Seltene Gefäßkomplikationen: Gezielte Diagnostik bei geschwollenen Beinen

Maria Weiß

Hat eine Bypass-OP zum dicken Bein geführt, ist konsequentes Drainieren und Komprimieren gefragt. Hat eine Bypass-OP zum dicken Bein geführt, ist konsequentes Drainieren und Komprimieren gefragt. © iStock/vchal

Bei geschwollenen Beinen gilt es natürlich gekonnt die häufigen Ursachen abzuklären. Doch Vorsicht, suchen Sie auch nach selteneren Erkrankungen, denn manche gehen mit einer hohen Mortalität einher. Mit gezielter Dia­gnostik kommen Sie selbst „Raritäten“ auf die Spur.

Grundsätzlich muss bei einseitigen Beinödemen nach lokalen Ursachen gesucht werden, bei beidseitigen eher nach systemischen, schreibt Dr. Eleni Agapitou von der angiologischen Abteilung des Universitätsklinikums des Kanton Waadt in Lausanne. Als systemische Ursachen kommen zahlreiche Differenzialdiagnosen infrage. Dazu gehören Herzinsuffizienz, Hypalbuminämie Leberfunktionsstörung, nephrotisches Syndrom und Schilddrüsenfunktionsstörungen. Auch zahlreiche Medikamente können die Ursache von Beinödemen sein (s. Tabelle).

Diese Medikamente können Ödeme verursachen
WirkstoffklasseBeispiele
NSARCelecoxib, Ibuprofen
Antidepressiva Trazodon, MAO-Hemmer
Antiepileptika Gabapentin, Pregabalin
Parkinsonmittel Pramipexol, Ropinirol
Neuroleptika Quetiapin, Olanzapin, Risperidon
Kortikosteroide diverse
Zytokine und Wachstums­faktorenInterleukin-2, G-CSF

Hormone

Östrogene, Gestagene, Androgene, Testosteron
Antihypertensiva Amlodipin, Felodipin, Nifedipin, Monoxidil
Immunsup­pressivaSirolimus, Tacrolimus 
Onkologische WirkstoffeAbirateron, Bicalutamid, Cyclophosphamid, Docetaxel, Imatinib, Aromatasehemmer, Tamoxifen
ThiazolidindionePioglitazon
Natriumhaltige ArzneimittelBrausetabletten, Piperacillin- Tazobactam

Asymmetrie des arteriellen Pulses deutet auf AV-Fistel

Bei einseitigem Ödem muss vor allem an tiefe Beinvenenthrombosen und ein postthrombotisches Syndrom gedacht werden. Aber auch eine Veneninsuffizienz, Stase durch Kompression von außen, ein Lymph­ödem oder eine Dermohypodermitis wie Erythema nodosum kommen als Ursache infrage.

Trifft dies alles nicht zu, müssen auch seltene Gefäßursachen in Erwägung gezogen werden. Die Angio­login nennt fünf Beispiele, von denen nicht wenige iatro­gen bedingt sind.

Aortokavale Fistel: Dies ist eine seltene Komplikation eines rupturierten abdominalen Aortenaneurysmas. Die aortokavale Fistel kommt aber auch nach einem Abdominaltrauma oder iatrogen nach chirurgischen Eingriffen vor. Je nach Lokalisation kann das Ödem einseitig oder beidseitig auftreten. Die hohe Mortalität erfordert schnelles Handeln.

Posttraumatische arterio-venöse Fistel: Solche AV-Fisteln können infolge von endovaskulären Eingriffen entstehen – aber auch nach Unfällen, Stürzen oder Schuss- und Stichverletzungen. Neben dem Ödem kann man Zeichen der Veneninsuffizienz oder auch pulsierende Varizen finden. Eine neu festgestellte Asymmetrie des arteriellen Pulses sollte immer an eine AV-Fistel denken lassen. Bis zur richtigen Diagnose vergehen oft mehrere Jahre. Therapie ist der chirurgische Verschluss der AV-Fistel.

Ödem nach Operation im Lumbalbereich: Vaskuläre Gefäßkomplikationen nach Bandscheibenoperationen sind zwar selten – aber etwa zwei Drittel sind mit der Bildung von AV-Fisteln verbunden. Je nach Lokalisation können sie zu einseitigen oder beidseitigen Ödemen führen. Die meisten AV-Fisteln werden erst nach Monaten erkannt, manche auch erst nach mehr als einem Jahr. Ob die Behandlung endovaskulär oder chirurgisch erfolgt, wird von Fall zu Fall entschieden. Besteht keine Kontraindikation, können auch Lymphdrainage und Kompression helfen.

Ödem durch Venenkompression: Als May-Turner-Syndrom bezeichnet man die Kompression der linken V. iliaca communis durch die rechte A. iliaca communis. Die Vene wird dabei gegen die Lendenwirbelsäule gedrückt, was zu Ödemen, Schweregefühl im Bein, Hinken, Venenthrombosen und -insuffizienz führen kann. Meist lässt sich das Problem schon mithilfe der Doppler-Sonographie erkennen, die ohnehin zum Ausschluss einer tiefen Beinvenenthrombose durchgeführt werden muss. Aber auch Aneurysmen, Tumoren, postoperative Hämatome, Uterusmyome oder Synovialzysten des Hüftgelenks können die Vene abdrücken.

Ödem nach peripherem Bypass: Nach chirurgischem Bypass bei pAVK der unteren Extremität ist ein Ödem des betroffenen Beines ein sehr häufiges Problem. Zahlreiche Faktoren wie Hyperämie, erhöhte Permeabilität der Mikrozirkulation, Entzündung nach Reperfusion und Störungen der Lymph- und Venenzirkulation können dazu beitragen. Deshalb muss so rasch wie möglich nach dem Eingriff die Lymphdrainage beginnen, bevor es zur Chronifizierung durch strukturelle Veränderungen im Subkutangewebe kommt. Auch in der ambulanten Betreuung durch den Hausarzt muss die Drainage und Kompressionsbehandlung fortgesetzt und auf Wunddehiszenz und drohende Infektionen geachtet werden.

Quelle: Agapitou E et al. Swiss Medical Forum 2018; 18: 589-593

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Hat eine Bypass-OP zum dicken Bein geführt, ist konsequentes Drainieren und Komprimieren gefragt. Hat eine Bypass-OP zum dicken Bein geführt, ist konsequentes Drainieren und Komprimieren gefragt. © iStock/vchal