
Differenzialdiagnose bei chronischer Diarrhö

Chronische Durchfallerkrankungen unterteilt man in osmotische und sekretorische Diarrhöen. Letztere unterscheiden sich je nachdem, ob es eine inflammatorische Komponente gibt oder nicht. Auch Medikamente sind gar nicht selten für Diarrhöen verantwortlich, vor allem klassische Zytostatika, aber auch so „harmlose“, teils frei verkäufliche Substanzen wie nichtsteroidale Antiphlogistika.
Seit Checkpoint-Inhibitoren in die Onkologie eingeführt wurden, müssen Sie außerdem an eine Autoimmunenteritis denken. Eine sorgfältige Medikamentenanamnese bringt in diesen Fällen Klarheit, schreiben Dr. Carmen Monasterio von der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Freiburg und Kollegen.
Durchfälle, ein Reizthema
Sekretorische entzündliche Diarrhöen
Als „red flags“ für sekretorische entzündliche Diarrhöen gelten Blut im Stuhl, unbeabsichtigter Gewichtsverlust und/oder Fieber. Hier braucht es eine ausführliche Diagnostik, einschließlich ausführlichen Labors und Endoskopie. Eine der häufigsten Ursachen sind chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie M. Crohn und Colitis ulcerosa, bei denen (blutige) Durchfälle, Gewichtsverlust und Bauchschmerz als Leitsymptome auftreten. Zudem entwickelt etwa jeder zweite CED-Patient Symptome außerhalb des Darms, z.B. an der Haut, den Augen oder den Gelenken. Die Diagnose lässt sich endoskopisch sichern. Bei dem ersten und jedem folgenden Schub muss mittels Stuhlkultur eine bakterielle Superinfektion (Clostridioides difficile) ausgeschlossen werden. Optimalerweise überweist man Patienten bei Verdacht auf eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung an einen erfahrenen Gastroenterologen oder an ein entsprechendes Zentrum. Eine CED-Attacke wird systemisch und lokal mit 5-Aminosalicylaten bzw. Kortikosteroiden behandelt. Wirken Letztere nicht, könnte eine Zytomegalievirus-Infektion hinter den Beschwerden stecken. Ansonsten eignen sich bei steroidrefraktärer CED unter anderem Biologika (TNF-Hemmer oder Interleukin-12/23-Antikörper), JAK-Inhibitoren, Tacrolimus oder Ciclosporin. In der Erhaltungstherapie kommen Thiopurine, Methotrexat oder verschiedene Biologika zum Einsatz – auf Kortikoide wird verzichtet. Lässt sich keine Erhöhung der Entzündungsmarker (Calprotektin und C-reaktives Protein) im Stuhl nachweisen, können wässrige sekretorische Durchfälle auf eine mikroskopische Kolitis hindeuten. Diese manifestiert sich mitunter als lymphozytäre oder kollagene Form und betrifft Frauen i.d.R häufiger als Männer. Bei Patienten mit Gefäßerkrankungen kann auch eine ischämische Kolitis auftreten, egal ob durch okklusive oder nicht-okklusive Minderperfusion. Es folgen Entzündung, Bauchschmerz bzw. blutige Diarrhöen. Eine intestinale Minderperfusion liegt auch der „Runners Diarrhea“ zugrunde. Nicht zu vergessen sind chronische Infektionen, die mitunter auch für lang andauernden Durchfälle sorgen können. Daher sollten die Patienten unbedingt nach kürzlichen Reisen gefragt werden: Parasiten wie Giardia lamblia oder Entamoeben sind unwillkommene Mitbringsel. Aber auch ohne Touristik können Viren und Bakterien für die Symptome verantwortlich sein, etwa bei einer HIV-Kolitis oder selten bei der Darmtuberkulose. Ein Morbus Whipple äußert sich ebenfalls über gastrointestinale Beschwerden.Sekretorische nicht-entzündliche Diarrhöen
