
Falsche Bewegung im Darm

Intestinale Motilitätsstörungen können sich im gesamten Darmtrakt manifestieren – vom Duodenum bis zum Rektum. Im Erwachsenenalter zählen dazu im Wesentlichen die folgenden sechs Erkrankungen.
Chronische intestinale Pseudoobstruktion (CIPO)
Die CIPO ist gekennzeichnet durch intermittierende oder anhaltende (Sub-)Ileus-Symptome und dazu passende Befunde in der bildgebenden Diagnostik. Eine Obstruktion besteht nicht. Sämtliche Abschnitte des Gastrointestinaltrakts können befallen sein. Besonders häufig betroffen ist der Dünndarm, heißt es in dem aktuellen Leitlinien-Update, das unter Federführung von DGVS und DGNM* erstellt wurde. Das häufigste Symptom bei Betroffenen ist Überblähung, gefolgt von abdominellen Schmerzen und Übelkeit.
Morbus Hirschsprung
Beim Morbus Hirschsprung fehlen von Geburt an enterische Nervenzellen im Plexus myentericus und submucosus. Die Folge ist ein tonisch-kontrahiertes und damit obstruiertes Darmsegment. In den meisten Fällen ist das Rektum betroffen, doch die Fehlbildung kann auch in anderen Segmenten auftreten.
Akute kolonische Pseudoobstruktion (ACPO)
Bei der ACPO kommt es innerhalb weniger Tage zu einer massiven Dilatation des Kolons – auch hier ohne mechanische Obstruktion. In etwa 95 % der Fälle lässt sich eine Grunderkrankung eruieren. Das Spektrum reicht von Appendizitis, Herpes Zoster und Diabetes bis zum Morbus Parkinson. Auch Medikamente (z.B. Opioide, Laxanzien) lösen mitunter eine ACPO aus.
Idiopathisches Megakolon (IMC)
Das IMC manifestiert sich mit der anhaltenden Dilatation eines Dickdarmsegments, für die sich keine organische Ursache findet. Die Erkrankung kann eine therapierefraktäre Obstipation auslösen, sich aber auch umgekehrt als Endzustand einer jahrelang bestehenden Verstopfung manifestieren.
Slow-Transit-Obstipation
Charakteristisch ist der stark verlangsamte Transport des Darminhalts im Kolon. Ursache können enterische Neuro-, Myo- und Mesenchymopathien sein, aber auch gestörte intestinale Reflexe. Die Folge ist eine verschlechterte propulsive Motilität. Bei der sogenannten Kolonparese fehlt die normale tonische Kolonkontraktion nach hochkalorischen Mahlzeiten völlig.
Beckenbodendyssynergie
Die Beckenbodendyssynergie ist definiert als eingeschränkte oder frustrane Entleerung trotz versuchter Defäkation, ohne dass ein mechanisches Hindernis vorliegt. Der Grund ist eine mangelnde Koordination zwischen intrarektaler Druckerhöhung und Relaxation des Sphinkterapparats. Die Mehrzahl der Fälle beruht auf falschen Toilettengewohnheiten, schmerzhafter Defäkation, obstetrischen Verletzungen, Rückenmarksläsionen oder einer Fehlfunktion der Darm-Hirnachse. Etwa 60 % der Patienten haben zusätzlich eine Obstipation mit verzögertem Transit. Von der Beckenbodendyssynergie zu unterscheiden und wesentlich seltener sind unwillkürliche Spontankontraktionen des Sphinkters (Anismus) bzw. reizgetriggerte Kontraktionen (Beckenbodenspastik).
Die Diagnostik erfolgt in mehreren Stufen
Zu den typischen, aber unspezifischen Symptomen intestinaler Motilitätsstörungen gehören Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerz, Völlegefühl, Blähungen, Diarrhö und/oder Obstipation. Eine schwere Beeinträchtigung des intestinalen Transports kann eine Malabsorption auslösen (z.B. durch bakterielle Überwucherung des Dünndarms). Bei rezidivierendem Erbrechen und chronischer Diarrhö drohen Exsikkose und Elektrolytentgleisungen.
Zur genaueren Abklärung empfehlen die Leitlinienautoren eine Stufendiagnostik. Diese sollte neben Labor- und Bildgebung (Sonographie, Endoskopie, Radiologie) je nach Bedarf Motilitätskontrollen (Transitzeitbestimmung, Manometrie) und histologische Analysen (Biopsie) umfassen. Die Differenzierung vom Reizdarm ist anhand einfacher Kriterien möglich (s. Kasten).
Verwechslungsgefahr gebannt
- Ileus- bzw. Subileus-Episoden (CIPO)
- morphologische Veränderungen (Megakolon, Megarektum)
- stark verzögerter Kolontransit bzw. Beckenbodendyssynergie
- ausgeprägte Veränderungen der Motilitätsmuster (Manometrie) bzw. intestinalen neuromuskulären Strukturen
* Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen, Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität
Quelle: Update S3-Leitlinie „Intestinale Motilitätsstörungen: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie der intestinalen Motilitätsstörung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM)“, AWMF-Register-Nr. 021-018, www.awmf.org
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