So sichern Sie die Diagnose Fibromyalgie ohne Druckpunktanalyse

Dr. Dorothea Ranft

Neben den chronischen Schmerzen zählen Schlafstörungen und Müdigkeit bzw. Erschöpfung zu den Kernsymptomen. Neben den chronischen Schmerzen zählen Schlafstörungen und Müdigkeit bzw. Erschöpfung zu den Kernsymptomen. © fotolia/pathdoc

Eine Patientin klagt schon seit Monaten über Schmerzen in verschiedenen Körperregionen. Außerdem kann sie schlecht schlafen und fühlt sich auch geistig erschöpft. Eine typische Fibro­myalgie-Konstellation.

Laut der kürzlich aktualisierten Leitlinie lässt sich das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) auf zwei Wegen diagnostizieren: Erstens weiterhin mittels der Klassifikationskriterien des American College of Rheumatology (ACR) von 1990. Danach ist das FMS durch chronische Schmerzen (> 3 Monate) in mehreren Körperregionen sowie einer Druckschmerzhaftigkeit an mindestens 11 von 18 Tender Points definiert. Oder zweitens nach den modifizierten und einfacheren ACR-Kriterien von 2010. Sie verzichten auf die Druckpunktanalyse und stützen sich stattdessen auf drei Kernsymptome:

  • Chronische Schmerzen in mehreren Regionen
  • Schlafstörungen (oder nicht erholsamer Schlaf)
  • Müdigkeit bzw. Erschöpfungs­neigung (körperlich und/oder geistig).

„Funktionelles somatisches Syndrom“ trifft‘s am ehesten

Umstritten ist derzeit noch, ob es sich beim FMS um ein zentrales Hypersensitivitätssyndrom, eine psychosomatische Störung oder eine somatische Belastungsstörung handelt. Die Leitlinienautoren haben sich für den Begriff „funktionelles somatisches Syndrom“ entschieden. Es kann mit einer Depression einhergehen, ist aber selbst keine Manifestationsform der affektiven Erkrankung. Die Prävalenz des FMS liegt bei etwa 2 %, betroffen sind in bis zu 80 % der Fälle Frauen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren.

Lassen Sie den Patienten eine Schmerzskizze anfertigen

Die Diagnose FMS erfolgt klinisch: Voraussetzung ist das Vorliegen des typischen Symptomkomplexes (ACR-Kriterien 1990 oder 2010). Die körperliche Untersuchung einschließlich Hautbefund und orthopädischen Status dient dem Ausschluss organischer Erkrankungen, die die Symptome ausreichend erklären können.

Anhand einer Schmerzskizze, die der Patient erstellt, lassen sich die Beschwerden lokalisieren. Weitere Kernsymptome (Müdigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsdefizite) sollten gezielt erfragt werden, ebenso Begleiterkrankungen und die aktuelle Medikation. Beispielsweise können PPI oder Statine FMS-verdächtige Muskelschmerzen auslösen.

Das Basislabor (s. Kasten) dient ebenfalls dem Ausschluss häufiger Differenzialdiagnosen. Die aktuelle Leitlinie umfasst dabei auch die Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels, da ein Mangel mit FMS assoziiert sein kann. Zudem plädieren die Leitlinien-Autoren schon bei der Erstkonsultation für ein Screening auf Depression und Angststörung, z.B. mit dem PHQ-4-Fragebogen.

Basislabor

  • BSG, CRP, kleines Blutbild (Polymyalgie, rheumatoide Arthritis)
  • Kreatinkinase (z.B. Muskelerkrankungen)
  • Kalzium (z.B. Hyperkalzämie)
  • basales TSH (z.B. Hypothyreose)
  • Vitamin D (Mangel)

Inzwischen kennt man zahlreiche Faktoren, die das Auftreten einer Fibromyalgie begünstigen. Dazu zählen z.B. der eben genannte Vitamin-D-Mangel, rheumatische Erkrankungen, Rauchen, Übergewicht und mangelnde Bewegung. Weiterhin können körperliche Misshandlung und sexueller Missbrauch in Kindheit und Erwachsenenalter einem FMS Vorschub leisten, ebenso depressive Störungen. Für symptomatische Borrelien-Infektionen (z.B. Erythema chronicum migrans) ließ sich dagegen kein Zusammenhang zu einer FMS-Manifestation nachweisen, ebenso wenig für andere Infektionen und Impfungen. Für Autounfälle fand sich eine schwache Assoziation, für strukturelle Muskelschäden, Brust­implantate und Hormonstörungen (weibliche Sex­ualhormone, Schilddrüse, Renin-Angio­tensin-Aldosteron-System) keine.

Schon bei erster Konsultation den PHQ-4 auspacken

Nach wie vor herrscht Unklarheit über die Ätiologie des FMS, eine mögliche Ursache ist die Kleinfaser-Pathologie. Der Begriff „small fibers“ umfasst kleine dünn bemarkte A-delta-Fasern und unbemarkte C-Fasern. Bei einem Teil der Fibromyalgie-Patienten zeigte sich in Studien eine verringerte distale intraepidermale Nervenfaserdichte. Allerdings unterschieden sich die Befunde von denen der idiopathischen Small-fiber-Neuropathie. Außerdem verringert sich auch bei anderen chronischen Schmerzsyndromen die Nervenfaserdichte, z.B. bei postherpetischer Neuralgie und M. Parkinson. Die Autoren halten es dennoch für möglich, dass die Kleinfaserpathologie bei FMS-Subgruppen eine Rolle spielt, der genaue Anteil sollte in weiteren Studien geklärt werden.

S3-Leitlinie „Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms“, www.awmf.org

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Neben den chronischen Schmerzen zählen Schlafstörungen und Müdigkeit bzw. Erschöpfung zu den Kernsymptomen. Neben den chronischen Schmerzen zählen Schlafstörungen und Müdigkeit bzw. Erschöpfung zu den Kernsymptomen. © fotolia/pathdoc