Umgang mit Durchfällen bei funktionalen neuroendokrinen Neoplasien

DGHO 2023 Lara Sommer

Ein Experte schildert, welche Ursachen Diarrhöen bei hormonsekretierenden Tumoren haben können und warum Ernährungstherapien eine wichtige Rolle spielen. Ein Experte schildert, welche Ursachen Diarrhöen bei hormonsekretierenden Tumoren haben können und warum Ernährungstherapien eine wichtige Rolle spielen. © NINENII – stock.adobe.com

Nicht alle Diarrhöen bei hormonsekretierenden Tumoren sistieren unter Somatostatin-Analoga. Die Differenzialdiagnostik kann sich dann im Einzelfall schwierig gestalten. Ein Experte legte dar, an welche Ursachen Sie denken sollten und warum die Ernährungstherapie bei funktionalen NET überlebenswichtig ist.

Manchmal beeinflusst die Funktionalität neuroendokriner Neoplasien (NET) Lebensqualität und Prognose stärker als die Tumorlast selbst, schilderte Prof. Dr. ­Dominik Maria ­Schulte von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er stellte einen Patienten mit neuroendokrinem Tumor im Ileum (G1) und hepatischen Meta­stasen (G2; Ki67 8 %) vor. Angesichts einer 5-HIAA-Ausscheidung* von 380 mg/d lag bei diesem eindeutig ein Karzinoid-Syndrom vor. Im Rahmen der Therapie entfernten Chirurg:innen unter anderem ein 80 cm langes Teilstück von Jejunum und Ileum. „Der Patient kam initial mit einer drastischen Verschlechterung des Allgemeinzustands zu uns, und das lag nicht an der Operation“, leitete der Referent über. Das Hauptproblem stellte eine starke Diarrhö dar. Dieses Symptom kann bei allen funktionellen NET vorkommen, die etwa 30 % dieser Neoplasien ausmachen. Generell rät Prof. Schulte, zu Beginn und im Zuge des Restagings eine komplette Lokalisations- und Funktionsdiagnostik durchzuführen. „Chromogranin A ist kein Marker für die Funktionalität, sondern mehr oder weniger für die Tumormasse“, erinnerte der Experte.

Treten Durchfälle bei NET auf, müssen Ärzt:innen schrittweise die möglichen Ursachen abklären. Einerseits könnte hier der Überschuss an Serotonin die Diarrhö verursachen. Unter der Behandlung mit Somatostatin-Analoga (SSH) gehen die hormonbedingten Durchfälle andererseits teilweise in eine Steatorrhö über. „Oft sorgt die exokrine Pankreasinsuffizienz dafür, dass die Lebensqualität der Erkrankten nicht besser geworden ist, obwohl Sie den Karzinoid-Tumor behandelt haben“, verdeutlichte der Endokrinologe. Auch ein Kurzdarmsyndrom nach der Resektion kann zu Maldigestion, Malabsorption und verringerter Resorption von Gallensäuren führen. Pellagra, ein schwerer Mangel an Vitamin B3, geht ebenfalls mit Diarrhö einher und kann Folge des erhöhten Tryptophanverbrauchs zur Serotoninsynthese sein.

Pankreasinsuffizienzen rechtzeitig erkennen

Wenn sie eine SSH-Therapie anwenden, sollten Mediziner:innen die fäkale Elastase bestimmen, um eine schwere exokrine Pankreasinsuffizienz rechtzeitig zu diagnostizieren. Die Messungen erfolgen an drei unterschiedlichen Tagen anhand einer möglichst festen Stuhlprobe. Liegt die Erkrankung vor, stellt eine Supplementation von 2.000 IE Lipase pro Gramm Nahrungsfett die wichtigste Maßnahme dar.

Bei einer schweren Pankreasinsuffizienz handelt es sich um einen potenziell lebensbedrohlichen Zustand. Oft weisen Betroffene einen Mangel der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K auf, ebenso von Kalzium, Magnesium, Zink, Thiamin und Folsäure. „Viele, die wegen eines Karzinoid-Syndroms behandelt werden und mit Fatigue zu mir kommen, haben einfach nur eine schwere Mangelernährung und eine Hypovitaminose“, schilderte Prof. Schulte. Er warnte davor, sich auf unauffällige Blutwerte zu verlassen: Ein Vit­amin- oder Elektrolytmangel zeige sich dort in der Regel erst, wenn die körpereigenen Reserven erschöpft sind. Der Experte substituiert die fettlöslichen Vitamine unter SSH-Therapie mittlerweile routinemäßig. „Alle Patient:innen, die einen neuroendokrinen Tumor haben, gehören auf Mangelernährung untersucht“, fasste er zusammen. Die Ernährungsmedizin fehle jedoch bisher in allen Leitlinien. 

Das Karzinoid-Syndrom

Typisch für das Karzinoid-Syndrom sind Diarrhö, Fatigue, abdominale Krämpfe, Appetitverlust und Gesichtsrötungen. Außerdem entwickelt sich eine karzinoide Herzerkrankung, welche oft die Lebenserwartung Betroffener limitiert und kardiologische Betreuung erfordert. Die Symptome beruhen auf einer übermäßigen Freisetzung von Serotonin in die Zirkulation. Diagnostisch bestimmen Ärzt:innen die Konzentration des Metaboliten 5-HIAA im angesäuerten 24-Stunden-Urin. Treten systemische Beschwerden auf, liegen in der Regel bereits Metastasen vor.

Der Erkrankte aus dem Fallbeispiel leidet unter der SSH-Therapie an einer exokrinen und endokrinen Pankreasinsuffizienz, zusätzlich zur Malabsorption aufgrund des verkürzten Darms. Er benötige eine hochkalorische und proteinreiche Ernährung, gerne MCT-Kost. Trotz eines bestehenden Prädiabetes sollte man keinesfalls den Zuckergehalt reduzieren: „Der Patient braucht Ener­gie, um gegen diese Erkrankung anzukämpfen.“ Wenn notwendig, ist Insulin statt eines oralen Antidiabetikums einzusetzen.

Als zusätzliche Medikation erhält der Betroffene Pankreasenzyme in einer Dosis von 2.000 IE/g Nahrungsfett zu jeder fetthaltigen Mahlzeit. „Auch der Cappuccino dazwischen muss mit Lipase behandelt werden“, hob der Referent explizit hervor, ebenso wie andere Snacks. Für die Einnahme gilt das Pizzaprinzip, bei dem sich kleine Essensmengen und entsprechende Dosen abwechseln. Ärzt:innen sollten angesichts des Kurzdarm-Syndroms außerdem empfehlen, viele kleine Mahlzeiten einzunehmen, gründlich zu kauen und Essen sowie Trinken strikt voneinander zu trennen.

* 5-Hydroxyindolessigsäure

Quelle:
Schulte DM. Jahrestagung 2023 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie; Vortrag „Diarrhöe bei Neuroendokrinen Neoplasien verstehen – Diagnose und Therapie“

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