Spektrum reicht von harmlos bis lebensgefährlich

Maria Weiß

Divertikel werden häufig im Rahmen einer aus anderen Gründen erfolgten ­Koloskopie entdeckt.
Divertikel werden häufig im Rahmen einer aus anderen Gründen erfolgten ­Koloskopie entdeckt. © Immanuel Albertinen Diakonie/ endoskopiebilder.de

Eine Divertikelkrankheit kann meist konservativ behandelt werden. Je schwerer die Erkrankung ist, desto eher braucht es eine Operation. Die verschiedenen Verlaufsformen teilt man in Typen ein.

Divertikel sind erworbene Ausstülpungen der Mukosa und Submukosa durch muskelschwache Bereiche der Kolonwand. Sie gehören zu den häufigsten benignen gastrointestinalen Erkrankungen. Zumeist sind ältere Menschen zwischen 55 und 85 betroffen, der Anteil jüngerer Menschen scheint zu steigen.

Die Divertikel sind an sich nicht das Problem. 80 % der Betroffenen bleiben ohne Symptome und merken nie etwas davon. Bei 20 % kommt es aber zu einer Divertikelkrankheit bzw. Entzündungen der Divertikel. Eine aktuelle Klassifikation hilft, die verschiedenen Formen auseinanderzuhalten und die Therapie entsprechend zu planen.

Die Pathogenese der Divertikelkrankheit ist multifaktoriell. Es gibt zum einen genetische Risikofaktoren, die etwa 40 % des Einflusses ausmachen. Bis zu 48 Risikogene konnten bereits identifiziert werden. Überlappungen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder dem Reizdarm-Syndrom gibt es nicht.



 

Klassifikation der Divertikelkrankheit*

Typ

Definition

0

asymptomatische Divertikulose (Zufallsbefund, keine Krankheit)

1

akute unkomplizierte Divertikelkrankheit/Divertikulitis

1a

Divertikulitis/Divertikelkrankheit ohne Umgebungsreaktion

1b

Divertikulitis mit phlegmonöser Umgebungsreaktion

2

komplizierte Divertikulitis

2a

Mikroabszess (gedeckte Perforation, kleiner Abszess ≤ 1 cm)

2b

Makroabszess (parakolischer oder mesokolischer Abszess > 1 cm)

2c

freie Perforation

2c1

eitrige Peritonitis

2c2

fäkale Peritonitis

3

chronische Divertikelkrankheit

3a

persistierende/rezidivierende Symptome, die auf eine Divertikelkrankheit bezogen werden (symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit)

3b

rezidivierende Divertikulitis ohne Komplikationen

3c

rezidivierende Divertikulitis mit Komplikationen (Stenose, Fistel, Konglomerat)

4

Divertikelblutung

* nach S3-Leitlinie „Divertikelkrankheit/Divertikulitis“, AWMF-Register Nr. 021-20, www.awmf.org

Adipositas spielt eine Rolle bei der Krankheitsentstehung

Für die übrigen 60 % kommen verschiedene Umweltfaktoren als ­Ursache infrage. Eine ballaststoff­arme Ernährungsweise scheint nicht für die Entstehung von Divertikeln verantwortlich zu sein. Sie spielt aber eine Rolle für die Entwicklung einer Divertikelkrankheit oder Entzündung. Ähnliches gilt für mangelnde körperliche Aktivität und Adipositas. Die wissenschaftliche Datenlage zum Einfluss des Mikrobioms ist zurzeit noch ­begrenzt.

Auch einige Medikamente sind mit einem größeren Risiko für Divertikulose bzw. Divertikulitis assoziiert. Dazu gehören NSAR, Opioide, Kortiko­steroide und die postmenopausale Hormonersatztherapie. ASS und Coxibe haben wohl keinen Einfluss. Die Einnahme von Paracetamol erhöht die Gefahr für Divertikel­blutungen.
Für die Diagnose einer Divertikelkrankheit reicht die klinische Untersuchung nicht aus. Um den Schweregrad einzuschätzen, sind immer Ultraschall oder CT erforderlich. Die Koloskopie sollte vermieden werden. Sie kann aber nach Ausheilung einer Divertikulitis (nach 6–8 Wochen) indiziert sein – z.B. bei protrahiertem Verlauf oder persistierenden Beschwerden. Einziger Biomarker für eine Divertikulitis ist das CRP. Die Höhe des Wertes korreliert mit der Schwere der Erkrankung. Daher sind wiederholte Bestimmungen des Wertes eine wichtige Maßnahme in der ­Diagnostik.

Für die primäre Diagnose und die Therapieplanung ist eine enge Zusammenarbeit von Internisten, Viszeralchirurgen und Gastroenterologen erforderlich. Zu Beginn geht es vor allem um die Frage, ob der Patient ins Krankenhaus muss. Bei gesicherter Diagnose und adäquaten Versorgungsmöglichkeiten können unkomplizierte Formen der Divertikelkrankheit ambulant behandelt werden. Antibiotika sind hierzu i.d.R. nicht nötig. Mesalazin scheint einen signifikanten symptomatischen Effekt gegen Schmerzen zu haben – ist aber für diese Indikation nicht zugelassen und schützt auch nicht vor Rezidiven. Spasmolytika können eingesetzt werden, keinesfalls aber Opiate.

Die komplizierte Divertikulitis (2a/b) sollte man immer stationär behandeln. Für 2a reicht meist noch die konservative Therapie mit i.v.-Antibiose, Elektrolyt- und Flüssigkeitsausgleich. Es sind aber engmaschige Kontrollen erforderlich. Bei schweren Formen und Übergang zu 2b braucht es i.d.R. eine OP.

In schweren Fällen müssen die Patienten unters Messer

Manche Abszesse lassen sich konservativ behandeln, andere müssen drainiert werden. Bei schweren Komplikationen wie Perforation oder Fisteln müssen die Patienten immer unter das Messer. In Einzelfällen kann auch bei Patienten mit milden Formen einer chronisch symptomatischen Divertikulitis eine Sigmaresektion zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen.

Eine besondere Situation ist die Blutung, die häufig durch mechanische Verletzungen der unter Spannung stehenden Blutgefäße am Divertikelhals entsteht. Zuerst sollte man eine Prokto-/Rektoskopie und Gastroskopie und anschließend eine Koloskopie durchführen. Die Blutstillung kann interventionell oder operativ erfolgen. Bei rezidivierenden Blutungen muss unter Umständen im freien Intervall der betroffene Kolonabschnitt reseziert werden.

Quelle: Kruis W, Leifeld L. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 119-131;  DOI: 10.1055/a-1484-1968

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Divertikel werden häufig im Rahmen einer aus anderen Gründen erfolgten ­Koloskopie entdeckt.
Divertikel werden häufig im Rahmen einer aus anderen Gründen erfolgten ­Koloskopie entdeckt. © Immanuel Albertinen Diakonie/ endoskopiebilder.de