Über Checkpoint-Inhibition interdisziplinär entscheiden

Friederike Klein

Bei stabiler Tumor­erkrankung kann die CPI-Therapie nach zwei bis vier Wochen begonnen werden. Bei stabiler Tumor­erkrankung kann die CPI-Therapie nach zwei bis vier Wochen begonnen werden. © vitanovski– stock.adobe.com

Bei Tumorpatienten mit Autoimmunerkrankung gibt vor dem Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren einiges zu bedenken. Das Vorgehen sollte stets mit dem behandelnden Spezialisten abgesprochen werden. In manchen Fällen muss man auf diese Therapie verzichten.

Bis zu 25 % der Patienten mit Lungenkrebs leiden auch unter einer Autoimmunerkrankung (AID).1 Diese kann sich durch die Therapie mit einem Checkpoint-Inhibitor (CPI) drastisch verschlechtern, erläuterte Dr. ­Sylvia Gütz von der Abteilung für Innere Medizin I am St. Elisabeth-Krankenhaus Leipzig. Umgekehrt beeinträchtigt eine immunsuppressive Therapie die Wirksamkeit von CPI. Deshalb müsse über deren Einsatz interdisziplinär auf der Basis einer individuellen Nutzen-Risiko-Analyse und gemeinsam mit dem Patienten entschieden werden, betonte sie. Viel Evidenz gibt es dazu nicht. In großen prospektiven Zulassungsstudien ist diese Patientengruppe nicht vertreten.

Das Risiko für immunassoziierte unerwünschte Effekte (irAE) unter einer CPI-Therapie ist bei Autoimmunerkrankungen erhöht. Weil höhergradige irAE bei CTLA-4-Inhibitoren häufiger auftreten als bei PD1- und PD-L1-Hemmern, sollten sie mit besonderer Vorsicht eingesetzt werden.2 Eine duale Checkpoint-Blockade ist bei Menschen mit AID ganz zu vermeiden, meinte Dr. Gütz.

Einige Lungenkrebspatienten können aber offenbar trotz Autoimmunerkrankung einen Checkpoint-Inhibitor erhalten und von der Therapie profitieren, betonte die Expertin. In einer Fallserie kam es bei Krebspatienten mit AID unter einer PD1- oder PD-L1-Blockade zwar zu mehr irAE als bei denjenigen ohne AID (44,4 % vs. 23,8 %), dafür war aber die Gesamtansprechrate höher (38 % vs. 28 %).3 Eine retrospektive Fallserie kam zu einem ähnlichen Schluss.4 Schwerere irAE und Abbrüche der CPI-Therapie scheinen laut Dr. Gütz bei PD1- und PD-L1-Hemmung mit und ohne Auto­immunerkrankung ähnlich häufig vorzukommen.

In den USA wurden für verschiedene Autoimmunerkrankungen Algorithmen zur Therapie eines Tumorleidens mit Checkpoint-Inhibitoren entwickelt.5 Bei autoimmunen neurologischen und neuromuskulären Erkrankungen wird die CPI-Therapie grundsätzlich nicht empfohlen. 

Infrage kommen ansonsten nur Patienten mit einer gut kontrollierten AID, die keine hohen Dosierungen von Immunsuppressiva benötigen. Letztere sollten vor CPI-Therapie so weit reduziert werden, dass die autoimmune Grunderkrankung gerade noch stabil bleibt. Wird vor Gabe des Checkpoint-Inhibitors eine Prednisondosis von ≥ 10 mg pro Tag eingesetzt, scheint die Effektivität der CPI stark beeinträchtigt zu sein.6

Als günstiger erwies sich eine selektive Immunsuppression. Es wird empfohlen, in einer ersten Rotationsphase alle unselektiven Immunsuppressiva wie Steroide, Mycophenolatmofetil, Azathioprin, Methotrexat, Cyclophosphamid, Cyclosporin A oder Januskinase-Inhibitoren zu beenden. Danach solle die Behandlung der AID nach Möglichkeit auf selektive Immunsuppressiva wie Calcineurin-Inhibitoren, Tacrolimus, Everolimus oder Sirolimus umgestellt werden.

Bei stabiler Tumor­erkrankung kann die CPI-Therapie nach zwei bis vier Wochen begonnen werden, bei raschem Tumorprogress auch gleichzeitig mit der Umstellung der Immunsuppression. In der Erhaltungsphase der onkologischen Therapie wird die selektive Immunsuppression beibehalten.

Zu berücksichtigen ist bei der interdisziplinären Therapieentscheidung gemeinsam mit dem Patienten, dass sich die Autoimmunerkrankung unter der CPI-Therapie dauerhaft verschlechtern kann. Bei Patienten mit zuvor gut kontrollierter rheumatoider Arthritis oder dermatologischer Autoimmunerkrankung (v.a. Vitiligo, Psoriasis) muss in jedem vierten Fall mit einem Schub gerechnet werden.7 Häufig erlauben es die Symptome, die CPI-Therapie fortzuführen. Doch müssen die Patienten lernen, mit den oft anhaltenden Beschwerden ihrer Grund­erkrankung umzugehen, meinte Dr. Gütz. Zur Behandlung können konventionelle Medikamente eingesetzt werden, beispielsweise nicht-steroidale Antirheumatika oder topische Steroide, die keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Checkpoint-Inhibitoren haben.

Quellen:

1.    Haanen J et al. Ann Oncol 2020; 31: 724-744;  DOI: 10.1016/j.annonc.2020.03.285
2.    Passiglia F et al. Transl Lung Cancer Res 2021; 10: 2876-2889;  DOI: 10.21037/tlcr-20-635
3.    Danlos FX et al. Eur J Cancer 2018; 91: 21-29;  DOI: 10.1016/j.ejca.2017.12.008
4.    Cortellini A et al. Oncologist 2019; 24: e327-e337;  DOI: 10.1634/theoncologist.2018-0618
5.    Kennedy LC et al. J Natl Compr Canc Netw 2019; 17: 750-757;  DOI: 10.6004/jnccn.2019.7310
6.    Fucà G et al. ESMO Open 2019; 4: e000457;  DOI: 10.1136/esmoopen-2018-000457
7.    Leonardi GC et al. J Clin Oncol 2018; 36: 1905-1912;  DOI: 10.1200/JCO.2017.77.0305

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Bei stabiler Tumor­erkrankung kann die CPI-Therapie nach zwei bis vier Wochen begonnen werden. Bei stabiler Tumor­erkrankung kann die CPI-Therapie nach zwei bis vier Wochen begonnen werden. © vitanovski– stock.adobe.com