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Verschiedene Antikörper-Wirkstoff-Konjugate könnten bald die Therapie des NSCLC verändern

Die "smarte Chemotherapie“ nannte Dr. Sabine Schmid, Inselspital, Universität Bern, das Konzept der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC). Mit dem Baukasten aus drei unterschiedlichen Elementen – Antikörper, Payload und Linker – lassen sich verschiedene Zielstrukturen auf Lungenkarzinomen nutzen, um Zytostatika in die Tumorzellen zu bringen. Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) beispielweise dockt an den HER2-Rezeptor an, wird internalisiert und setzt einen Topoisomerase-I-Inhibitor als Payload frei. Beim NSCLC ist eine HER2-Mutation mit 2,3 % häufiger als die in Mammakarzinomen überwiegend vorliegende HER2-Amplifikation oder Überexpression, erläuterte Dr. Schmid.
In der DESTINY-Lung01-Studie sprachen 55 % der Teilnehmenden mit fortgeschrittenem und nach Standardtherapie rezidiviertem oder refraktärem NSCLC mit HER2-Mutationsnachweis auf T-DXd an. Die mediane Ansprechdauer betrug 9,3 Monate. Das mediane PFS und OS bezifferte die Referentin mit 8,2 Monaten und 17,8 Monaten.
DESTINY-Lung02-Studie
Eine Interimsanalyse der DESTINY-Lung02-Studie ergab eine Ansprechrate von 53,8 % mit der inzwischen in den USA für die Therapie des NSCLC zugelassenen T-DXd-Dosis von 5,4 mg/kg. Interstitielle Lungenerkrankungen erlitten 6 % der Teilnehmenden – deutlich weniger als mit der höheren geprüften Dosis von 6,4 mg/kg (14 %).
Allerdings kam es häufig zu gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Nausea/Erbrechen, Appetitminderung, Diarrhö und Obstipation sowie zu Hämatotoxizitäten, wenn auch meist vom Grad 1-2. Zudem entwickelten viele Betroffene eine Fatigue. 25,3 % der Patient:innen brachen die Therapie wegen behandlungsbedingter Nebenwirkungen ab, zwei starben auch infolge solcher unerwünschter Ereignisse. Die Nebenwirkungen traten im Median nach vier Monaten auf, die Spanne war aber riesig, betonte Dr. Schmidt. Die klinische Bedeutung der ADC liegt weniger, wie anfangs erhofft, in einer reduzierten Toxizität durch den gezielten Transport der Chemotherapie in die Zelle, als vielmehr in der hohen Wirksamkeit, stellte die Referentin klar.
ADC als Perspektive in der Krebsbehandlung
Zu erwarten sind viele weitere ADC zur Behandlung des NSCLC und anderer Tumorerkrankungen, denn prinzipiell können Antikörper mit einer Spezifität für unterschiedliche Krebsantigene mit verschiedenen Payloads über Linker verknüpft werden. Ein Beispiel ist HER3, das von 83 % aller NSCLC überexprimiert wird, oft zusammen mit einer EGFR-Mutation vorkommt und mit der metastatischen Progression sowie einem kürzeren rezidivfreien Überleben assoziiert ist.
Gegen diese Zielstruktur richtet sich ADC Patritumab-Deruxtecan (HER3-DXd) mit dem von T-DXd bekannten Topoisomerase-Inhibitor als Payload. Forschende prüfen die Substanz bereits in einer Phase-3-Studie bei Patient:innen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC, die eine EGFR-Mutation aufweisen und nach Behandlung mit einem EGFR-TKI einen Progress entwickelt hatten. Auch für EGFR-wildtypische Tumoren wird das ADC bereits klinisch getestet.
Eine weitere Zielstruktur für ADC ist TROP2, das mit Sacituzumab-Govitecan und Datopotamab-Deruxtecan adressiert werden kann. Auch hier gibt es erste ermutigende Ergebnisse aus Phase-1/2-Studien und beide Substanzen werden für die Zweitlinientherapie bereits in Phase-3-Studien mit Docetaxel verglichen.
Das Zelloberflächen-Glykoprotein CEACAM5 wird von 25 % der Adenokarzinom-NSCLC überexprimiert. Es findet sich nicht im normalen Lungengewebe. Das ADC Tusamitamab-Ravtansine setzt an dieser Struktur an und enthält als Payload einen Mikrotubuli-Inhibitor. Nach frühen klinischen Untersuchungen mit einem Ansprechen von 20,3 % bei hoher CEACAM5-Expression initiierten Wissenschaftler:innen bereits eine biomarkergestützte Phase-3-Studie, in der sie Docetaxel als Kontrolle einsetzen. Ebenfalls gegen Docetaxel geprüft wird das an cMET bindende Telisotuzumab-Vedotin.
Neben den zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten von Antikörpern und Payloads in einem ADC kommt die Option einer zusätzlichen Checkpoint-Inhibition oder Chemotherapie hinzu. Wichtig wird laut Dr. Schmid sein, Biomarker zu etablieren, um diejenigen Erkrankten zu identifizieren, die mit einiger Wahrscheinlichkeit von einer solchen Behandlung profitieren.
Quellen:
Schmid S. Jahrestagung 2022 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie; Vortrag V61: „Antikörper-Wirkstoff-Konjugate: die smarte Chemotherapie“
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