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Viele Fragezeichen bei Immuntherapien in der Schwangerschaft

Das mütterliche Immunsystem ist in einer Schwangerschaft gleich doppelt gefordert, schreiben Kollegen um Jessica Borgers vom Antoni van Leeuwenhoek Krebszentrum in Amsterdam: Es darf einerseits die Frucht, welche zur Hälfte väterliche Antigene exprimiert, nicht abstoßen, muss aber gleichzeitig weiterhin Schutz vor Pathogenen gewährleisten. Die fetomaternale Toleranz ist das Resultat einer ausgeklügelten Immunmodulation. Eine erfolgreiche Implantation des Embryos mit Trophoblastinvasion und Plazentaausbildung sowie eine ungestörte Weiterentwicklung der Schwangerschaftsanlage sind nur möglich, wenn unzählige Hormone, Enzyme, Zytokine und Immunzellen, zum Beispiel natürliche Killerzellen, Makrophagen und Lymphozyten, zusammenarbeiten.
Immuntherapien können dieses sensible Gleichgewicht stören. Auch direkte fetotoxische Effekte der verschiedenen Wirkstoffe sind nicht auszuschließen. Belastbare Daten am Menschen fehlen hierzu jedoch bislang – die meisten Informationen stammen aus theoretischen Überlegungen, Fallberichten und präklinischen Studien.
Von Plazentainsuffizienz bis Wachstumsstörungen
Optimalerweise erkennt das Immunsystem entartete Zellen als fremd und eliminiert sie. Einige Krebszellen unterlaufen jedoch diesen Mechanismus. Hier setzen die onkologischen Immuntherapien an: Sie aktivieren das körpereigene Abwehrsystem und versetzen es in die Lage, die Tumorzellen zu eradizieren. Doch genau das kann in einer Schwangerschaft zum Problem werden. Ein Beispiel hierfür sind Checkpoint-Inhibitoren (CI): Die gegenwärtig klinisch eingesetzten monoklonalen Antikörper richten sich gegen PD1, PD-L1 oder CTLA4 und reaktivieren auf diese Weise die supprimierte T-Zell-Antwort gegen den Krebs. Die aufgeführten Checkpoints spielen allerdings auch eine wichtige Rolle für die fetomaternale Immuntoleranz. Es gibt Hinweise darauf, dass die monoklonalen Antikörper während der Schwangerschaft fetale Wachstumsstörungen, eine Plazentainsuffizienz sowie ein erhöhtes Frühgeburts- und kindliches Mortalitätsrisiko bedingen können. Tierversuche deuten zudem auf ein gesteigertes Totgeburtsrisiko hin.
Ein weiteres Problem der CI sind immunologische Nebenwirkungen beim Neugeborenen, die auf die transplazentare Übertragung der Substanzen während des letzten Schwangerschaftsdrittels zurückzuführen sind. Da CI in die Muttermilch übertreten und dort auch noch Wochen nach der letzten Dosis nachweisbar sind, raten Experten vom Stillen während und für mindestens fünf Monate nach Therapieende ab.
Das Zytokin Aldesleukin, eine rekombinante Form von IL-2, steigert ebenfalls die T-Zell-Antwort auf Tumorzellen, schreiben die Autoren weiter. Angesichts potenzieller embryoletaler Effekte sollte es in der Schwangerschaft nur nach strenger Risikoabwägung eingesetzt werden. Ähnliches gilt für Talimogen laherparepvec, ein genetisch verändertes, Tumorzellen lysierendes Herpes-simplex-Virus Typ 1, sowie für die Behandlung mit modifizierten T-Zellen, da die Risiken für das ungeborene Kind gegenwärtig nicht abzuschätzen sind. Die Gabe dieser Substanzen in der Schwangerschaft sollte vermieden werden.
Kontraindikation für Modulatoren und Engager
Nach der Behandlung weiter sichere Verhütung empfehlen
Wie sich Immuntherapien auf die zukünftige Fertilität einer Frau auswirken, ist ebenfalls kaum untersucht. Generell wird während und nach einer abgeschlossenen Behandlung eine mehrmonatige sichere Kontrazeption empfohlen. Die Halbwertszeit der Wirkstoffe variiert allerdings von Mensch zu Mensch erheblich, sodass Langzeiteffekte nicht auszuschließen sind: Genetisch modifizierte Zellen können beispielsweise über Jahre im Körper überleben.Quelle: Borgers JSW et al. Lancet Oncol 2021; 22: e550-e561; DOI: 10.1016/S1470-2045(21)00525-8
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