Tumorkachexie: Gewichtsverlust sowie Muskelschwund bei Krebspatienten aufhalten

Maria Weiß

Ein intensives Kraft- training sorgt für einen gesteigerten Muskelanabolismus und mehr Kraft. Ein intensives Kraft- training sorgt für einen gesteigerten Muskelanabolismus und mehr Kraft. © iStock/CreVis2

Die Tumorkachexie als Komplikation von Krebserkrankungen reduziert nicht nur die Lebensqualität, sie vermindert auch das Ansprechen auf die Tumortherapie und geht mit einer reduzierten Lebenserwartung einher. Mit multimodalen Konzepten versucht man, dem Verlust von Körpergewicht und Muskelmasse entgegenzuwirken.

Fast die Hälfte der Krebspatienten sind von einer Kachexie betroffen. Bei den Patienten im Krankenhaus oder in fortgeschrittenen Krebsstadien sind es sogar bis zu 80 %, erklärte der Sportwissenschaftler Timo Niels vom Centrum für Integrierte Onkologie am Universitätsklinikum Köln. Man geht davon aus, dass die Tumorkachexie für 20 % der krebsbedingten Todesfälle verantwortlich ist.

Das diagnostische Leitsymptom ist ein progressiver Gewichtsverlust in den vorangegangenen sechs Monaten von:

  • > 5 % des Körpergewichts oder
  • > 2 % des Körpergewichts und BMI unter 20 kg/m2 oder
  • > 2 % des Körpergewichts plus Sarkopenie.

Die Tumorkachexie wird heute als ein multifaktorielles Syndrom mit zahlreichen systemischen und metabolischen Dysfunktionen verstanden, so der Referent.

Mehrere Faktoren tragen hier zum Gewichtsverlust und Abbau der Muskelmasse bei: Neben der reduzierten Nahrungsaufnahme kommt es durch die Freisetzung entzündlicher Zytokine wie IL-6 zu einer chronischen Inflammation und es wird vermehrt weißes in braunes Fettgewebe umgewandelt, was den Grundumsatz erhöht. Der Verlust von Muskelmasse wird durch eine vermehrte Proteindegradation und Hemmung der Proteinbiosynthese verstärkt­, erklärte Niels. Der Appetit ist oft stark reduziert, was unter anderem auch durch entzündliche Veränderungen im Hypothalamus bedingt sein kann.

Training ist Krebskranken zuzumuten

Dies lässt vermuten, dass multimodale Konzepte mit Ernährung, anti-entzündlicher Medikation und Bewegungstherapie wahrscheinlich die besten Erfolgschancen haben, erläuterte der Sportwissenschaftler. Ein moderates Ausdauertraining kann nicht nur die kardiovaskuläre Fitness erhöhen, sondern weist eine antientzündliche Aktivität mit Rückgang proinflamma­torischer Zytokine auf. Mit einem intensiven Krafttraining lassen sich Muskel­anabolismus und Muskelkraft steigern. Und dadurch wird dem Katabolismus entgegengewirkt, betonte der Experte.

Kann man aber Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung solch ein Training überhaupt zumuten? In ersten Studien konnte gezeigt werden, dass Ausdauer- und Krafttraining auch bei diesen Patienten machbar sind und eingebettet in multimodale Konzepte zumindest tendenziell zum Gewichtserhalt beitragen können, sagte der Sportwissenschaftler. Insgesamt reiche die Evidenz aber bisher nicht aus.

Mit der internationalen Phase-III-Studie ­MENAC** soll die Datenlage zur multimodalen Kach­exiebehandlung jetzt verbessert werden, erklärte Dr. David Blum von der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Geprüft wird in der randomisierten kontrollierten Studie eine multimodale Kombination aus

  • körperlichem Training,
  • Ernährung (EPA-angereicherte Trinknahrung) und
  • entzündungshemmender Medikation (NSAR)

im Vergleich zur Standardtherapie. Laut Planung sollen 240 Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom oder Pankreaskarzinom – jeweils im Stadium III oder IV – bei Beginn der Chemotherapie eingeschlossen werden.

Vor der eigentlichen Studie wurde die Machbarkeit in der sechswöchigen PreMenac-Studie mit 46 Patienten getestet. Primäre Endpunkte waren hier die Durchführbarkeit unter anderem bezüglich Rekrutierung und Compliance. Zu den sekundä­ren Endpunkten zählten Gewicht, Muskelmasse, körperliche Aktivität und Überleben.

Nach erfolgreicher Probe ist die Phase-III-Studie angelaufen

Mit einigen kleinen Änderungen ist jetzt die MENAC-Studie an den Start gegangen. Celecoxib wurde hier durch Ibuprofen ersetzt. Der Grund: Der selektive COX2-Hemmer ist in Kanada – einem der Studienorte – nicht zugelassen. Zudem wurde das Aktivierungsprogramm noch erweitert und die Trinknahrung verbessert. Die Rekrutierung läuft zurzeit in England, der Schweiz, Norwegen und Kanada. 104 von geplanten 240 Patienten wurden bereits eingeschlossen.

Trinknahrung wird noch nicht ausreichend angenommen

Die geforderte Compliance von über 50 % wurde sowohl bei der Celecoxib-Einnahme als auch beim körperlichen Training erreicht (75 bzw. 60 %). Lediglich bei der Trink­nahrung war die Compliance mit 48 % suboptimal. Dies war vor allem auf den schlechten Geschmack zurückzuführen, informierte der Referent. Auch ein erster Erfolg der Therapie zeichnet sich ab: Im Behandlungsarm nahmen die Patienten im Mittel 1,29 % zu, im Kontrollarm verloren die Teilnehmer dagegen 3,19 % ihres Gewichts.

Quellen:
AGSMO* Jahreskongress 2019
Plenarsitzung 1 „Körperliche Aktivität, Ernährung und Stoffwechsel: gemeinsam sind wir stark“

*Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie
**Multimodal Intervention (Exercise/Nutrition/Anti-inflammatory Medication) for Cachexia

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Ein intensives Kraft- training sorgt für einen gesteigerten Muskelanabolismus und mehr Kraft. Ein intensives Kraft- training sorgt für einen gesteigerten Muskelanabolismus und mehr Kraft. © iStock/CreVis2