Update zum Restless-Legs-Syndrom: Wie viel Diagnostik ist nötig? Wann greifen welche Therapieoptionen?

Dr. Dorothea Ranft

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Um ein Restless-Legs-Syndrom zu diagnostizieren, brauchen Sie in der Regel kein Schlaflabor. Und auch die Therapie kann ohne ausgewiesene Experten gelingen. Wesentliche Voraussetzungen dafür: Dem Patienten die richtigen Fragen stellen und seinen Eisenhaushalt im Blick behalten.

Mit einer Prävalenz von 5–6 % ist das Restless-Legs-Syndrom (RLS) relativ häufig. Es kann sich von der frühen Kindheit bis ins hohe Alter manifestieren und betrifft Frauen deutlich häufiger als Männer. Unterschieden wird ein primäres RLS von einer sekundären Form, die z.B. durch Neuropathien, Radikulopathien und Medikamente ausgelöst wird, letzteres vor allem durch das Antidepressivum Mirtazapin.

Die Diagnose lässt sich in der Regel rein klinisch stellen, versicherte Professor Dr. Peter Young, Klinik für Schlafmedizin und Neuromuskuläre Erkrankungen am Universitätsklinikum Münster. Man unterscheidet dabei die folgenden Haupt- und Nebenkriterien:

Hauptkriterien 

  • Bewegungsdrang der Beine bzw. der Gliedmaßen, meist einhergehend mit Missempfindungen im gleichen Areal
  • Die Beschwerden treten nur in Ruhe auf
  • Nachlassen der Symptome unter Bewegung (vorübergehend)
  • Symptome verstärken sich gegen Abend oder treten nur abends bzw. nachts auf

Nebenkriterien des primären RLS

  • Positive Familienanamnese (1. Grad)
  • Ansprechen auf dopaminerge Therapie
  • Periodische Beinbewegungen im Schlaf

Periodische Beinbewegungen im Schlaf (PLMS) sind nur ein Nebenkriterium, sie treten allerdings auch ohne vorhandenes RLS auf, betonte Prof. Young. In diesem Fall besteht die Indikation zur spezifischen, z.B. dopaminergen Therapie, nur dann, wenn gleichzeitg Tagesschläfrigkeit vorliegt.

Neben der klinischen Diagnostik sind einige Zusatzuntersuchungen notwendig (s. Kasten). Eine polysomnographische Absicherung der klinischen RLS-Diagnose wird u.a. bei atypischen Beschwerden, Therapieresistenz oder bei Verdacht auf eine Schlafapnoe gebraucht. 

Zusatzdiagnostik bei RLS-Verdacht

  • Ferritin im Serum (ggf. auch im Liquor), ggf. Transferrinsättigung
  • Nierenwerte
  • Schilddrüsenparameter (TSH, ggf. fT3, fT4)
  • Elektroneurographie (V.a. Polyneuropathie, Radikulopathie)
  • Quantitative sensorische Testung (QST) bei unauffälliger Nervenleitgeschwindigkeit und Hinweisen für eine Small-Fiber-Neuropathie
  • MRT der LWS bei Radikulopathie- Verdacht
Therapeutisch steht die Eisensupplementation an erster Stelle. Viele RLS-Patienten leiden unter einem latenten oder manifesten Eisenmangel. Bei ihnen sollte das Ferritin > 50 µg/ml angehoben werden.

Opioide als zweites Standbein der Therapie

In der neuen Leitlinie wird man voraussichtlich sogar einen Spiegel von 100 μg/ml empfehlen, weil ein hochnormales Ferritin einen besonders guten RLS-Schutz bietet. Wenn die Therapie verstärkender Faktoren (z.B. Eisenmangel) nicht genügt, kann – je nach Patientenwunsch – bereits bei leichtem Rest- Legs-Syndrom (IRLS-SS* < 15) eine dopaminerge Behandlung begonnen werden. Dopaminagonisten sind allerdings in diesem Stadium noch nicht zugelassen. Prof. Young behandelt daher im Bedarfsfall mit L-Dopa/Benserazid (Startdosis 100 mg/25 mg abends). Bei nächtlichen Beschwerden kann der Patient zusätzlich retardiertes L-Dopa/Benserazid (100 mg/25 mg) erhalten. Eine Tagesdosis von 200– 300 mg L-Dopa sollte wegen der Augmentationsgefahr (s. Kasten) nicht überschritten werden.

Stichwort Augmentation

Augmentations- Verdacht besteht, wenn die RLS-Symptomatik im 24-Stunden-Verlauf früher auftritt, die Beschwerden in Ruhe schneller einsetzen oder sich auf andere Körperbereiche ausdehnen. Auch eine RLS-Zunahme trotz stabiler Therapie deutet potenziell in diese Richtung. Neben L-Dopa/Benserazid können sämtliche Dopaminagonisten eine Augmentation auslösen, wobei die Gefahr unter L-Dopa/Benserazid am größten (ca. 60 % innerhalb von sechs Monaten) und unter Rotigotin am geringsten ist (5–8 % in fünf Jahren). Im Fall einer Augmentation wird empfohlen, den Ferritinspiegel auf > 50 μg/ml anzuheben, die Medikamentendosis ggf. auf zwei Zeitpunkte zu verteilen (z.B. 18 Uhr und kurz vor dem Zubettgehen) und das Präparat zu wechseln – von L-Dopa zu einem Dopaminagonisten und von einem Agonisten zu einem Opioid.
Kandidaten für L-Dopa sind Patienten mit zwei- bis dreimal wöchentlichen Beschwerden, die diese quasi kommen sehen. Bei täglichen RLS-Symptomen bzw. in mittelschweren bis schweren Fällen behandelt der Neurologe bereits initial mit einem Dopaminagonisten. Auch retardiertes Oxycodon/Naloxon ist zur Therapie des Restless- Legs-Syndroms zugelassen. Aus Sicht von Prof. Young hat sich die Opioid- Therapie inzwischen zum zweiten Standbein neben den Dopaminergika entwickelt, falls Patienten auf diese nicht ansprechen oder darunter eine schwere Augmentation entwickelt haben. Bei Opioiden müsse man mit dieser Nebenwirkung nicht rechnen, erklärte der Experte.

Kaffee und Schlafentzug können das RLS verstärken

Da sich ein Restless-Legs-Syndrom in der Schwangerschaft verstärken kann, sollten betroffene Frauen begünstigende Faktoren wie Koffein und Schlafentzug meiden. Therapeutisch steht der Ausgleich eines Eisen- und Folatmangels an erster Stelle, auch Magnesium ist einen Versuch wert, sagte Prof. Young. L-Dopa und Dopaminagonisten sollten bei Schwangeren nur bei dringendem Bedarf eingesetzt werden, da eine teratogene Wirkung mangels Studiendaten bisher nicht ausgeschlossen werden kann. Als Alternative kommt die Gabe von Opioiden in Betracht (außerhalb des 1. Trimenons) oder ein Versuch mit Antikonvulsiva, die in einzelnen Studien gute Erfolge gezeigt haben.  

*International RLS Severity Scale

 

Quelle: 6. Kongress der Westdeutschen Gesellschaft für Pneumologie

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