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Stiff-Person-Syndrom gibt Hinweis auf eine Krebserkrankung

Zusätzlich zu der schmerzhaften Immobilität klagte der Patient über einen Gewichtsverlust von mehr als 5 kg in den letzten zwei Monaten. Seit einigen Monaten war er zudem subfebril. Auch an Komorbiditäten hatte der Ex-Raucher (40 Pack-Years) einiges zu bieten: Neben einer schweren COPD (GOLD-Stadium 3) wurde bei ihm drei Jahre zuvor Blasenkrebs diagnostiziert, der zuletzt mittels Bacillus-Calmette-Guerin-Erhaltungstherapie behandelt wurde. Der Nikotinabusus bestand bis zum Jahr der Krebsdiagnose (2015).
Bei der Untersuchung fielen Dr. Eveline Daetwyler von der Klinik für Innere Medizin am Kantonsspital Frauenfeld und ihren Kollegen vor allem die ausgeprägte Tonuserhöhung in beiden Beinen mit stark verhärteter Oberschenkelmuskulatur sowie im Bereich von Bauch und Rücken auf. Der Tonus in den Beinen war so hoch, dass sich die Gelenke der Beine nicht passiv bewegen ließen. Im Labor zeigte sich eine normochrome normozytäre Anämie und eine hypoosmolare Hyponatriämie, die auf eine unangemessen hohe Vasopressin-Sekretion hindeuteten. Antikörper gegen ZNS-Bestandteile konnten die Ärzte nicht finden und auch die Untersuchung von Liquor und Wirbelsäule zeigte keine pathologischen Auffälligkeiten, die den erhöhten Muskeltonus hätten erklären können.
Clonazepam und Baclofen brachten Linderung
Das CT lieferte letztendlich den Hinweis auf ein Bronchialkarzinom – ein spikulierter Rundherd im rechten Oberlappen. Außerdem zeigte das Elektromyogramm eine nicht unterdrückbare prolongierte Aktivität im Bereich des M. vastus lateralis, die bereits pathologische Beckenfrakturen verursacht hatte. Aufgrund der Klinik und des Krebsverdachts diagnostizierten die Kollegen ein Stiff-Person-Syndrom (SPS) im Sinne eines paraneoplastischen Syndroms. Diese Form tritt zwar nur bei 2–5 % der Betroffenen auf, dennoch raten die Autoren immer eine zugrunde liegende Tumorerkrankung zu erwägen. Das SPS ist durch eine generalisierte proximal und axial betonte Muskeltonuserhöhung mit schmerzhaften Krämpfen gekennzeichnet. Die Prävalenz wird auf 1–2 Fälle pro Million Einwohner geschätzt. Bei 60–80 % der Patienten mit klassischem SPS lassen sich Glutamatdecarboxylase-Antikörper (anti-GAD-AK) nachweisen. Im Rahmen eines paraneoplastischen Syndroms fehlen sie jedoch oft – stattdessen findet man in diesen Fällen gehäuft Amphiphysin-Antikörper. Typische EMG-Befunde sind eine erhöhte Willküraktivität, generalisierte Spasmen mit kurzer Latenz und myoklonischen Reflexspasmen, die in eine tonisch-desynchronisierte EMG-Aktivität übergehen können.
Differenzialdiagnosen des Stiff-Person-Syndroms
Daetwyler E et al. Swiss Med Forum 2019; 19: 839-841; DOI:10.4414/smf.2019.08415
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