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Vaskulitis variabler Gefäße

Beim Behçet-Syndrom gilt: Selten ist nicht gleich selten. Obwohl hierzulande die Prävalenz bei der deutschstämmigen Bevölkerung nur ca. 0,8/100.000 beträgt, sieht es hinsichtlich der türkischstämmigen Bevölkerung mit 45/100.000 schon anders aus.
Global kommt die auch als Morbus Adamantiades-Behçet bezeichnete Erkrankung besonders in den Ländern entlang der ehemaligen Seidenstraße vor. Meist tritt die Krankheit im Alter zwischen 25 und 30 Jahren erstmals auf. Zumindest in Deutschland sind Männer und Frauen zwar etwa gleich häufig betroffen, jedoch haben Männer mit frühem Krankheitsbeginn (≤ 24 Jahre) in der Regel die schlechteste Prognose, schreiben Prof. Dr. Ina Kötter und Dr. Martin Krusche vom Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg. Bei der Pathogenese spielen sowohl genetische als auch Umweltfaktoren eine Rolle. Nach heutigem Kenntnisstand nimmt das Behçet-Syndrom eine Mittelstellung zwischen klassischen HLA-Klasse-II-antigenassoziierten Autoimmunerkrankungen und monogenen autoinflammatorischen Erkrankungen mit Aktivierung des angeborenen Immunsystems und Inflammasoms ein.
Infolge der Inflammation arterieller oder venöser Gefäße können zahlreiche Organe betroffen sein, allerdings varriert die Häufigkeit wie die beiden Experten anhand ihres Patientenklientels zeigen:
- Rezidivierende orale Aphthen lassen sich fast immer bei Erstdiagnose feststellen.
- Genitale Aphthen sind in der Literatur bei 60–80 % der Patienten beschrieben. In der Hamburger Klinik liegt die Häufigkeit nur bei 30 %
- Hauteffloreszenzen treten bei 50 % der Patienten auf, meist als sterile Papulopusteln/Pseudofollikulitiden, seltener als multiple rezidivierende Erythema nodosa.
- Eine Oligoarthritis meist der unteren Extremität findet sich bei ca. jedem zweiten Betroffenen.
- Eine Augenbeteiligung liegt bei 45 % der Patienten vor. Meist handelt es sich um eine Panuveitis inklusive okklusiver retinaler Vaskulitis (Cave: irreversibler Visusverlust!), seltener ist nur der vordere Augenabschnitt entzündet.
- Venöse Thrombosen oder Thrombophlebitiden als venöse Manifestationen treten bei 27 % der Betroffenen im Laufe der Erkrankung auf, darunter auch intrakardiale Thromben.
- Arterielle Manifestationen zeigen sich meist in Form von Aneurysmen von Extremitätenarterien, Pulmonalarterien (auch mit Hämoptysen) oder Koronararterien, machen aber nur jede fünfte vaskuläre Manifestation aus.
- Bei gastrointestinaler Beteiligung (ca 5 % der Patienten) können eine Ileitis terminalis oder eine aphthöse Kolitis auftreten.
- Das ZNS ist bei jedem Zehnten betroffen. Häufiger in Form einer parenchymatösen ZNS-Beteiligung mit Hirnstammenzephalitis, pseudotumoröser Inflammation im Großhirn oder Meningoenzephalitis, seltener als vaskuläre ZNS-Beteiligung (Sinusvenenthrombose). Eine Beteiligung des peripheren Nervensystems ist mit ca. 4 % relativ selten – in den meisten Fällen entwickeln diese Patienten eine Polyneuropathie.
- Andere nur seltene Organmanifestationen umfassen Epididymitis (in der Literatur 4–31 %) und audiovestibuläre Symptome kommen.
Oft sind isolierte mukokutane Manifestationen mit einer Arthritis assoziiert. Eine Verbindung besteht ebenfalls zwischen einer Augenbeteiligung und einer parenchymatösen ZNS-Beteiligung sowie männlichem Geschlecht und zwischen vaskulären Manifestationen untereinander.
Die Diagnose des Behçet-Syndroms erfolgt weiterhin anhand der Diagnosekriterien aus dem Jahr 2014. Hierbei werden für das Vorhandensein von Augenläsionen, genitaler Aphthen und oraler Aphthen jeweils 2 Punkte, für Hautläsionen, neurologische Manifestationen und vaskuläre Manifestationen jeweils 1 Punkt vergeben. Ergeben sich addiert mindestens 4 Punkte, ist ein Behçet wahrscheinlich.
Optional kann ein Pathergie-Test gemacht werden, bei dem eine 21G-Kanüle an der Unterarminnenseite in die Haut gestochen wird. Bei ca. 15–30 % der Behçet-Patienten entwickelt sich an der Einstichstelle innerhalb von 24–48 Stunden eine Papulopustel. Dies kann mit einem zusätzlichen Punkt bei den Diagnosekriterien berücksichtigt werden.
Die Diagnose wird dadurch erschwert, dass nicht alle Manifestationen bei allen Patienten und nicht immer zeitgleich auftreten. Insbesondere hinsichtlich der kutanen Manifestationen, der Augenbeteiligung und der Arthritis gilt es, diverse Differenzialdiagnosen zu berücksichtigen. Deshalb ist es ratsam, bei Verdacht einen Kollegen hinzuzuziehen, der bereits Erfahrung mit der Erkrankung hat. Wie Prof. Kötter und Dr. Krusche erläutern, litt knapp ein Drittel der Patienten, die sich in ihrer Spezialsprechstunde mit einem Behçet-Syndrom vorstellten, tatsächlich an einer anderen Erkrankung, darunter beispielsweise Sarkoidose, chronisch-entzündliche Darmerkrankung, Pemphigus, Lichen ruber und reaktive Arthritis.
Die Behandlung des Behçet-Syndroms erfolgt gemäß EULAR-Leitlinie. Ausschlaggebend sind Schwere der Erkrankung, Manifestationen und prognostische Faktoren. Um die Remission einzuleiten werden häufig Glukokortikoide genutzt, die dann möglichst ausgeschlichen und durch andere Immunsuppressiva ersetzt werden. Zu den Präparaten, die beim Behçet-Syndrom zum Einsatz kommen, gehören Colchicin, Azathioprin, Apremilast, Cyclosporin A und bei schweren Formen TNF-α-Inhibitoren (Infliximab, Adalimumab, Etanercept) oder Interferon-alpha. Die Auswahl richtet sich nach dem vorherrschenden Beschwerdebild, da die einzelnen Manifestationen unterschiedlich gut auf die verschiedenen Wirkstoffe ansprechen und z.B. Ciclosporin A ZNS-Manifestationen begünstigen kann.
Quelle: Kötter I, Krische M. internistische praxis 2022; 65: 275-285 © Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach
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