Statine im Schwerpunkt – Fahrplan für die Myalgie-Diagnostik

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Wenn die Muskulatur beständig schmerzt, braucht es eine zielgerichtete Diagnostik. Wenn die Muskulatur beständig schmerzt, braucht es eine zielgerichtete Diagnostik. © adimas – stock.adobe.com

Harmlose Verspannung, Muskelkater oder doch etwas Ernstes? Für Myalgien gibt es zahllose Ursachen, denen man mit einem klaren Diagnostikschema auf die Spur kommen kann.

Wie bei (fast) allen Beschwerden steht auch bei der Dia­gnostik von Myalgien die Anamnese im Vordergrund, schreiben die Autoren der aktuellen S1-Leitlinie unter Federführung des Neurologen Professor Dr. Dieter Heuß vom Universitätsklinikum Erlangen:

  • Welche Muskeln bzw. Muskelregionen schmerzen?
  • Strahlt der Schmerz aus und wenn ja, wohin?
  • Mutet er wie Muskelkater an oder ist er eher brennend, dumpf oder krampfartig?
  • Besteht er ständig oder intermittierend?
  • Unter welchen Umständen lässt er ggf. nach oder verstärkt sich?
  • Treten die Beschwerden in Ruhe, bei Belastung oder kurz danach auf?
  • Liegen weitere Symptome vor, etwa eine Muskelschwäche oder Bewegungsstörungen?

„Strichmännchen“-Schemata helfen dem Kranken bei der Angabe der Schmerzlokalisation. Zur Schmerzcharakterisierung und bei Verdacht auf eine emotionale Komponente erweist sich ein dezidierter Fragebogen mit mehreren Unterskalen, z.B. der McGill Pain Questionnaire, als nützlich.

Heliotropes Exanthem deutet auf Dermatomyositis hin

Bei der klinischen Untersuchung geht es u.a. darum, Druckschmerzhaftigkeit durch Palpation des Muskelbauchs zu prüfen und bestimmte Triggerpunkte (myofasziales Schmerzsyndrom) bzw. Tenderpoints (Fibromyalgie) zu identifizieren. Spastik, Rigor oder Dystonien müssen ebenso erfasst werden wie die Hautbeschaffenheit über dem betroffenen Bereich. Rot-bläuliche flächige Verfärbungen (heliotropes Exanthem) sind z.B. ein deutlicher Hinweis auf eine Dermatomyositis.

Die Laboruntersuchungen umfassen zunächst nur einige Basics:

  • Differenzialblutbild und allgemeine Entzündungsmarker (Blutsenkung, CRP) → Entzündung? Autoimmunerkrankung?
  • Konzentration der Kreatinkinase (CK) und ggf. des Myoglobins → Muskelzellschäden?
  • Leberwerte, Elektrolyte → Stoffwechselstörungen?

Hohe Kreatinkinase auch bei Gesunden

Dem CK-Wert misst die Leitlinie die größte Bedeutung zu. Stark erhöhte Werte kennzeichnen akute Myositiden (bis zum 50-Fachen der Norm) und Muskeldystrophien. Bei Patienten mit Glykogenolysen, v.a. vom Typ V, deuten steigende Konzentrationen auf eine drohende Rhabdomyolyse hin. Man muss aber immer im Hinterkopf haben, dass die Spiegel auch bei Gesunden nach schwerer Muskelarbeit (z. B. Bauarbeiter, Bodybuilder), i.m. Spritzen, elektromyographischen Untersuchungen und Alkoholkonsum ansteigen und teilweise das Zehnfache der Normobergrenze oder noch mehr erreichen. Bevor Sie den Wert messen, sollten die Patienten sich daher für mindestens eine Woche körperlich schonen. Zwischen intramuskulären Injektionen sowie elektromyographischen Untersuchungen und der Blutentnahme empfehlen die Autoren, eine Pause von mindestens zwei Wochen einzulegen.

