brachytherapie – in kurativer Intention eingesetzt werden. Allerdings wird dabei nur die karzinomtragende Region in der Prostata mit einem gewissen Sicherheitsabstand behandelt. Fokale Therapien verursachen potenziell weniger Nebenwirkungen als Standardbehandlungen.

Die Datenlage zur Wirksamkeit der fokalen Therapien im Vergleich zu den Standardbehandlungen ist unzureichend, so die Experten weiter. Patienten sollen deshalb darüber aufgeklärt werden, dass eine Gleichwertigkeit der verschiedenen fokalen Strategien im Vergleich zum Standard nicht bewiesen ist und dass eine gegebenenfalls anschließende erforderliche Salvagetherapie schlechtere funktionelle und onkologische Ergebnisse haben kann. Mangels Daten zum Vergleich der verschiedenen fokalen Technologien untereinander gibt es zudem gegenwärtig keine Empfehlung, welches Verfahren im Einzelfall vorzuziehen ist. Einzelne fokale Behandlungen sollen daher nur nach klaren Indikationskriterien und biopsiekontrolliert durchgeführt werden. Die fokale, vaskuläre, gezielte photodynamische Therapie unter Verwendung von Padeliporfin ist die einzige Technologie, für die Ergebnisse aus einer prospektiven randomisierten kontrollierten Studie zum Vergleich mit Active Surveillance vorliegen, berichten die Autoren. Sie ist durch die EMA zugelassen für die Therapie des unbehandelten, lokalisierten Niedrig-Risiko-Prostatakarzinoms mit lokaler Begrenzung. Bezüglich anderer fokaler Konzepte, z.B. der hochintensiven, fokussierten Ultraschallablation oder der Kryotherapie, liegen dagegen keine ausreichenden Daten zur Beurteilung der onkologischen Effektivität und Sicherheit vor.

Systemische Behandlung

In weiteren Kapiteln präzisiert das Leitlinienkomitee die Empfehlungen zur Indikation der adjuvanten Bestrahlung sowie zur Behandlung des PSA-Rezidivs. Hinsichtlich der systemischen Therapie des metastasierten, hormonsensitiven Prostatakarzinoms (mHSPC) sollen Patienten in gutem Allgemeinzustand folgende Möglichkeiten angeboten werden:
  • Männer mit mHSPC: zusätzlich zur Androgendeprivation eine Hormonbehandlung mit Apalut­amid bzw. Enzalutamid
  • Betroffene mit de novo metastasiertem High-Risk-mHSPC: zusätzlich zur Androgendeprivation eine Hormontherapie mit Abirateron (plus Prednison/Predni­so­lon)
  • Bei High-Volume-mHSPC: unter Aufklärung über die im Vergleich zu neuen Hormonsubstanzen höhere Toxizität zusätzlich zur Androgendeprivation eine Chemotherapie mit Docetaxel
Patienten in gutem Allgemeinzustand mit Low-Volume-mHSPC können zusätzlich zur Androgendeprivation eine Chemotherapie mit Docetaxel erhalten.

Lokale Therapie

Auf Basis der aktuellen Evidenz erarbeiteten die Leitlinienexperten ein neues Kapitel zur lokalen Behandlung des metastasierten Prostatakarzinoms. Sie führen hier die Definition der Oligometastasierung ein. Darunter wird ein Tumor mit maximal vier in konventioneller Bildgebung (Skelettszintigraphie und CT oder MRT) nachweisbaren Knochenmetastasen ohne extra­ossäre viszerale Metastasen verstanden. Die Autoren empfehlen: Patienten mit einem neu diagnostizierten, oligometastasierten Prostatakarzinom sollten zusätzlich zur systemischen Therapie eine perkutane Bestrahlung der Prostata erhalten. Diese kann mit einer erweiterten sys­temischen Behandlung kombiniert werden (Androgendeprivation simultan, Docetaxel sequenziell). Für die radikale Prostatektomie als Option bei Oligometastasierung gibt es keine ausreichende Evidenz; sie kann aber nach Diskussion in einer interdisziplinären Tumorkonferenz im Rahmen einer multimodalen Therapie angeboten werden. Auch die metastasengerichtete lokal ablative Behandlung ist nicht hinreichend durch Evidenz belegt, kann aber zur Verzögerung einer Androgendeprivation und/oder Tumorprogression.

* Prostataspezifisches Membranantigen

Quelle: S3-Leitlinie Prostatakarzinom, AWMF-Register-Nr. 043/022OL, www.awmf.org

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Darstellung von Zellen eines Prostatakarzinoms unter dem Rasterelektronenmikroskop. Darstellung von Zellen eines Prostatakarzinoms unter dem Rasterelektronenmikroskop. © Science Photo Library/Anne Weston, EM STP, the Francis Crick Institute