Volkskrankheit Nackenschmerzen: Diagnostik und Therapie hängen davon ab, ob eine Neuropathie besteht

Dr. Judith Lorenz

Man sollte bei Nackenschmerzen auch immer auf Alarmzeichen wie Fieber, Nausea und Steifigkeit achten. Man sollte bei Nackenschmerzen auch immer auf Alarmzeichen wie Fieber, Nausea und Steifigkeit achten. © fotolia/DDRockstar

Stress, schlechte Haltung, Adipositas – dies ist nur eine kleine Auswahl an Auslösern für Nackenschmerzen. Kein Wunder, dass die Beschwerden so weitverbreitet sind. Manchmal gehen auch schwerwiegende Erkrankungen mit ihnen einher.

Ob eine Person Nackenschmerzen entwickelt, scheint neben einer genetischen Prädisposition von individuellen anatomisch-biologischen, psychologischen, sozialen sowie beruflichen Faktoren abzuhängen. Für das diagnostische und therapeutische Management ist entscheidend, ob es sich um neuropathische oder um nicht-neuropathische Schmerzen handelt, führen der Neurologe Dr. Steven­ Cohen­ von der Johns Hopkins Scool of Medicine in Baltimore und der Psychiater Dr. W. Michael­ Hooten von der­ Mayo Clinic School of Medicine in Rochester aus. Neuropathische Schmerzen entstehen durch Nervenwurzelkompressionen (Bandscheibenvorfall, Foramenstenose), eine Spinalkanalstenose oder eine zervikale Myelopathie. Begleitend können motorische und sensible Störungen auftreten.

Nicht-neuropathische Schmerzen gehen dagegen ohne neurologische Defizite einher. Sie sind u.a. auf eine Problematik der Facettengelenke, degenerative Bandscheibenveränderungen sowie muskuläre und ligamentäre Pathologien zurückzuführen. Unabhängig von der Beschwerdeursache sind viele Patienten mit akuten Nackenschmerzen innerhalb weniger Monate wieder beschwerdefrei. Etwa die Hälfte leidet jedoch an leichten persistierenden oder rezidivierenden Symptomen.

Die Diagnostik basiert auf der gründlichen Anamnese und klinischen Untersuchung. Bei neuropathischen Schmerzen kommen ergänzend bildgebende sowie elektrophysiologische Verfahren zum Einsatz. Entscheidend ist, Patienten mit schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Infektionen, vaskulären, endokrinen, neurologischen oder inflammatorischen Prozessen zu identifizieren. Alarmzeichen hierfür sind beispielsweise ein bekanntes Tumorleiden oder ein Trauma, Fieber, Nackensteifigkeit, Übelkeit und Erbrechen, erhöhte Entzündungsparameter sowie schwere neurologische Symptome.

Therapie nicht-neuropathischer Schmerzen

Nach Auswertung der verfügbaren Literatur kommen Dr. Cohen und Dr. Hooten zu dem Schluss, dass unspezifische, nicht-neuropathische Symptome primär nicht-medikamentös behandelt werden sollten. Am stärksten scheinen die Patienten von einer Übungsbehandlung zu profitieren. Auch für verschiedene komplementärmedizinische Verfahren – Akupunktur, manuelle Therapie, Massage, Yoga – sind günstige Effekte belegt (auch bei neuropathischen Schmerzen). Topische NSAR scheinen ebenfalls eine Linderung der Beschwerden zu bewirken. Für Muskelrelaxanzien ist die Datenlage hingegen schwach, ein Therapieversuch jedoch vertretbar, eher gegen akute anstatt chronische Schmerzen.

Myofasziale Beschwerden erfordern ein multimodales Konzept: Korrektur von Haltungs­imbalancen, physikalische Behandlung, Pharmaka und Psychotherapie. Bei Versagen der konservativen Maßnahmen kommen Injektionen an den palpablen Triggerpunkten infrage.

Bei schmerzhaften Facettengelenken ist – trotz uneinheitlicher Datenlage – eine Lokalanästhetika-Infiltration der das Gelenk innervierenden Nervenfasern zu erwägen. Spricht der Patient gut auf diese Behandlung an, ist der Nutzen einer zusätzlichen Facettendenervierung mittels Radio­frequenzablation fraglich.

Behandlung neuropathischer Schmerzen

Neuropathische Schmerzen aufgrund einer zervikalen Diskushernie oder Spinalkanalstenose sprechen auf eine epidurale Injektionsbehandlung mit steroidalen oder nicht-steroidalen Wirkstoffen (z.B. Lokalanästhetika) an. Allerdings ist insbesondere bei der transforaminalen Applikation von Depot-Steroiden das Komplikationsrisiko hoch, z.B. für Rückenmarksinfarkte.

Zur chirurgischen Therapie der zervikalen Radikulopathie und der Myelopathie stehen verschiedene dekomprimierende Verfahren zur Verfügung. Angesichts des meist günstigen Spontanverlaufs der Symptomatik sowie der oft nur mäßigen und kurzzeitigen Beschwerdebesserung nach dem Eingriff ist in der Regel zunächst ein abwartendes, konservatives Vorgehen gerecht­fertigt.

Nutzen von Biologika und Stammzellinjektionen unklar

Die zukünftige Forschung müsse klären, wie sich Personen mit hohem Risiko für akute und chronische Nackenschmerzen identifizieren lassen und welche Maßnahmen der Entstehung bzw. Chronifizierung vorbeugen können, fordern die Experten. Auch sei unklar, wer von den einzelnen Optionen profitiert und welchen Nutzen neue biologische Therapiestrategien – beispielsweise Zytokin- und Nervenwachstumsfaktor-Inhibitoren sowie Stammzellinjektionen – haben.

Quelle: Cohen SP, Hooten WM. BMJ 2017; 358: online first

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