Wenn dem Kolon die Galle überläuft

Dr. Elke Ruchalla

Typisch für eine chologene Diarrhö sind wässrige, nicht blutige, übelriechende, explosionsartige Durchfälle in unregelmäßigen Abständen. Typisch für eine chologene Diarrhö sind wässrige, nicht blutige, übelriechende, explosionsartige Durchfälle in unregelmäßigen Abständen. © iStock/Lazy_Bear

Kaum jemand bringt chronische Durchfälle ursächlich mit einem Zuviel an Gallensäuren in Verbindung. Stattdessen hören Betroffene häufig die Diagnose Reizdarm. Ihre Probleme sind damit nicht gelöst.

Die chologene Diarrhö ist ein relativ unbekanntes Krankheitsbild und wird in ihrer Prävalenz deutlich unterschätzt. Studien zufolge steckt beispielsweise hinter einem Drittel aller vermeintlichen Reizdarmsyndrome eigentlich eine Gallensäurenmalabsorption. Aufgrund des hohen Leidensdrucks der Patienten und der erforderlichen lebenslangen Therapie zur Eindämmung der chronischen Beschwerden erscheint eine einmalige sichere Dia­gnosestellung sinnvoll, schreiben Professor Dr. Martin Storr vom Zentrum für Endoskopie in Starnberg und seine Kollegen.

Patienten nach nächtlichem Stuhldrang fragen

Unter dem Begriff chologene Diarrhö werden drei Subtypen zusammengefasst, die alle durch einen stark erhöhten Anteil an Gallensäuren in Kolon bzw. Fäzes gekennzeichnet sind. Sie unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der dahintersteckenden pathophysiologischen Mechanismen (s. Tabelle).

Unterteilung der chologenen Diarrhö
SubtypPotenzielle Ursachen
Typ 1: klassische Gallensäurenmalabsorptionmeist Störung im terminalen Ileum, die die Wiederaufnahme der Gallensäure behindert
  • häufig bei Morbus Crohn (v.a. nach erfolgter Resektion des erkrankten Ileums)
  • seltener nach Bestrahlung des kleinen Beckens (Schädigung der Darmschleimhaut, zusätzlich bakterielle Fehlbesiedlung)
Typ 2: idiopathische chologene Diarrhö

gesteigerte Produktion von Gallensäuren in der Leber

  • gestörte negative Rückkopplung zwischen Enterozyten und Leberzellen (überschüssige Gallensäuren werden von intestinaler Schleimhaut nicht resorbiert)
Typ 3: bei anderen gastrointestinalen Erkrankungen ohne Beeinträchtigung des terminalen Ileums

mögliche Gründe:

  • zu kurze Darm-Transitzeit
  • gestörte zirkadiane Rhythmik
  • verringerter Gallensäure-Pool
bekanntestes Krankheitsbild: Post-Cholezystektomie-Syndrom

Diagnostisch müssen zunächst per Ileokoloskopie ursächlich behandelbare Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden. Dazu zählen beispielsweise chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Allergien und Intoleranzen, bakterielle Ursachen oder Karzinome. Typisch für eine chologene Diarrhö sind wässrige, nicht blutige, übelriechende, explosionsartige Durchfälle in unregelmäßigen Abständen (> 3x/d), die von Flatulenz und Bauchschmerzen begleitet werden. Hinzu kommt – als Abgrenzung zur Diarrhö bei Reizdarmsyndrom – nächtlicher Stuhldrang. Patienten klagen zudem über Fatigue und Schwindel. Die einfachste diagnostische Möglichkeit ist eine probatorische Therapie mit Substanzen, die überschüssige Gallensäuren binden (z.B. Colestyramin). Bessert sich die Durchfallsymptomatik, so darf dies als Nachweis der chologenen Diarrhö gewertet werden. Der umgekehrte Schluss ist allerdings nicht zulässig, denn nur ein Teil der Patienten spricht sofort an, warnen Prof. Storr und Kollegen. Bei uneindeutigem Ergebnis kann eine höhere Dosis oder der Wechsel auf einen anderen Gallensäurebinder Klarheit bringen. Die weitere Abklärung ist im Praxisalltag schwierig. Als Referenzverfahren gilt dank seiner hohen Sensitivität und Spezifität der 75-Selen-Homotauroselcholsäure-Test­ (SeHCAT, s. Kasten). Außerdem kann man die Menge der primären Gallensäuren im 48-Stunden-Stuhl messen, nachdem Patienten über vier Tage eine sehr fetthaltige Diät eingehalten haben. Aufgrund des hohen Aufwands bleiben diese Verfahren aber meist wissenschaftlichen Studien vorbehalten. Ähnliches gilt für die Bestimmung von Gallensäurevorstufen im Serum sowie für den 14C-Glykocholat-Atemtest, der zudem mit Strahlenbelastung einhergeht. Dennoch sollte man sich bemühen, die Erkrankung zu sichern, empfehlen die Experten. Denn nur mit der korrekten Diagnose sei eine spezifische Therapie möglich. Meist werde trotz allem ein SeHCAT veranlasst.

Diagnostischer Goldstandard

Der 75-Selen-Homotauroselcholsäure-Test (SeHCAT) ist ein objektives Diagnoseverfahren, bei dem der Patient mit radioaktivem Selen-75 markierte Tauroselcholsäure einnimmt. Nach sieben Tagen wird die verbliebene Aktivität des Radiopharmakons im Körper szintigraphisch gemessen. Nachteilig an dieser Methode ist zum einen die Strahlenexposition von 0,26 mSv (zum Vergleich: Die jährliche natürlich Hintergrundstrahlung auf Meereshöhe beträgt 0,24 mSv). Zum anderen können in Deutschland nur wenige Zentren den Test überhaupt durchführen.

Zur Behandlung erhalten die Patienten unabhängig vom Typ der Diarrhö Gallensäurebinder, die vor den Mahlzeiten einzunehmen sind. Dazu gehören etwa Colestyramin oder Colesevelam. Letzteres ist für diese Indikation nicht zugelassen, die Behandlung erfolgt also off label. Zu beachten sind Wechselwirkungen mit einer ganzen Reihe von Medikamenten, u.a. Antiko­agulanzien, Digitalis, Östrogene und Thyroxin. Deren Einnahme sollte deshalb sinnvollerweise eine Stunde vor oder vier Stunden nach der von Colestyramin erfolgen. In manchen Fällen hilft die zusätzliche Gabe eines Antidiarrhoikums. Bei starker Steatorrhö raten die Autoren zu einer fettarmen Diät (< 30 g/d, die Hälfte davon mittelkettige Fettsäuren). Eine Ernährungsberatung ist in jedem Fall empfehlenswert. Therapiebedingt können folgende Probleme neu auftreten:
  • Mangel an fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K), da diese ebenso gebunden und somit nicht resorbiert werden → parenterale Substitution
  • verstärkte Resorption von Oxalat und dadurch Nierensteinrisiko → Trinkmenge erhöhen, oxalatarm ernähren, evtl. Kalziumgabe zur Komplexbildung
Eine kausal wirkende medikamentöse Behandlungsoption gibt es aktuell­ noch nicht.

Quelle: Storr M et al. Z Gastroenterol 2021; 59: 580-591; DOI: 10.1055/a-1378-9627

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Typisch für eine chologene Diarrhö sind wässrige, nicht blutige, übelriechende, explosionsartige Durchfälle in unregelmäßigen Abständen. Typisch für eine chologene Diarrhö sind wässrige, nicht blutige, übelriechende, explosionsartige Durchfälle in unregelmäßigen Abständen. © iStock/Lazy_Bear