Therapie der Neurodermitis auch während Schwangerschaft und Stillzeit möglich

Dr. Susanne Gallus

Steroide der Klasse II und III sind bis zu einer gewissen Dosis pro Monat möglich. Steroide der Klasse II und III sind bis zu einer gewissen Dosis pro Monat möglich. © iStock/comzeal

Gravidität und Stillen limitieren die Therapie des atopischen Ekzems. Exazerbationen aushalten muss deswegen aber keine (werdende) Mutter. Außerdem gefährdet eine unbehandelte Neurodermitis über Komplikationen und Stress das Ungeborene.

Zu einem Aufflammen der atopischen Dermatitis kommt es insbesondere im zweiten und dritten Trimenon, auch wenn die Frauen lange beschwerdefrei waren. Unbehandelt drohen Mutter und Kind Komplikationen wie ein Ekzema herpeticatum oder eine Infektion mit Staph. aureus. Außerdem erhöht sich das Risiko für das ungeborene Kind, später selbst an einer AD zu erkranken. Die European Task Force on Atopic Dermatitis (ETFAD) unter der Federführung von Dr. Christian Vestergaard vom Department of Dermatology am Aarhus University Hospital gibt eine Hilfestellung, wie Patientinnen mit AD am besten behandelt werden können. 

Der atopische Ausbruch in der Schwangerschaft

Die Hälfte der Schwangeren, die mit Hautausschlägen in die Praxis kommt, leidet an einer Atopic Eruption of Pregnancy (AEP). Etwa 80 % von ihnen hatten (nur) eine kindliche Neurodermitis. Daher sehen Forscher die AEP als eigenständiges Krankheitsbild an. Die Beschwerden beginnen meistens im ersten Trimester und unterscheiden sich von der atopischen Dermatitis dadurch, dass oft Lichenifizierung und das gehäufte Vorkommen an den Beugeseiten fehlen. Die Therapie bei Schwangeren unterscheidet sich zwischen AEP und atopischer Dermatitis aber nicht.

Für die tägliche Basispflege empfehlen sich vor allem Emollienzien mit hohem Lipidgehalt und geringem Anteil an für die Patientin nachteiligen Stoffen. Laut der Experten eignen sich alle mit „plus“ bezeichneten (auch paraffinhaltigen) Produkte. Der Effekt lässt sich durch eine Nasswickel-Technik steigern. Reicht die Basistherapie nicht aus, können Sie topische Kortikosteroide (TCS) verordnen. Je nach Schwere und Rezidivhäufigkeit erfolgt die Applikation reaktiv oder proaktiv.

Brustwarzenregion vor dem Stillen gut reinigen

Stillende Mütter sollten die Cremes in der Brustwarzenregion direkt nach dem Füttern auftragen und den Bereich vor dem nächsten Anlegen sorgfältig reinigen. So hat der Wirkstoff genug Zeit, einzuziehen. Bevorzugt werden generell die TCS-Diester der 4. Generation, z.B. Prednicarbat, Hydrocortisonaceponat/-butyrat/-buteprat und Methylprednisolon­aceponat. Klasse-I-Steroide genügen meist nicht. Klasse-II- und III-TCS sind je nach Bedarf bis zu einer Dosis von 200 g/Monat möglich, Klasse-IV-Steriode bleiben der Notfalltherapie und der Anwendung auf kleinen chronisch lichenifizierten Arealen vorbehalten.

Für ein Kind braucht es zwei

Bei Paaren mit Kinderwunsch muss auch ein Mann mit atopischer Dermatitis die Therapie mit Methotrexat und Mycophenolat-Mofetil vorsichtshalber pausieren bzw. mit Azathioprin oder Cyclosporin A ersetzen – zumindest bis zur Schwangerschaft. Wird vorher bzw. unabsichtlich ein Kind gezeugt, besteht dennoch keine Abort-Indikation, da die männliche Teratogenität nicht eindeutig bewiesen ist. Für Dupilumab fehlen Studien bislang.

