Spezielle Patienten brauchen auch eine spezielle Prophylaxe

Dr. Dorothea Ranft

77 % aller Todesfälle durch ­Malaria ­tropica betreffen Kinder unter fünf Jahren. 77 % aller Todesfälle durch ­Malaria ­tropica betreffen Kinder unter fünf Jahren. © Kateryna Kon- stock.adobe.com

Welche Malariaprophylaxe verordne ich einem Kind, welche einer schwangeren Frau, welche meinem Patienten mit Niereninsuffizienz? Und wie bringe ich den Entwicklungshelfer und den Botschaftsmitarbeiter dazu, sich über Monate oder gar Jahre konsequent vor einer Infektion mit den Plasmodien zu schützen?

Kinder und Schwangere haben ein besonders hohes Risiko, schwer an Malaria zu erkranken. Migranten und Auswanderer, die aus Malariagebieten nach Europa gekommen sind und nun ihre Freunde und Verwandten in der Heimat besuchen wollen, wissen oft nicht um das große Risiko, in das sie sich selbst und ihre Familien bringen. Und Menschen, die von Berufs wegen ins Ausland geschickt werden, sind mit Blick auf den Malariaschutz oft erschreckend leichtsinnig. Eine Expertengruppe um Dr. ­Camilla ­Rothe gibt Empfehlungen, wie man diese Menschen über ihr individuelles Infektions- und Erkrankungsrisiko aufklären und ihnen zur adäquaten Malariaprophylaxe verhelfen kann.

Kinder

77 % aller Todesfälle durch ­Malaria ­tropica betreffen Kinder unter fünf Jahren. Daher sollten Familien mit Nachwuchs in diesem Alter generell von Reisen in Malariahochrisikogebiete absehen. Ist der Aufenthalt in einer solchen Region unbedingt erforderlich, müssen auch voll gestillte Säuglinge eine eigene medikamentöse Malariaprophylaxe erhalten, stellen die Mitglieder des Ständigen Ausschusses für Reisemedizin (­StAR) der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit (DTG) mit Sitz in Hamburg klar. Denn die Wirkstoffkonzentration in der Muttermilch einer Frau unter Chemoprophylaxe reicht nicht aus, um Säuglinge zuverlässig vor einer Infektion mit ­Plasmodium ­falciparum zu schützen.

Vonseiten der ­Centers for ­Disease ­Control and ­Prevention (CDC) ist die Chemoprophylaxe mit Atovaquon/Proguanil bereits für Kinder ab 5 kgKG empfohlen. Zugelassen ist die Fixkombination in reduzierter Dosis (62,5 mg/25 mg pro Tablette) allerdings erst ab 11 kgKG. Alternativ steht ­Mefloquin, das nur einmal pro Woche eingenommen wird, zur Verfügung. Wegen der möglichen neuropsychiatrischen Nebenwirkungen sollte man aber zumindest älteren Kindern und Jugendlichen, denen die tägliche Tabletteneinnahme gut möglich ist, bevorzugt Atovaquon/Proguanil verordnen, meinen Dr. ­­Rothe und Mitautoren. ­Doxycyclin darf wegen des Risikos für Zahnreifung und Knochenbildung erst ab acht Jahren eingesetzt werden. Wie bei Erwachsenen auch handelt es sich bei der Verordnung zur Malariaprophylaxe um einen Off-Label-Einsatz des ­Tetracyclins.

Sollten die Kinder vor Ort Fieber bekommen, ist unverzüglich ein Arzt zu konsultieren. Reisen mit Kindern in Gebiete, in denen die nächste Klinik länger als 48 Stunden entfernt liegt, sollte man nach Ansicht der Tropenmediziner generell unterlassen. Sind derartige Trips dennoch geplant, kann man den kleinen Patienten vorsorglich eine Notfallselbstbehandlung mit Atovaquon/Proguanil oder Artemether/Lumefantrin mit auf die Reise geben.

Welche Malariaprophylaxe bei Vorerkrankungen?

