Tückisches Metall: Lithium nephrotoxisch?

Dr. Carola Gessner; Foto: thinkstock, Jupiterimages

Lithium wird bei vielen Psychiatrischen Indikationen effektiv angewandt - ist aber hoch giftig. Die therapeutische Breite ist extrem gering und Hinweise auf Nephrotoxizität mehren sich.

Die Therapie psych­iatrischer Erkrankungen mit Lithium gilt im Großen und Ganzen als sicher. Dennoch sollten betreuende Kollegen die Fallstricke im Detail kennen, um gefährliche Spiegelentgleisungen zu vermeiden. Was weiß man inzwischen über potenzielle Nierenschäden unter Lithium-Langzeiteinnahme?

Prophylaxe und Therapie affektiver Störungen, Behandlung manischer Phasen und bipolarer Depressionen: Bei diesen Haupteinsatzgebieten von Lithium bedarf es in der Regel jahrelanger ununterbrochener Therapie. Die Verordnungszahlen lithiumhaltiger Arzneimittel in Deutschland erreichen Millionenhöhe: Im Jahr 2013 verschrieben Ärzte mehrere Millionen definierter Tagesdosen, heißt es in einer Publikation1 von BfArM* und PEI**.

Therapeutische Breite extrem gering

Wegen der geringen therapeutischen Breite muss der Serumspiegel (Zielbereich 0,6–1,0 mmol/l) durch individuelle Dosierung genau eingestellt und gut überwacht werden. Bereits leichte Abweichungen können Nebenwirkungen hervorrufen, die u.U. zum Therapieabbruch führen. Eher zu Behandlungsbeginn treten Muskelschwäche oder leichte Übelkeit oder Bauchbeschwerden auf (zu je ca. 10 %).

Im Laufe der Therapie nimmt fast jeder Dritte an Gewicht zu, 30 % leiden unter Polydipsie und Polyurie. In über 50 % der Fälle sinkt die Konzentrationsleistung der Niere und bei jedem Fünften (20 %) stellt sich ein Tremor ein. Euthyreote Struma und Hypothyreose kommen jeweils bei 5 % der Patienten vor, Durchfall bei 10 %.

Die Ausprägung von Intoxikationserscheinungen wird in drei Stufen eingeteilt:

  • leicht toxisch (Lithiumwert 1,5–2,0 mmol/l): Lethargie, Schläfrigkeit, Muskelschwäche, grobschlägiger Tremor, Übelkeit/Erbrechen, Diarrhö
  • toxisch (2,0–2,5 mmol/l): Verwirrtheit, Dysarthrie, Nystagmus, Ataxie, Myoklonien, EKG-Veränderungen (flaches/negatives T)
  • hochtoxisch (ab 2,5 mmol/l): Bewusstseinsstörung, Hyperreflexie, Krampfanfälle, Synkopen, Niereninsuffizienz, Koma, Tod


Als wichtigen Aspekt heben die Experten vom BfArM und PEI die aktuellen Hinweise auf ein möglicherweise erhöhtes Nierentumorrisiko unter Lithium-Langzeitgabe hervor. Um das nephrotoxische Potenzial des Alkalimetalls weiß man bereits seit den 1970er Jahren. Die Fachinformationen führen aktuell neben nephrotischem Syndrom und nephrogenem Diabetes insipidus auch morphologische Veränderungen auf.

Nephrotoxizität bestätigt sich: vermehrt Neoplasien

Bei 62 % der Patienten kann man unter Langzeitgabe von Lithium die Bildung von renalen Mikrozysten feststellen. Publikationen der letzten Jahre weisen auf eine erhöhte Inzidenz von Nierentumoren (Karzinome, Onkozytome, Zysten) unter Langzeitanwendung (> 20 Jahre) hin. Eine Arbeitsgruppe berichtete 2014, dass von 170 Patienten, die über mehr als 16 Jahre mit Lithium behandelt worden waren, 14 renale Tumoren entwickelten.

Das europäische Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) hat nun die Hersteller beauftragt, nach weiteren Hinweisen für dieses Risiko zu suchen, sodass Fach- und Gebrauchsinformationen ggf. angepasst werden können.

Arzneimittelinteraktion beachten: NSAR und Diuretika

Unbedingt gilt es auch, das Schädigungspotenzial durch Multimedikation zu beachten: So heben z.B. ACE-Hemmer, NSAR und Diuretika den Lithiumspiegel durch Interaktionen nicht nur akut an (Intoxikationsgefahr!). Auch dauerhaft resultieren eventuell erhöhte Serumwerte, die Diabetes insipidus, Mikrozysten und Schilddrüsenprobleme begüns­tigen.

*Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
** Paul Ehrlich-Institut

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