Ungesunde Spaziergänge: Autoabgase machen positive Effekte der Bewegung zunichte

Dr. Michael Brendler

Ein Marsch durch dreckige Luft kann mehr schaden als nutzen. Ein Marsch durch dreckige Luft kann mehr schaden als nutzen. © iStock/Halfpoint

Bewegung ist gesund, das würde kaum jemand ernsthaft bezweifeln. Laut britischen Medizinern gilt das allerdings nicht für das Umherlaufen durch Abgasschwaden.

Der Hyde Park wird als grüne Lunge der britischen Hauptstadt bezeichnet, eineinhalb Quadratkilometer groß, bedeckt mit Büschen, Bäumen und reichlich englischem Rasen – die Anlage lädt geradezu ein, einmal tief durchzuatmen. Zu Recht, wie nun Dr. Rudy Sinharay vom National Heart and Lung Institute am Londoner Imperial College und seine Kollen erneut zeigen konnten.

Selbst bei Gesunden verbessern fünf Kilometer Fußmarsch durch die Anlagen die Einsekundenkapazität und andere Lungenwerte. Zudem sinkt die Pulswellengeschwindigkeit, was für elastischere Gefäße spricht.

Herz- und Lungenkranken vom Stadtbummel abraten

Ähnliche Effekte erreichen auch Menschen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung oder ischämischem Herzleiden, wenn sie durch den Park spazieren – und die halten bis zu 26 Stunden an. Schickt man dieselben Probanden allerdings durch eine von Londons befahrensten Einkaufsstraßen, die Oxford Street, so konnten die Wissenschaftler zeigen, haben sich diese Effekte im Nullkommanichts verflüchtigt. „Was dafür spricht, dass die Konfrontation mit den Abgasen die bewegungsinduzierten Gesundheitseffekte neutralisieren kann“, schreiben sie.

Auch in anderer Hinsicht scheint gerade COPD-Kranken der Einkaufsbummel inmitten der Emissionen von Bussen und Taxen nicht zu bekommen: Obstruhierte Bronchiolen, Husten, Auswurf, Kurzatmigkeit und Giemen gehörten zu den anschließend vermehrt gezeigten Symptomen. Bei allen drei Gruppen machte der Marsch durch die dreckige Luft nicht nur die verbesserte Arterienfunktion zunichte, die Elastizität der Gefäße war anschließend sogar abgesunken. Als Verursacher all dieser Symptome machen die Wissenschaftler Feinstaub und Stickoxide aus. „Die Daten sind ausreichend überzeugend, um älteren Menschen und Patienten mit chronischen kardialen und pulmonalen Erkrankungen vom Spazieren in verkehrsreichen Stadtgebieten abzuraten“, schreiben die Forscher.

Ähnliches sollte man womöglich auch Schwangeren nahelegen. Denn zumindest deren Nachwuchs, das konnten Sinharays Kollegen um Dr. Rachel Smith von der School of Public Health des Londoner Imperial College zeigen, scheint die schlechte Luft in der britischen Hauptstadt ebenfalls nicht zu bekommen. Die Geburtsdaten von über 540 000 im Londoner Großraum zwischen 2006 und 2010 zur Welt gekommenen Kindern haben sie neu ausgewertet.

Das Fazit: „Die Ergebnisse legen nahe, dass die Luftverschmutzung aus dem Straßenverkehr Geburtsgewicht und -größe negativ beeinflusst.“ Ihren Berechnungen zufolge ist ein niedriges Geburtsgewicht in London in 3 % der Fälle auf Feinstaub in Abgasen zurückzuführen.
Umfassende Maßnahmen in der Politik und anderen Sektoren seien dringend angebracht, um die Luftverschmutzung durch den Straßenverkehr in den Griff zu bekommen. Das fordern Dr. Sarah Stock vom Tommy’s Center für Maternal and Fetal Health und Dr. Tom Clemens vom Institute of Geography and the Lived Environment der Universität Edinburgh in einem begleitenden Editorial.

Quellen:
1. Sinharay R et al. Lancet 2017; online first
2. Smith RB et al. BMJ 2017; 359: j5299
3. Stock SJ, Clemens S. BMJ 2017; 359: j5511

 

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