Statine im Schwerpunkt – Fahrplan für die Myalgie-Diagnostik
Wie bei (fast) allen Beschwerden steht auch bei der Diagnostik von Myalgien die Anamnese im Vordergrund, schreiben die Autoren der aktuellen S1-Leitlinie unter Federführung des Neurologen Professor Dr. Dieter Heuß vom Universitätsklinikum Erlangen:
- Welche Muskeln bzw. Muskelregionen schmerzen?
- Strahlt der Schmerz aus und wenn ja, wohin?
- Mutet er wie Muskelkater an oder ist er eher brennend, dumpf oder krampfartig?
- Besteht er ständig oder intermittierend?
- Unter welchen Umständen lässt er ggf. nach oder verstärkt sich?
- Treten die Beschwerden in Ruhe, bei Belastung oder kurz danach auf?
- Liegen weitere Symptome vor, etwa eine Muskelschwäche oder Bewegungsstörungen?
„Strichmännchen“-Schemata helfen dem Kranken bei der Angabe der Schmerzlokalisation. Zur Schmerzcharakterisierung und bei Verdacht auf eine emotionale Komponente erweist sich ein dezidierter Fragebogen mit mehreren Unterskalen, z.B. der McGill Pain Questionnaire, als nützlich.
Heliotropes Exanthem deutet auf Dermatomyositis hin
Bei der klinischen Untersuchung geht es u.a. darum, Druckschmerzhaftigkeit durch Palpation des Muskelbauchs zu prüfen und bestimmte Triggerpunkte (myofasziales Schmerzsyndrom) bzw. Tenderpoints (Fibromyalgie) zu identifizieren. Spastik, Rigor oder Dystonien müssen ebenso erfasst werden wie die Hautbeschaffenheit über dem betroffenen Bereich. Rot-bläuliche flächige Verfärbungen (heliotropes Exanthem) sind z.B. ein deutlicher Hinweis auf eine Dermatomyositis.
Die Laboruntersuchungen umfassen zunächst nur einige Basics:
- Differenzialblutbild und allgemeine Entzündungsmarker (Blutsenkung, CRP) → Entzündung? Autoimmunerkrankung?
- Konzentration der Kreatinkinase (CK) und ggf. des Myoglobins → Muskelzellschäden?
- Leberwerte, Elektrolyte → Stoffwechselstörungen?
Hohe Kreatinkinase auch bei Gesunden
Biopsie nur bei hochgradigem Myopathieverdacht
Bei der Bildgebung steht die MRT an erster Stelle, aber auch hier gilt: Nur kombiniert mit den weiteren Untersuchungsergebnissen können die Aufnahmen in die richtige Richtung führen. Die Sonographie ist vor allem bei Kleinkindern, die man nicht „in die Röhre schieben“ möchte, hilfreich. Sie ist aber weniger empfindlich als die MRT und hängt sehr von der Erfahrung des Untersuchers ab. Die CT spielt keine wesentliche Rolle. Nur wenn man den hochgradigen Verdacht auf eine Myopathie hat, kommt als letzter diagnostischer Schritt eine Muskelbiopsie infrage, eventuell unter EMG- oder Sonographiekontrolle. Dabei entnimmt man die Probe bei akuten Beschwerden optimalerweise von einem stark betroffenen Muskel. Bei chronischen Symptomen ist dagegen ein weniger schmerzender Muskel zu wählen, sonst besteht die Gefahr, dass der histologische Befund nur ein wenig aussagkräftiges Erkrankungs-Endstadium ergibt. Die möglichen Differenzialdiagnosen umfassen u.a.- erregerassoziierte Myositiden
- immunvermittelte Myopathien, z.B. Dermatomyositis, Polymyositis, antikörperbedingte nekrotisierende Statin-Myopathie
- metabolisch-hereditäre Erkrankungen, z.B. Glykogenosen
- degenerative Myopathien, z.B. Muskeldystrophien vom Typ Duchenne oder Becker
- Myotonien, z. B. Myotonia congenita
- endokrin bedingte Myopathien, z. B. bei Hypothyreose
- Polymyalgia rheumatica
- Fibromyalgie/myofasziales Schmerzsyndrom
- toxisch-medikamentöse Myopathien, z.B. durch Phenytoin, Amiodaron, Statine, einige Betablocker oder Alkohol
- neurogene Myopathien bei Erkrankungen des Nervensystems
Statinmyopathie ist seltener als oft befürchtet
Quelle: S1-Leitlinie Diagnostik und Differenzialdiagnose bei Myalgien, AWMF-Register Nr. 030/051; www.awmf.org