
Symptome nicht mit Delir verwechseln

Rettungssanitäter und Notarzt wurden von der Ehefrau eines 83-Jährigen alarmiert, die ihn kaltschweißig, agitiert und sich ständig erbrechend vorgefunden hatte. Der Patient saß instabil und antwortete inadäquat, berichten der Anästhesist und Intensivmediziner Dr. Martin Dombrowski und die Neuroradiologin Dr. Sarah Panahabadi von der Uniklinik Bonn. Dem Rettungspersonal fielen eine deutliche Miosis beidseits und eine fahle Hautfarbe auf. Der Patient atmete schnell, der Puls war kräftig und rhythmisch. Blutdruckmessung sowie EKG waren wegen der Kaltschweißigkeit zunächst nicht möglich.
Fragen konnte der Patient nur unklar beantworten
Nach Gabe von Volumen und Ondansetron wurde der Patient genauer untersucht, während er weiterhin kleine Mengen erbrach. Er konnte Fragen nach Schwindel oder Kopfschmerzen nur unklar beantworten, aber mit Mühe seinen Namen und sein Geburtsdatum artikulieren. Gesichts-, Arm- und Beinmotorik waren unauffällig; Blutglukose und Körpertemperatur ebenfalls.
Schließlich ließ sich der Blutdruck doch noch messen und lag bei 145/80 mmHg. Im EKG zeigte sich kurzfristig eine Tachykardie von 140−150 Schlägen/min mit schmalen Komplexen, die sich im Verlauf mit Phasen einer normofrequenten Arrhythmie abwechselte. Anamnestisch litt der Patient an einer behandelten Hypertonie; ein hängendes Augenlid sowie Mundwinkel waren bereits bekannt.
Das Rettungspersonal meldete den Patienten in einer nahe gelegenen Universitätsklinik mit neurologischer Abteilung an. Dort wurde das EKG als Vorhofflimmern ohne Ischämie beurteilt, im nativen Schädel-CT ließ sich eine Blutung ausschließen. Allerdings zeigte sich eine auffällige Hyperdensität im Bereich der Arteria basilaris – Korrelat einer Basilarisspitzenthrombose, wie die anschließende Angiografie ergab. Daraufhin erhielt der Patient eine Lysetherapie und eine Thrombektomie. Zwei Tage später war er kognitiv wieder so fit, dass er selbst von dem Ereignis berichten konnte: Er habe sich aus der Ruhe heraus plötzlich elend gefühlt und nichts mehr sehen können, was er aber nicht mehr artikulieren konnte.
Embolie kardialer Genese war ursächlich
Als ursächlich für den Gefäßverschluss wurde eine Embolie kardialer Genese bei neu aufgetretenem Vorhofflimmern gesehen. Die Thrombektomie fand im für eine Basilaristhrombose empfohlenen Zeitfenster von zwölf Stunden statt. Trotz Therapie liegt die Mortalität bei 40–50 %. Klinisch wegweisend ist bei dieser Lokalisation das „Basilarisspitzensyndrom“: Im Vordergrund stehen okuläre Symptome wie eine auffällige Motorik der Augen oder Pupillen, Hypästhesien und Paresen, eine kortikale Blindheit sowie Desorientiertheit und auffälliges Verhalten. Gerade Letzteres wird nicht selten als Delir fehlgedeutet. Eine Miosis darf zudem nicht mit z.B. einer Opioidintoxikation verwechselt werden, dies ließ sich im vorliegenden Fall aber fremdanamnestisch ausschließen.
Quelle: Dombrowski M, Panahabadi S. Notfall + Rettungsmedizin 2023; 26: 54-56; DOI: 10.1007/s10049-022-00987-0; CC BY 4.0
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