Beschwerden bei Reizdarm lindern

Dr. Dorothea Ranft

Der Reizdarm zeigt sich meistens anhand von Diarrhö und Obstipation. Der Reizdarm zeigt sich meistens anhand von Diarrhö und Obstipation. © Aldeca Productions – stock.adobe.com

Der Reizdarm verkürzt zwar nicht das Leben, aber er kann Betroffene mächtig quälen. Gefragt ist eine ausreichende, aber nicht ausufernde Diagnostik und eine ehrliche Aufklärung über die Aussichten der Therapie.

Das Colon irritabile ist zwar eher eine Erkrankung jüngerer Frauen zwischen 20 und 40 Jahren, kann sich aber in jedem Alter manifestieren. Und auch Männer bleiben nicht verschont. Etwa 10 % der Patienten entwickeln das Syndrom nach einer akuten gast­rointestinalen Infektion, schreiben Professor Dr. Alexander­ Ford von der Universität Leeds und Kollegen. Entscheidend für die Diagnose ist das Auftreten abdomineller Schmerzen in Verbindung mit einer veränderten Stuhlfrequenz und/oder -konsistenz (s. Kasten).

Rom-IV-Kriterien für den Reizdarm

Rezidivierende Bauchschmerzen in Verbindung mit mindestens zwei der folgenden Symptome:
  • mit der Defäkation assoziierte Beschwerden
  • Veränderung der Stuhlfrequenz
  • Veränderung der Stuhlform
Um die Kriterien zu erfüllen, müssen die Beschwerden seit mindestens sechs Monaten bestehen und in den vergangenen drei Monaten an ≥ 1 Tagen der Woche aufgetreten sein.

Bei vielen Patienten ist das Beschwerdebild nicht konstant

Zahlreiche Differenzialdiagnosen lassen sich schon anhand der Symptomatik ausschließen: Da das Reizdarmsyndrom eine chronisch rezidivierende Erkrankung ist, scheiden Ursachen für akute abdominelle Beschwerden aus. Zudem entwickeln sich die Schmerzen üblicherweise im Unterbauch und verlaufen eher intermittierend als kontinuierlich. Sie sind mit der Defäkation assoziiert, machen sich also meist als Obstipation oder Diarrhö bemerkbar. Die Erkrankung wird zwar anhand der dominierenden Symptome in Subtypen eingeteilt (s. Kasten), aber bei vielen Patienten ist das Beschwerdebild nicht konstant.

Vier Arten der Reizbarkeit

  • Obstipationstyp:
    ≥ 25 % der Entleerungen Form 1 oder 2 (feste Kügelchen, wurstartige Klumpen), < 25 % Typ 6 oder 7 (einzelne weiche Klümpchen bzw. keine festen Bestandteile)
  • Diarrhötyp:
    ≥ 25 % Form 6 oder 7, < 25 % Typ 1 oder 2
  • Gemischter Typ:
    ≥ 25 % Form 1 oder 2, ≥ 25 % Typ 1 oder 2
  • Unklassifizierter Typ:
    Typische Reizdarmsym­ptome, die die Stuhlformen-Kriterien nicht erfüllen.

Quelle: Nach der Bristol-Stuhlformen-Skala

Wenn die Symptome zum Colon irritabile passen, empfehlen die Autoren als nächsten diagnostischen Schritt ein Basislabor mit Blutbild und C-reaktivem Protein bzw. Blutsenkung. Für sinnvoll halten sie auch ein serologisches Screening auf Zöliakie. Denn diese Erkrankung versteckt sich nicht selten hinter Reizdarmbeschwerden – unabhängig vom Defäkationsmuster. Patienten ab 50 Jahre sollten koloskopiert werden. Auch bei Warnsymptomen wie rektalen Blutungen, Eisenmangelanämie und unbeabsichtigtem Gewichtsverlust ist diese Untersuchung indiziert – und zwar unabhängig vom Alter. Im Fall einer Diarrhö plädieren die Verfasser für eine Bestimmung des fäkalen Calprotectins (Hinweis auf eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung) sowie den Ausschluss einer biliären Genese. Bisher konnte für keine der zur Verfügung stehenden Therapien ein Einfluss auf den Langzeitverlauf belegt werden. Umso wichtiger ist es, dem Patienten mit Empathie zu begegnen. Mitunter lassen sich die Beschwerden schon allein dadurch erheblich reduzieren. Die Therapie orientiert sich am vorherrschenden Symptom (Diarrhö bzw. Obstipation). Die Behandlungsaussichten sollten realistisch dargestellt und der Patient in die Entscheidung über die Wahl der am besten geeigneten Option miteinbezogen werden. Erste Daten sprechen für einen günstigen Einfluss vermehrter körperlicher Aktivität. Auch lösliche Ballaststoffe wie Flohsamenschalen haben sich als wirksam erwiesen, Kleie hingegen kann die Beschwerden verschlimmern. Eine Diät, die wenig fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole (FODMAP) enthält, könnte sich ebenfalls günstig auswirken. Wegen der erheblichen Restriktionen ist sie jedoch keine Dauerlösung. Außerdem ist bisher nicht geklärt, ob der Verzicht auf FODMAP besser wirkt als die herkömmliche Empfehlung, regelmäßig kleine Mahlzeiten zu verzehren, auslösende Nahrungsmittel wegzulassen und den Alkohol- und Koffeinkonsum zu reduzieren. Probiotika wurden beim Reizdarm zwar häufig untersucht, aber mit widersprüchlichen Resultaten. Deshalb ist es nach Einschätzung der Autoren noch zu früh für eine Empfehlung. Als medikamentöse Erstlinientherapie werden üblicherweise Antidiarrhoika, