
Übergewicht nachhaltig reduzieren

Grundsätzlich gilt Adipositas ab einem Body-Mass-Index (BMI) über 30 kg/m2 als behandlungsbedürftig, schreiben Dr. Katharina Böttger von der DGD Klinik Frankfurt-Sachsenhausen und Kollegen. Die Deutsche Adipositasgesellschaft sieht jedoch die Indikation zur Therapie bereits bei einem BMI zwischen 25 kg/m2 und 30 kg/m2 als gegeben an, sofern mindestens eines der folgenden Kriterien zutrifft:
- übergewichtsbedingte Gesundheitsstörungen
- abdominelles Fettverteilungsmuster
- Grunderkrankung, die durch Übergewicht verschlimmert wird
- erheblicher psychosozialer Leidensdruck
Die Adipositastherapie ist unterteilt in eine initiale Reduktion des Gewichts und die sich daran anschließende Stabilisierung. Dabei fußt die Strategie auf drei Säulen: Erhöhung des Energieverbrauchs, Reduktion der Energieaufnahme und Lebensstil- bzw. Verhaltensmodifikationen.
Tägliches Energiedefizit sollte bei 500 kcal liegen
Körperliche Aktivität hilft nicht nur beim Abnehmen und Halten des Gewichts, sondern steigert auch das Selbstbewusstsein der Patienten und vermindert Depression und Angst. Durch Ausdauer- und Krafttraining oder eine Kombination aus beidem lässt sich das Körperfett – bei gleichzeitigem Erhalt von Körpereiweiß und Knochendichte – reduzieren. Allerdings sind stark adipöse Patienten (BMI > 35 kg/m2) aufgrund eingeschränkter Beweglichkeit, geringer Fitness und/oder Gelenkbeschwerden oftmals nicht in der Lage, Sport zu treiben, oder haben ein erhöhtes Verletzungsrisiko. In solchen Fällen empfiehlt es sich, zunächst die Aktivität im Alltag zu steigern. Für eine effektive Gewichtsabnahme sollten sich Patienten mindestens 150 Minuten pro Woche so bewegen, dass sie dadurch insgesamt auf einen Energieverbrauch von 1.200–1.800 kcal kommen.
Um Gewicht zu reduzieren, eignen sich Ernährungsformen, die auf ein tägliches Energiedefizit von ca. 500 kcal abzielen. Dabei ist das Verhältnis der Makronährstoffe zueinander für den Abnehmerfolg nicht ausschlaggebend. Vielmehr richtet sich die Wahl der Kostform (z.B. fett- oder kohlenhydratreduzierte Diät) nach individuellen Vorlieben und Praktikabilität. Unter Umständen ist ein zeitlich begrenzter Einsatz von Formuladiäten mit geringer Energiezufuhr (800–1.200 kcal pro Tag) sinnvoll.
Verhaltenstherapie kann die gewünschten Lebensstiländerungen herbeiführen. Wichtige Komponenten sind dabei u.a. die Stärkung der Selbstkontrolle, die soziale Unterstützung sowie Hilfestellung bei der Prophylaxe und Bewältigung von Misserfolgen.
Durch alleinige medikamentöse Therapie werden die Pfunde zwar eher selten purzeln, doch kann sie eine langfristige Gewichtsstabilisierung durchaus erleichtern. Deshalb sollten Medikamente nur als zusätzliche Maßnahme zu diätischen und verhaltenstherapeutischen Ansätzen bei einem BMI > 30 kg/m2 zum Einsatz kommen. In Deutschland sind drei Arzneimittel zugelassen, die sich hinsichtlich ihrer Effektivität leicht unterscheiden. So kann mit Orlistat über mindestens zwölf Monate eine Gewichtsabnahme von 5–6 kg bzw. ca. 3 % erzielt werden. Mit Naltrexon/Bupropion sind 3–5 kg bzw. ca. 4 % möglich, bei Liraglutid sogar 8–9 kg bzw. ca. 5 %. Zudem ist die Zulassung von Semaglutid für den europäischen Markt beantragt. In Studien wurde unter diesem GLP1-Analogon nach 68 Wochen eine mittlere Gewichtsreduktion von bis zu 14,85 % erreicht.
Bei Adipositas vom Grad II (BMI 35–40 kg/m2) oder Adipositas permagna (BMI > 40 kg/m2) existieren nur zwei Therapiestrategien mit wissenschaftlich belegter Evidenz: konservativ multimodal und chirurgisch. Demnach lässt sich in diesen Fällen eine Reduktion von mehr als 10 kg bzw. 10 % des Körpergewichts mit validierten multimodalen Therapieprogrammen nur dann erreichen, wenn diese über mindestens ein halbes Jahr lang fortgesetzt werden. Am effektivsten ist hier eine Gruppentherapie über sechs bis zwölf Monate. Sie kombiniert Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie und startet mit einer acht- bis zwölfwöchigen Formuladiät (very low calorie diet, VLCD). Je nach Art der Durchführung erreicht man damit im Mittel einen Gewichtsverlust von 10–30 kg bzw. 15–26 %.
Führt dieser Ansatz nicht zum Ziel, bleibt nur noch die bariatrische Chirurgie. Ein solcher Eingriff sollte nach Versagen aller konservativen Möglichkeiten insbesondere bei Patienten mit stark ausgeprägter Adipositas oder mit Komorbiditäten erwogen werden. Erlaubt der Gesundheitszustand des Patienten keinen Aufschub oder bestehen von Anfang an keinerlei Erfolgsaussichten auf konservative Weise, kann eine Operation auch Mittel der ersten Wahl sein. Oftmals ist durch chirurgische Intervention ein effektiver und vor allem anhaltender Gewichtsverlust möglich.
Wassergefüllte Ballons wirksamer als gasgefüllte
Eine weitere Option sind intragastrische Magenballons. Derzeit stehen drei Systeme mit unterschiedlicher Füllung (Gas oder Wasser) und Liegedauer (sechs bis zwölf Monate) zur Verfügung. Doch ist der Erfolg dieser Implantate großen Schwankungen unterworfen. Metaanalysen zufolge variiert der mögliche Gewichtsverlust zwischen 5,4–28,5 kg bzw. 7,6–62,3 %. Wassergefüllte Ballonsysteme erwiesen sich dabei gegenüber gasgefüllten als wirksamer. Die Effektivität der intragastrischen Ballonsysteme ist in der Regel höher als die von konservativen Maßnahmen. Einem multimodalen Programm ist diese Methode jedoch nicht signifikant überlegen.
Quelle: Böttger K et al. Hessisches Ärzteblatt 2021; 82: 543-549
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