  • Niereninsuffizienz: Atovaquon/Proguanil ist kontraindiziert bei Kreatinin-Clearance < 30 ml/min sowie bei Dialyse. ­Mefloquin und ­Doxycyclin sind auch bei dieser Konstellation ohne Dosisanpassung möglich.
  • Lebererkrankung: Atovaquon/Proguanil und Doxycyclin kann man bei leichten bis moderaten Störungen einsetzen, bei normaler Leberfunktion auch Mefloquin. Bei Child-Stadium-C sind sämtliche Medikamente zur Malariaprophylaxe kontraindiziert
  • Herzkrankheiten: Artemether/Lumefantrin ist kontraindiziert bei Arrhythmien, QTc-Verlängerung etc., Mefloquin ist nicht einsetzbar bei Erregungsleitungsstörungen. Einsatz von Atovaquon/Proguanil und Doxycyclin ist uneingeschränkt möglich.
  • Antikoagulation: Unter Proguanil, Doxycyclin und Mefloquin kommt es eventuell zur Wirkverstärkung von Cumarinen (INR-Kontrolle!).
  • Immunsuppression: Doxycyclin und Mefloquin können die Spiegel von Calcineurininhibitoren (Cyclosporin A, Pimecrolimus, Tacrolimus) erhöhen.
  • Reisende mit komplexen Vorerkrankungen gehören in die Hände eines erfahren Tropenmediziners, insbesonder immunsupprimierte Patienten.

Schwangere und Stillende

Malaria in der Schwangerschaft führt unter anderem zu plazentaren Durchblutungsstörungen, was eine konnatale Plasmodienerkrankung beim Kind noch Wochen nach der Geburt zur Folge haben kann. Deswegen raten die Autoren zur Verschiebung der Reise bis nach der Schwangerschaft.

Ist der Aufenthalt im Endemiegebiet unumgänglich, wird ­Mefloquin zur Prophylaxe ab dem 1. Trimenon empfohlen. Aufgrund der guten Erfahrungen bei mehreren Tausend schwangeren Frauen könne man davon ausgehen, dass kein erhöhtes Risiko für eine Fruchtschädigung besteht, schreiben Dr. ­Rothe und Kollegen. Schwangere und Stillende sollten sich zudem konsequent mit Moskitonetzen, hautbedeckender Kleidung und Repellents vor Insektenstichen schützen und sich nach Möglichkeit in mückensicheren Räumen aufhalten. Eine Chemoprophylaxe ist für Schwangere auch in Regionen mit geringem Malaria­risiko indiziert, eine Notfallselbstbehandlung empfehlen die Autoren dann aber nicht.

Migranten und ihre Familien

Gelegentliche Reisen in die alte Heimat bergen für Menschen, die aus Malariagebieten zugewandert sind, und für die begleitende Familie oft ungeahnte Infektionsgefahren. Vielen ist nicht klar, dass sich eine in der Kindheit erworbene Teilimmunität während des Aufenthalts in Europa zurückbildet. Die Betroffenen wissen oft nicht, dass der in Deutschland geborene Nachwuchs über keinen derartigen Schutz verfügt und dass Kinder von Natur aus ein hohes Risiko für schwere Verläufe tragen.

Die Möglichkeit einer Chemoprophylaxe ist diesen Personen häufig unbekannt, was die sorgfältige Beratung umso wichtiger macht. Am besten wird das Thema schon bei hausärztlichen und pädiatrischen Routinebesuchen angesprochen. Dabei sollte man die Patienten auch vor Medikamenten warnen, die in der alten Heimat zwar preiswert zu haben, oft aber von minderer Qualität sind.

Auslandstätige

Wer beruflich als Delegierter, Entsandter oder etwa im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes länger als drei Monate in einem Malariagebiet lebt, hat kumulativ das höchste Risiko für eine Malariainfektion. Gleichzeitig lehnen viele dieser Auslandstätigen und ihre mitgereisten Angehörigen eine Langzeitchemoprophylaxe ab. Die Akzeptanz der erforderlichen Maßnahmen und damit die Risikominimierung lässt sich häufig nur mit sehr individueller Beratung, die sich an der tatsächlichen lokalen Exposition und an der ganz persönlichen Erfahrungswelt dieser Personen orientiert, erreichen.

Für den Fall, dass sich trotz intensiven Aufklärens keine Akzeptanz erreichen lässt, raten die Autoren zu einem abgestufen Vorgehen. Demnach ist Auslandstätigen in Hochrisikogebieten eine Chemoprophylaxe zumindest

  • zu Beginn des Einsatzes,
  • während der Hauptübertragungszeiten,
  • bei Reisen mit eingeschränktem Moskitoschutz,
  • abseits guter medizinischer Versorgung

dringend anzuraten. Die Mitgabe von Medikamenten zur Notfallselbstbehandlung (zusätzlich zur Expositionsprophylaxe!) stellt das absolute Minimum dar, von dem man diese Personen überzeugen sollte.

Quelle: Rothe C et al. Flug u Reisemed 2022; 29: 144-182;  DOI: 10.1055/a-1919-2660

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