Therapie der Gonarthrose: Analgesie nicht übers Knie brechen

Wichtigste Basistherapie der Gonarthrose ist und bleibt die Lebensstiländerung mit Gewichtsabnahme und vermehrter Bewegung einschließlich Krafttraining, sagte Professor Dr. Dr. Jörg Jerosch von der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin am Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss.
Die Umsetzung ist aber beim „typischen“ Gonarthrose-Patienten nicht immer einfach: Er ist meist schon älter, weist mindestens eine Komorbidität auf, nimmt bereits mehrere Medikamente und hat neben der Knieproblematik auch noch andere muskuloskelettale Beschwerden. Da eine kausale Therapie nicht in Sicht ist, bleibt in vielen Fällen nur die symptomatische Therapie der Schmerzen.
Nach den neuen Leitlinien sollte aufgrund der besseren gastrointestinalen Verträglichkeit an erster Stelle ein Versuch mit topischen NSAR gemacht werden. Dies gelte insbesondere bei über 75-Jährigen.
Erweisen sich Salben und Pflaster als nicht ausreichend wirksam, werden orale NSAR empfohlen. Dabei sollte immer nur intermittierend über zwei bis drei Wochen während akuter Schmerz- und Entzündungsperioden behandelt werden. Eine Dauertherapie, wie man sie im Alltag bei Arthrose-Patienten häufig sieht, ist nicht indiziert, betonte der Orthopäde.
Bei Senioren regelmäßig Blutdruck und Niere checken
Die Verordnung von NSAR ist eine komplexe Geschichte und verlangt insbesondere internistisch nicht so gut bewanderten Orthopäden einiges ab, meinte Prof. Jerosch. Bei jedem Patienten muss sowohl das gastrointestinale als auch das kardiovaskuläre Risiko abgeschätzt werden.
Bei erhöhtem gastrointestinalem Risiko wird die Kombination von NSAR mit Protonenpumpenhemmern (PPI) empfohlen. Hatte der Patient schon ein blutendes Ulkus in der Vorgeschichte, sollte wenn überhaupt mit einem COX-2-Hemmer plus PPI-Schutz therapiert werden. Auch bei der PPI-Verordnung gilt es aufzupassen – nicht alle sind für die Prophylaxe zugelassen.
Auch das Alter spielt eine Rolle: Ist der Patient – wie oft bei Arthrose – schon über 60, sollte auf eine kurze Halbwertszeit der NSAR und Magenschutz geachtet und Gastrointestinaltrakt, Blutdruck und Nierenfunktion während der Therapie regelmäßig überprüft werden. Ggf. muss eine altersadaptiert Reduktion der Tagesdosis erfolgen.
Auch bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren wie Diabetes, Rauchen, Hypertonie oder Hyperlipidämie ist Vorsicht geboten und die Indikation sollte besonders streng gestellt werden. Das geringste kardiovaskuläre Risiko hat das in Deutschland noch relativ ungebräuchliche Naproxen – allerdings leider auch das höchste gastrointestinale Risiko. Zusätzlich müssen für alle Präparate natürlich noch die jeweiligen Kontraindikationen wie z.B. eine Niereninsuffizienz beachtet werden.
Zu Paracetamol als mögliche Alternative gibt es in der neuen Leitlinie ein klares Statement: Es sollte bei Gonarthrose nicht mehr angewandt werden. Grund ist die kaum vorhandene Wirksamkeit bei gleichzeitiger Gefahr von Leberschäden bei Überdosierung. Und auch das Umschwenken auf Metamizol ist in der Regel keine Lösung. Das Analgetikum ist nur zur postoperativen Schmerzbekämpfung zugelassen – oder wenn andere Medikamente nicht greifen.
Was kann man tun, wenn orale NSAR nicht ausreichend wirken, das Nebenwirkungsrisiko zu groß erscheint oder Kontraindikationen bestehen? In diesen Fällen kann laut Leitlinie die Gabe von oralem Glucosamin in Erwägung gezogen werden – obwohl die Evidenz hier relativ schwach ist. Wenn, dann ist eine dauerhafte Therapie erforderlich – positive Effekte machen sich erst nach drei Monaten bemerkbar.
Liegt ein Erguss vor, bringt Hyaluronsäure nichts
Als weitere Optionen in dieser Situation werden intraartikuläre Injektionen von Hyaluronsäure oder Kortikosteroiden genannt. Intraartikuläres Kortison ist vor allem zur akuten Symptomlinderung geeignet, wenn das Gelenk „kocht“ – also ein entzündlicher Erguss vorliegt, erläuterte der Experte.
In dieser Situation bringt Hyaluronsäure nichts, die Wirkung würde durch den Erguss verpuffen. Der mögliche positive Effekt der Hyaluronsäure setzt erst nach 3–4 Wochen ein – hält dann aber oft für 6–12 Monate an. Eine Kombination beider Medikamente ist zwar nicht verboten – Prof. Jerosch würde sie aber eher nacheinander und zumindest in zwei Spritzen anwenden.
Für einen allerletzten medikamentösen Versuch vor der Endoprothese bleiben dann noch die Opioide. Sie sollten grundsätzlich nur kurzzeitig und in der niedrigst möglichen Dosis angewandt werden – z.B. zur Überbrückung bis zum Gelenkersatz.
* Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie
Quelle: Kongressbericht
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