Cartoon Medizin und Markt

Vitamin-K-Antagonisten verlieren an Boden

Tim Förderer

Studien belegen die Vor- und Nachteile der Behandlung mit verschiedenen NOAK. Studien belegen die Vor- und Nachteile der Behandlung mit verschiedenen NOAK. © iStock/magicmine

Nicht bluten, aber auch auf keinen Fall einen Schlaganfall erleiden: Das ist das Ziel bei der Antikoagulation. Mit NOAK scheint das möglich, wenn man sie geschickt einsetzt.

Patienten mit Vorhofflimmern schweben bekanntermaßen in erhöhter Gefahr für einen Schlaganfall. Und wenn sie bereits einen hatten, fürchten sie sich vor einem erneuten vaskulären Vorfall, mahnte Professor Dr. Martin Grond von der Klinik für Neurologie am Kreisklinikum Siegen. Mit Recht, denn die Wahrscheinlichkeit dafür ist relativ hoch. Das Ereignis in der Anamnese macht daher im CHA2DS2-VASc-Score zur Berechnung des Schlaganfallrisikos (s. Kasten unten) zwei Punkte aus. Gepaart mit einem Alter von über 75 Jahren, weiblichem Geschlecht und einem Hypertonus kommt man schon auf 6 Punkte. Daraus errechnet sich eine jährliche Ereignisrate von etwa 20 %.

CHA2DS2-VASc Score
Chronische Herzinsuffizienz oder linksventrikuläre Dysfunktion1
Hypertonie1
A2 Alter ≥75 Jahre2
Diabetes mellitus1
S2 Schlaganfall/TIA/Thromboembolie2
Vaskuläre Vorerkrankung (z.B. KHK, pAVK oder Aortenplaque)1
Alter 65–74 Jahre1
Sex Category: Weibliches Geschlecht1

Risiko gemeinsam mit dem Patienten kalkulieren

Prof. Grond riet, dieses Risiko mit dem Patienten gemeinsam zu kalkulieren und ihm zu verdeutlichen, dass eine orale Antikoagulation die Gefahr deutlich senken kann. „Wenn der Patient das nicht möchte, geben Sie lieber gar nichts, denn ASS ist keine Option“, so der Referent. 

Im nächsten Schritt gelte es, das Blutungsrisiko unter Vitamin-K-Antagonisten (VKA) zu ermitteln. Dafür nutzt man den HAS-BLED-Score (s. Kasten unten). Bei einem Wert ≥ 3 besteht ein hohes Risiko für eine Blutung. 

HAS-BLED Score
Hypertonie1
Abnormale Nieren- oder Leberfunktion1 oder 2
Schlaganfall1
Blutung1
Labile INRs2
Elderly (>65 Jahre)1
Drogen oder Alkohol1 oder 2

Zur Therapie führte der Referent zunächst VKA an und warnte: „Selbst ein damit gut eingestellter Patient hat ein erhöhtes Blutungsrisiko.“ Sinkt der Anteil der Zeit im therapeutischen Bereich aber unter 70 %, ist es so, als würden Sie gar kein VKA geben. „Das Blutungsrisiko bleibt aber bestehen.“ Daher hält Prof. Grond die Gefahr mit diesen Substanzen für groß.

Die Alternative sind NOAK. Mehrere Studien belegen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Kandidaten. Zwei davon (Dabigatran und Apixaban) zeigten sich im Hinblick auf die Schlaganfallprophylaxe gegenüber Warfarin überlegen, wohingegen Rivaroxaban und Edoxaban ähnlich wie der VKA abschnitten.

Betrachtet man die Registerstudien, kamen unter Dabigatran und Apixaban etwa 2 % Blutungen vor, unter Rivaroxaban und Warfarin waren es 4 %. Abgesehen vom Bias, den diese Untersuchungen immer aufweisen, kann man damit aber ein Gefühl dafür entwickeln, wie häufig manche Ereignisse auftreten können. Beispielsweise hämorrhagische Schlaganfälle. 

Derart schwere Blutungen kommen auf dem Papier relativ selten vor. „Aber unterschätzen Sie die Laufzeit nicht, der Anstieg des Risikos erfolgt linear. Das heißt, nach zehn Jahren steigt es auf etwa 5 %“, mahnte der Experte. 

In solchen Fällen hat Dabigatran gegenüber VKA und den anderen NOAK einen entscheidenden Vorteil: Es gibt ein gut einsetzbares Antidot. Der Antikörper Idarucizumab  wirkt binnen weniger Minuten und setzt die blutverdünnende Wirkung des Dabigatrans außer Kraft. „Damit können Blutungen zum Stillstand kommen, aber auch Notfalleingriffe möglich werden“, so der Neurologe weiter.

Für Rivaroxaban und Apixaban gibt es als Antidot Andexanet alfa, einen rekombinanten, modifizierten aktivierten Faktor Xa. Der Wirkstoff kostet sehr viel, muss per Dauerinfusion verabreicht werden und ist zur Aufhebung der Blutverdünnung vor einem Eingriff nicht zugelassen. In Deutschland spielt er daher bislang kaum eine Rolle

Der Vorteil von Dabigatran wird noch deutlicher, wenn Patienten trotz NOAK ein ischämisches Ereignis erleiden. Die Wahrscheinlichkeit liegt zu Beginn bei 2 %, „aber pro Jahr, das sind geschätzt 10 % nach fünf Jahren, 20 % nach zehn Jahren, denn Risikoreduktion heißt nicht Elimination“, warnte Prof. Grond, und weiter: „Mit Dabigatran können Sie die Betroffenen dank des Antidots lysieren.“ Denn allgemein ist eine Lyse laut Leitlinie nur erlaubt, wenn der Patient eine normale Blutgerinnung aufweist.

Personen mit Vorhofflimmern nicht bridgen

Die Antikoagulation nach einem Blutungsereignis wieder aufzunehmen, lässt sich dem Patienten schwer verkaufen, aber die Studienlage beweist, dass nach sorgfältiger Indikationsstellung bei einer Wiederaufnahme der OAK das Risiko, eine erneute Hirnblutung zu erleiden, deutlich geringer ist als jenes, einen ischämischen Schlaganfall zu erleiden. „Sie schaden dem Patienten nicht“, so der Referent. 

Abschließend warnte er davor, Vorhofflimmerpatienten zu bridgen: „Bridging unter NOAK macht überhaupt keinen Sinn, unter VKA nur unter bestimmten Umständen.“

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Quelle: Medical Tribune Fortbildung kompakt Allgemeinmedizin/Innere Medizin am 12.09.2020 in Sulzbach (Taunus), unterstützt von Boehringer Ingelheim

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