Von Albtraum bis Schlafwandeln

Dr. Andrea Wülker

Die REM-Schlafverhaltensstörung gilt als Archetyp der REM-Parasomnien, zu denen auch die Albtraum-Störung und die rezidivierende isolierte Schlafparalyse gehören. (Agenturfoto) Die REM-Schlafverhaltensstörung gilt als Archetyp der REM-Parasomnien, zu denen auch die Albtraum-Störung und die rezidivierende isolierte Schlafparalyse gehören. (Agenturfoto) © Creative Cat Studio – stock.adobe.com

Parasomnien sind ernst zu nehmende Phänome. Je nach vorliegender Variante gefährden sie den Betroffenen bzw. seinen Bettpartner. Sie können auch Vorbote einer neuro­degenerativen Erkrankung sein.

Parasomnien sind unerwünschte körperliche Ereignisse oder Erfahrungen, die beim Einschlafen, während des Schlafs oder beim Aufwachen auftreten. Sie umfassen abnorme schlafbezogene Bewegungen, Verhaltensauffälligkeiten, Emotionen, Wahrnehmungen, Träume und eine Aktivierung des autonomen Nervensystems, schreibt das Team um Dr. ­Imran ­Meurling vom Sleep Disorders Centre des Guy’s and St. Thomas’ NHS Foundation Trust, London. Bei Kindern beobachtet man Parasomnien häufiger als bei Erwachsenen, sie können jedoch in jedem Alter auftreten.

Parasomnien können sowohl im Non-REM(NREM)-Schlaf als auch im REM-Schlaf auftreten (siehe Tabelle). Zu den NREM-Parasomnien zählen Arousal-Störungen wie Schlaftrunkenheit, Schlafwandeln und Pavor nocturnus.

Einige Parasomnien haben prognostische Relevanz

Die REM-Schlafverhaltensstörung gilt als Archetyp der REM-Parasomnien, zu denen auch die Albtraum-Störung und die rezidivierende isolierte Schlafparalyse gehören. NREM- und REM-Parasomnien treten manchmal gemeinsam oder zusammen mit anderen Störungen wie der obstruktiven Schlafapnoe auf. Sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Bettpartner bzw. Angehörigen sind Parasomnien häufig sehr beunruhigend. Sie können auch prognostisch von Bedeutung sein oder forensische Konsequenzen haben.

Was die Ursachen anbelangt, so scheinen bei der NREM-Parasomnie verschiedene Faktoren wie genetische Veranlagung, vertiefter Slow-Wave-Schlaf oder fragmentierter Schlaf eine Rolle zu spielen. Manchmal kommt dann noch ein externer (Licht, Geräusch) oder interner (volle Blase) Störfaktor hinzu, der ein partielles Arousal und dadurch eine Parasomnie-Aktivität triggert.

Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung (REM behaviour disorder, RBD) kann als primär oder sekundär klassifiziert werden. Eine primäre RBD geht als Prodromalstadium nicht selten einer neurodegenerativen Erkrankung (Parkinson-Krankheit, Lewy-Body-Demenz, Multisystem-Atrophie) voraus. Sekundäre RBD-Ursachen sind immunvermittelte Erkrankungen, fokale Hirnstammläsionen, Traumata, Alkohol, Drogen und die Einnahme bestimmter Medikamente (u.a. Antidepressiva, Serotonergika, Anticholinergika).

NREM- und REM-Parasomnien

NREM-Parasomnien

REM-Parasomnien

  • häufig in der Kindheit, meist selbstlimitierend

  • können aber persistieren oder erstmals im Erwachsenenalter auftreten

Beispiele

  • Schlafwandeln (Somnambulismus)

  • Pavor nocturnus (Nachtschreck): intensive Furcht, Sympathikus-Aktivierung, manchmal Angstschrei

  • Schlaftrunkenheit (verwirrtes Erwachen): Aufschrecken aus dem Schlaf, Desorientiertheit

  • die REM-Schlaf-Verhaltensstörung kann einer neurodegenerativen Erkrankung (z.B. Parkinson) vorausgehen

Beispiele

  • REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD): Ausagieren von Trauminhalten, z.B. Rufen, Lachen, aber auch Schlagen und Treten

  • rezidivierende isolierte Schlafparalyse: Unfähigkeit, willkürliche Bewegungen beim Einschlafen oder Aufwachen durchzuführen

  • Albtraum-Störung: wiederholtes Auftreten von beängstigenden Albträumen

Die Diagnose einer Parasomnie wird in erster Linie klinisch gestellt. Bei NREM-Parasomnien reicht eine sorgfältige Anamnese in 95 % der Fälle mit typischer Manifestation zur Diagnosestellung aus. Wichtig ist, dass nicht nur der Betroffene befragt wird, sondern auch sein Bettpartner bzw. seine Angehörigen. In der Anamnese sollten u.a. Schlafhygiene und -gewohnheiten sowie Symptome einer begleitenden Schlafstörung (z.B. obstruktive Schlafapnoe) erfasst werden. Es kann auch hilfreich sein, wenn Angehörige auffällige Ereignisse und Symptome mit dem Smartphone filmen. Eine Video-Polysomnografie ist bei atypischen NREM-Parasomnien und für die Diagnostik einer RBD erforderlich.

Die Therapie von Parasomnien umfasst nicht-medikamentöse und medikamentöse Optionen sowie die Behandlung von zugrunde liegender psychiatrischer Erkrankungen und komorbider Schlafstörungen. Zu den nicht-medikamentösen Maßnahmen zählen die Sicherung der Schlafumgebung, z.B. das Schließen von Fenstern und Türen etc. Bei Parasomnien mit Verletzungsrisiko sollten Kissen zwischen den Betroffenen und seinen Bettpartner platziert werden – noch sicherer sind getrennte Schlafzimmer. Um Stürze abzumildern, legen RBD-Patienten am besten Kissen vor ihr Bett oder schlafen auf einer Matratze auf dem Boden. Angehörige müssen wissen, dass ein Parasomniepatient nicht ­energisch geweckt werden sollte, weil das zu weiterer Agitation führen kann. Besser ist es, den Betroffenen ruhig zum Bett zurückzubringen.

In manchen Fällen sind Medikamente indiziert

Bei NREM-Parasomnien, die bereits zu Verletzungen geführt haben, kann eine medikamentöse Behandlung mit Clonazepam erwogen werden. Zopiclon hat sich in der Behandlung von NREM-Parasomnien, die mit Insomnie einhergehen, bewährt. Bei RBD ist eine medikamentöse Behandlung klarer indiziert als bei NREM-Parasomnien. Clonazepam gilt als Mittel erster Wahl, in niedriger Dosierung (0,5–2 mg) ist es bei bis zu 80 % der RBD-Patienten effektiv. Melatonin (3–12 mg) kann ebenfalls eingesetzt werden; die Evidenz ist zwar nicht so stark wie für Clonazepam, doch hat Melatonin ein günstigeres Nebenwirkungs­profil.

Quelle: Meurling IJ et al. Breathe 2022; 18: 220067; DOI: 10.1183/20734735.0067-2022

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Die REM-Schlafverhaltensstörung gilt als Archetyp der REM-Parasomnien, zu denen auch die Albtraum-Störung und die rezidivierende isolierte Schlafparalyse gehören. (Agenturfoto) Die REM-Schlafverhaltensstörung gilt als Archetyp der REM-Parasomnien, zu denen auch die Albtraum-Störung und die rezidivierende isolierte Schlafparalyse gehören. (Agenturfoto) © Creative Cat Studio – stock.adobe.com