Besteht bei Patienten mit bei sekretorischen nicht-entzündlichen Diarrhöen ein onkologischer Verdacht, ist eine Hormondiagnostik selten nötig. Als Ursache kommen eher große villöse Adenome als Präkanzerosen oder manifeste Kolonkarzinome in Betracht, weniger neuroendokrine Tumoren. Chologene Diarrhöen treten auf, wenn die Gallensäure im terminalen Ileum nicht ausreichend resorbiert wird und im Kolon Flüssigkeitssekretion und Motilität anregt. Meist geht diesen Durchfällen eine langstreckige Entzündung oder Resektion des terminalen Ileums voraus – ggf. auch eine Cholezystektomie. Die Vermutung lässt sich über die empirische Behandlung mit einem Gallensäurebinder verifizieren – eine chologene Symptomatik sistiert darunter quasi über Nacht.Osmotische Diarrhöen
Osmotische Diarrhöen lassen sich relativ gut abgrenzen: Sie treten nahrungsabhängig auf, weil bestimmte Bestandteile im Darm nicht aufgenommen werden können. Nachts oder während einer Fastenperiode haben die Patienten keine Beschwerden. Daher hilft ein Ernährungstagebuch bei der Identifikation. Bei Zöliakie finden Sie im Blut IgA- bzw. IgG-Antikörper gegen Transglutaminase und Gliadin, die für die lymphozelluläre Entzündung verantwortlich sind. Diese sorgt bei vielen Patienten zusätzlich für einen Eisenmangel. Goldstandard zur Diagnosesicherung ist die Endoskopie. Etwas anders sieht die Situation bei der nicht-antikörpervermittelten Weizensensitivität bzw. Glutenunverträglichkeit aus. In diesen Fällen scheinen Amylase-Tryptin-Inhibitoren der Auslöser zu sein, die die Toll-like-Rezeptoren triggern. IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien sind bei Erwachsenen verhältnismäßig selten und meist auf Kreuzallergien zurückzuführen, schreiben die Autoren. Störungen der Kohlenhydrataufnahme lassen sich z.B. mit H2-Laktose/Fruktose-Atemtests nachweisen. Eine Kohlenhydratmalabsorption ist allerdings nicht nur auf eine genetisch bedingte reduzierte Laktase-Expression oder einen nicht funktionsfähigen GLUT5-Transporter zurückzuführen. Sie kann auch im Rahmen einer Zottenatrophie oder Dünndarmentzündung auftreten oder durch eine bakterielle Fehlbesiedelung ausgelöst werden – in diesem Fall kommt es durch die beschleunigte Darmpassage häufig zu falsch positiven H2-Atemtests. Im Allgemeinen hilft bei den osmotisch ausgelösten Diarrhöen nur der Verzicht auf das Nahrungsmittel oder zumindest eine Einschränkung, etwa bei Laktasemangel. Bei Fehlbesiedelungen erfolgt eine Antibiotikatherapie. Die exokrine Pankreasinsuffizienz äußert sich mit chronischen Durchfällen, Blähungen und Gewichtsverlust. In der Vorgeschichte finden sich meist rezidivierende Pankreatitiden und im Labor ist die Elastase im Stuhl erniedrigt, die oft genannte Steatorrhö tritt meist erst in späten Stadien auf. Ist die Diagnose über einen Funktionstest (Sekretin-Test) gesichert, erhält der Patient Pankreatin. Da die häufigen Entzündungen auch einen Risikofaktor für ein Pankreaskarzinom darstellen, sollten Sie das ausschließen, ebenso wie eine begleitende endokrine Pankreasinsuffizienz (Diabetes). Die Behandlung erfolgt mit Pankreatin-Präparaten.Quelle: Monasterio C, Hartl C, Hasselblatt P. „Akute und chronische Durchfallerkrankungen: Differenzialdiagnose und Therapie“, Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 1325-1336; DOI: 10.1055/a-0944-8523 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).