Von Darmhypnose bis Antidepressivum

Kathrin Strobel

Das Spektrum reicht von allgemeinen Maßnahmen bis hin zur Gabe von Antidepressiva. Das Spektrum reicht von allgemeinen Maßnahmen bis hin zur Gabe von Antidepressiva. © cunaplus - stock.adobe.com

Patienten mit Reizdarmsyndrom haben häufig einen langen Leidensweg. Die eine Behandlung, die allen Betroffenen hilft, existiert nicht. Doch jedes Jahr werden neue Daten zu Substanzen und Verfahren publiziert, die für die Therapie infrage kommen. Das Spektrum reicht von allgemeinen Maßnahmen bis hin zur Gabe von Antidepressiva.

Der optimale Therapieansatz beim Reizdarmsyndrom (RDS) ist multimodal, erklärte PD Dr. Viola Andresen, Medizinicum Hamburg. Die erste Säule bilden symptomunabhängige allgemeine Verfahren wie Psychotherapie und Mikrobiommodulation. Die zweite besteht aus medikamentösen Optionen, die symptomorientiert eingesetzt werden (z.B. gegen Schmerzen, Obstipation, Diarrhö).

Dass die sogenannte Darmhypnose wirksam sein kann, wurde inzwischen durch mehrere Studien belegt. Allerdings ist die Therapie nicht überall verfügbar, wie die Kollegin erklärte. In einer randomisiert-kontrollierten Studie mit 376 RDS-Patienten konnte gezeigt werden, dass auch eine spezielle Darmhypnose-App insbesondere Bauchschmerzen wirksam lindern kann. Verglichen wurde die Hypnose mit einer ebenfalls digital angeleiteten Muskelrelaxation. Die Effektivität einer appbasierten Hypnotherapie wurde in einer retrospektiven Analyse bestätigt, berichtete Dr. Andresen. 

Diätbegleitung durch Ernährungsberater lohnt sich

Die Low-FODMAP*-Diät, bei der auf fermentierbare Kohlenhydrate verzichtet wird, hat sich bereits in vielen Studien als effektiv erwiesen. Dennoch berichten Patienten in den Praxen häufig, sie hätten die Therapie ausprobiert, aber keine Besserung ihrer Symptome erlebt. Eine randomisiert-kontrollierte Studie mit 51 Patienten ergab, dass die besten Erfolgserlebnisse bei einer durch einen persönlichen Ernährungsberater angeleiteten Low-FODMAP-Diät erzielt werden. Den zweiten Platz belegte in der Studie die Begleitung durch spezielle Apps. Es lohnt sich also, die Patienten, die Low-FODMAP bereits selbst erfolglos ausprobiert haben, nach der Art der Anleitung zu fragen, so Dr. Andresen. Eventuell sei dann doch noch mal ein Versuch mit einer professionellen ernährungstherapeutischen Begleitung sinnvoll. 

Medikamentös setzt man beim RDS vom Subtyp Obstipation u.a. auf Linaclotid. In den USA gibt es mit Plecanatid schon seit längerer Zeit einen weiteren Vertreter der Guanylatzyklase-C-Antagonisten, so die Kollegin. 

Cannabinoidrezeptoragonist enttäuscht in Phase-2-Studie

Dessen Wirksamkeit wurde in einer Post-hoc-Analyse mehrerer randomisiert-kontrollierter Studien erneut bestätigt – und zwar in der Subgruppe der Patienten mit schwerer Obstipation. Ob der Wirkstoff auch in Europa zugelassen wird, ist bislang unklar.

Eine weitere Substanz, der Cannabinoid-2-Rezeptoragonist Olorinab, zeigte in einer Phase-2-Studie keine Effekte in Bezug auf abdominelle Schmerzen, berichtete Dr. Andresen. Damit sei derzeit „nichts Vielversprechendes am Horizont“ in Bezug auf die RDS-Therapie.

In den britischen NICE-Guidelines wird beim Reizdarmsyndrom die Gabe eines niedrig dosierten trizyklischen Antidepressivums (z.B. Amitriptylin) empfohlen, wenn Basismaßnahmen wie Ernährungsumstellung, die Gabe von Spasmolytika, Laxanzien oder Antidiarrhoika nicht zum Erfolg geführt haben. Auch in der deutschen Leitlinie wird Amitriptylin empfohlen – allerdings mit Einschränkungen. 

In einer multizentrischen Studie aus Großbritannien hat man die Effektivität von low-dose Amitriptylin im Hausarztsetting mit insgesamt 463 RDS-Patienten untersucht. Darin war das Prüfmedikament im Vergleich zu Placebo signifikant überlegen in Bezug auf die Abnahme des IBS-SSS** nach sechs Monaten sowie im Hinblick auf die Linderung der Reizdarmsymptome. 

Psychotherapie und Mikrobiommodulation als erste Therapiesäule

In den ersten drei Monaten kam es in der Verumgruppe zu mehr Nebenwirkungen. Insbesondere typische anticholinerge Effekte wie Mundtrockenheit, Benommenheit und Obstipation wurden von den Patienten berichtet. Nach einem halben Jahr gab es diesbezüglich jedoch keine Unterschiede mehr zwischen den Gruppen. „Die Studie adressiert eine sehr wichtige Fragestellung, hat eine adäquate Fallzahl und wurde methodisch sehr sorgfältig gemacht“, so Dr. Andresen. Besonders bei refraktären Bauchschmerzen könne man Amitriptylin auf Basis dieser Studie früher und häufiger einsetzen.

Mesalazin nur beim Diarrhö-Typ von Vorteil

Eine mögliche Option beim Diarrhö-Typ des RDS ist Mesalazin. In einer Metaanalyse von acht randomisiert-kontrollierten Studien mit insgesamt 820 Patienten ergab sich ein leichter Vorteil von Mesalazin im Vergleich zu Placebo. Beim Nicht-Diarrhö-RDS oder postinfektiösem RDS waren die Ergebnisse nicht signifikant.


* fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols
** irritable bowel syndrome severity scoring system

Quelle: 32. Gastroenterologie-Update-Seminar
 

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