Vier Prädiktoren für Kompressionsfrakturen identifiziert

Dr. Melanie Söchtig

Wird ein hohes Risiko für Frakturen ermittelt, können Patienten von prophylaktischen Behandlungen profitieren. Wird ein hohes Risiko für Frakturen ermittelt, können Patienten von prophylaktischen Behandlungen profitieren. © iStock/wildpixel

Vertebrale Kompressionsfrakturen sind mögliche Spätfolgen einer stereotaktischen Radiatio. Ein neuer Score soll nun helfen, das Risiko vor Therapiebeginn einzuschätzen. So könnten künftig Patienten identifiziert werden, die von vorbeugenden Maßnahmen besonders profitieren.

Die stereotaktische Bestrahlungstherapie (Stereotactic Body Radiation Therapy, SBRT) ist eine Technik, die eine präzise Radiatio des Zielgewebes mit hohen Dosen ermöglicht. Dadurch werden hohe Tumorkontrollraten (80–90 %) bei relativ geringer toxischer Wirkung auf das umliegende Gewebe erzielt. Für die Behandlung von Metastasen in der Wirbelsäule hat sich die SBRT als wirksames Mittel zur Palliation und Verbesserung der Lebensqualität erwiesen. Sie löst jedoch in etwa 15 bis 40 % der Fälle eine vertebrale Kompressionsfraktur aus.

Wissenschaftler um Dr. Roman O. Kowalchuk­ von der Mayo Clinic in Rochester haben jetzt im Rahmen einer Kohortenstudie ein Risikostratifizierungsmodell für vertebrale Kompressionsfrakturen nach einer SBRT an der Wirbelsäule entwickelt. Grundlage hierfür bildeten die Daten von insgesamt 464 Behandlungen zwischen Dezember 2007 und Oktober 2019 an 331 Patienten mit Wirbelsäulenmetastasen.

Zu den Ausschlusskriterien gehörten Protonenstrahltherapie, gutartige Erkrankungen, frühere Wirbelsäulenoperationen oder Vertebroplastie, fehlende bildgebende Nachuntersuchungen und fehlende Datenpunkte. In den meisten Fällen erhielten die Betroffenen eine SBRT mit einer oder drei Fraktionen. Bei Behandlungen mit einer Fraktion wurde eine mediane Dosis von 20 Gy appliziert. Die mediane Dosis im Rahmen einer Multifraktions­therapie betrug 30 Gy.

Innerhalb einer medianen Nachbeobachtungszeit von 21 Monaten kam es zu 84 vertebralen Kompressionsfrakturen (18 %), darunter 65 De-novo- und 19 progressive Frakturen. Die Ereignisse traten im Median nach neun Monaten auf.

Jeder zweite Patient mit Score 4 erlitt ein Ereignis

Die Studienautoren führten verschiedene multivariate Analysen durch, um die wichtigsten Prädiktoren für das Auftreten von vertebralen Kompressionsfrakturen zu identifizieren. Dafür prüften sie initial 15 Variablen und wählten daraus die vier aussagekräftigsten aus:

  1. epidurale Tumorausdehnung
  2. lumbale Lokalisation
  3. Bruttotumorvolumen > 10 cm³
  4. Spinal Instability Neoplastic Score (SINS) > 6

Für das Risikostratifizierungsmodell wiesen die Forscher jeder ­dieser Variablen einen Punkt zu. Die Konkordanz des daraus resultierenden multivariaten Cox-Modells betrug 0,760. Jede Erhöhung der Punktzahl um 1 war mit einem Anstieg der Rate vertebraler Kompressionsfrakturen assoziiert (HR 1,93). Die Ereignisraten lagen den Forschern zufolge zwischen 6 % bei einem Gesamtscore von 0 und 52 % bei einem Gesamtscore von 4.

Anhand der kumulativen Inzidenz von vertebralen Kompressionsfrakturen nach zwei Jahren (mit Tod als konkurrierendem Risiko) konnten die Teilnehmer in drei Risikogruppen eingeteilt werden (s. Tabelle).

Drei neue Risikogruppen
RisikogruppeGesamtpunktzahlKumulative Inzidenz vertebraler Kompressionsfrakturen nach zwei Jahren
niedriges Risiko0–16,7 %
mittleres Risiko217 %
hohes Risiko3–435,4 %

Die Ergebnisse deuten darauf, dass es eine Untergruppe von Patienten gibt, die nach einer SBRT ein hohes Risiko für eine Wirbelkörperkompressionsfraktur aufweist und die möglicherweise von einer prophylaktischen Behandlung profitiert. So wiesen die 92 Personen, die wegen eines früheren chirurgischen Eingriffs oder einer Vertebroplastie aus der Studie ausgeschlossen wurden, eine geringere Rate vertebraler Kompressionsfrakturen auf (11 %). Die Autoren verweisen jedoch darauf, dass weitere Studien zu prophylaktischen Maßnahmen erforderlich sind.

Quelle: Kowalchuk RO et al. JAMA Oncol 2022; e217008; DOI: 10.1001/jamaoncol.2021.7008

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Wird ein hohes Risiko für Frakturen ermittelt, können Patienten von prophylaktischen Behandlungen profitieren. Wird ein hohes Risiko für Frakturen ermittelt, können Patienten von prophylaktischen Behandlungen profitieren. © iStock/wildpixel