Empfehlungen aus Studien nach Organtransplantation

Calcineurininhibitoren scheinen sicher zu sein, fallen aber unter den Off-Label-Use. Es stehen keine Studiendaten bei atopischer Dermatitis zur Verfügung, allerdings findet Tacrolimus oral im Rahmen von Organtransplantationen bei Schwangeren Verwendung. Hinzu kommt, dass die systemische Aufnahme von topischem Tacrolimus sowie Pimecrolimus sehr niedrig ausfällt. Für Letzteres fehlen aber jegliche Studiendaten zu Schwangeren. Die Experten empfehlen Calcineurininhibitoren – vorzugsweise Tacrolimus – Schwangeren und Stillenden vor allem für Gesicht, Intertrigines und andere Bereiche mit hohem Striae-Risiko durch hoch dosierte TCS. Lässt sich keine ausreichende Besserung erreichen bzw. läge man bei der Steroiddosis über 200 g/Monat, kann ergänzend eine UV-Therapie verordnet werden. Auch hier fehlen Studien zu Schwangeren. Jedoch nehmen diese auch keinen Schaden, wenn sie sich natürlichem UV-Licht aussetzen, rechtfertigen die Experten ihre Empfehlung. Sie gehen davon aus, dass Schmalband-UVB- oder UVA-1-Strahlen keine Probleme verursachen. Von Psoralen lässt man aber aufgrund der potenziell mutagenen Wirkung besser die Finger. Wichtig: Die UVB-Exposition senkt den Folsäurespiegel, den man eventuell ausgleichen muss. Außerdem kann die Phototherapie die Entstehung von Melasmen fördern. Der topischen Behandlung eine antiseptische Komponente hinzuzufügen, macht dann Sinn, wenn das Risiko einer Staph.-aureus-Infektion besteht oder Hautareale bereits infiziert sind, schreiben die Autoren. Infrage kommen die üblichen Substanzen wie Chlorhexidin oder Octenidin, nur nicht Triclosan, das hormonelle Wirkungen entfaltet­. Bleibt der Erfolg aus, kann auf eine topische Antibiotikatherapie eskaliert werden, z.B. Fusidinsäure bei lokalen Infektionen oder Mupirocin bei einer MSRA- Besiedlung der Nasenhöhle. Eine systemische Therapie steht erst zur Debatte, wenn topische und UV-Therapie versagt haben. Generell sollte man bedenken, dass Immunsuppressiva auch beim Ungeborenen die Abwehr hemmen können.

Systemtherapeutika nur in wirklich hartnäckigen Fällen

Systemische Steroide bieten ein schlechtes Risiko-Nutzen-Profil. Bei der werdenden Mutter steigt die Gefahr für Gestationsdiabetes, Präeklampsie und Frühgeburt, beim Kind für niedriges Geburtsgewicht und gastrointestinalen Reflux. Lassen sich die Substanzen gar nicht vermeiden, beispielsweise im Rahmen der Stoßtherapie eines akuten Schubs, nimmt man am besten Prednisolon (höchstens 0,5 mg/kg/d) und steigt nach zwei bis drei Wochen wieder aus. Brauchen die Frauen eine längerfris­tige Kontrolle, raten die Autoren zu Ciclosporin A (off label). Die letzte Eskalationsstufe bleibt Patientinnen vorbehalten, die aufgrund einer schweren atopischen Dermatitis Methotrexat oder Mycophenolat-Mofetil nehmen. Beide Medikamente sind nicht nur in der Gravidität, sondern schon während der Familienplanung strikt kontraindiziert und müssen drei bzw. sechs Monate vor der Konzeption abgesetzt werden.

Komplikationen
Symptom
Diagnose
Therapie
gelbliche Verkrustungen durch nässende Hautarealesekundäre Staph.-aureus-InfektionTopische Antiseptika oder Fusidinsäure ggf. kombinierte Präparate für kleinere Areale.
Falls mehr als 2 % der Haut betroffen sind: systemische Therapie mit Antibiotika, z.B. orale Cephalosporine der ersten Generation
verstreuter monomorpher Ausschlag mit Bläschen, Fieber, Unwohlsein, LymphadenopathieEkzema herpeticatumUnmittelbare systemische antivirale Chemotherapie mit Aciclovir (i.v.)
„head-and-neck-pattern“, manchmal leicht bräunliche VerfärbungenMalassezia-furfur-InfektionTopisches Ketoconazol (2 %iges Shampoo) oder Ciclopirox Olamine, beides als freiverkäufliche Produkte erhältlich

Azathioprin als letzte Option für Frauen mit schwerer atopischer Dermatitis

Die Off-Label-Ersatztherapie mit Azathioprin bietet Patientinnen die Möglichkeit, bei Kinderwunsch nicht auf eine Behandlung verzichten zu müssen. Allerdings empfehlen die Experten, die Dosis zu halbieren. Über die Therapie mit Dupilumab liegen noch keine ausreichenden Daten vor. Deshalb plädieren die Kollegen dafür, bis auf Weiteres von einer Verwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit abzusehen. Begleitet eine Urtikaria die atopische Dermatitis, können Sie den Patientinnen Antihistaminika verschreiben. Am besten eignet sich Loratadin, weil dafür die meiste klinische Erfahrung vorliegt. 

Quelle: Vestergaard C et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2019; 33: 1644-1659; DOI: 10.1111/jdv.15709

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Steroide der Klasse II und III sind bis zu einer gewissen Dosis pro Monat möglich. Steroide der Klasse II und III sind bis zu einer gewissen Dosis pro Monat möglich. © iStock/comzeal