Spezifische Untersuchungen können folgen, wenn sich der Verdacht auf eine bestimmte Erkrankung ergibt: z.B. Rheumaserologie und Autoantikörper, Schilddrüsenwerte und Parathormon, Nachweis von Bakterien, Viren, Parasiten. Die Liquoranalyse und Gentests stehen eher am Ende der laborchemischen Differenzialdiagnostik, ebenso Tests auf Porphyrien. Ein ischämischer Arbeitsversuch mit Belastung der Muskulatur unter Mangeldurchblutung und regelmäßiger Messung von Ammoniak und Laktat hilft als Screeningtest, wenn ein gestörter Purin- und Kohlenhydratstoffwechsel vermutet wird. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, um eine Diagnose stellen zu können, kommen Apparate zum Zug. Die Elektromyographie liefert Hinweise auf Myotonien, Entzündungen oder degenerative Myo­pathien. Man sollte sie aber nicht überschätzen, raten die Experten, denn spezifische EMG-Befunde für die einzelnen Diagnosen existieren nicht.

Biopsie nur bei hochgradigem Myopathieverdacht

Bei der Bildgebung steht die MRT an erster Stelle, aber auch hier gilt: Nur kombiniert mit den weiteren Untersuchungsergebnissen können die Aufnahmen in die richtige Richtung führen. Die Sonographie ist vor allem bei Kleinkindern, die man nicht „in die Röhre schieben“ möchte, hilfreich. Sie ist aber weniger empfindlich als die MRT und hängt sehr von der Erfahrung des Untersuchers ab. Die CT spielt keine wesentliche Rolle. Nur wenn man den hochgradigen Verdacht auf eine Myopathie hat, kommt als letzter diagnostischer Schritt eine Muskelbiopsie infrage, eventuell unter EMG- oder Sonographiekontrolle. Dabei entnimmt man die Probe bei akuten Beschwerden optimalerweise von einem stark betroffenen Muskel. Bei chronischen Symptomen ist dagegen ein weniger schmerzender Muskel zu wählen, sonst besteht die Gefahr, dass der histologische Befund nur ein wenig aussagkräftiges Erkrankungs-Endstadium ergibt. Die möglichen Differenzialdiagnosen umfassen u.a.
  • erregerassoziierte Myositiden
  • immunvermittelte Myopathien, z.B. Dermatomyositis, Polymyositis, antikörperbedingte nekrotisierende Statin-Myopathie
  • metabolisch-hereditäre Erkrankungen, z.B. Glykogenosen
  • degenerative Myopathien, z.B. Muskeldystrophien vom Typ Duchenne oder Becker
  • Myotonien, z. B. Myotonia congenita
  • endokrin bedingte Myopathien, z. B. bei Hypothyreose
  • Polymyalgia rheumatica
  • Fibromyalgie/myofasziales Schmerzsyndrom
  • toxisch-medikamentöse Myopathien, z.B. durch Phenytoin, Amiodaron, Statine, einige Betablocker oder Alkohol
  • neurogene Myopathien bei Erkrankungen des Nervensystems

Statinmyopathie ist seltener als oft befürchtet

Myalgien treten bei 5–10 % der mit Statinen behandelten Patienten auf. Zumeist gehen sie weder mit einer deutlichen Erhöhung der Kreatinkinase (CK) noch mit Paresen oder einer verminderten Leistungsfähigkeit einher. In solchen Fällen kann die Statintherapie fortgesetzt werden, eventuell mit reduzierter Dosis oder einem anderen Präparat, um die Beschwerden des Patienten bzw. den CK-Anstieg zu vermindern. Eine CK-Erhöhung von mindestens dem Zehnfachen der Norm plus Muskelschmerzen und proximale Muskelschwäche (Statinmyopathie) treten bei 0,1 % der Statinpatienten, Rhabdomyolysen bei 0,01 % auf. Bei den Betroffenen wie auch bei jenen mit intolerablen Symptomen sollte die Therapie mit dem Fettsenker beendet werden. Eine toxische Myositis manifestiert sich in der Regel zu Beginn einer Statinbehandlung, vor allem stammnah und bei zusätzlichen Risikofaktoren. Dazu gehören etwa hohes Alter, Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Niereninsuffizienz, Grapefruitzufuhr, einige Komedikationen (z.B. Fibrate, Amlodipin, Amiodaron, Ciclosporin, Ciprofloxacin) und Alkoholmissbrauch. Eine autoimmunvermittelte statinassoziierte Myopathie ist auch noch nach jahrelanger Statingabe möglich. Sie wird immunsuppressiv bzw. immunmodulierend behandelt.

Quelle: S1-Leitlinie Diagnostik und Differenzialdia­gnose bei Myalgien, AWMF-Register Nr. 030/051; www.awmf.org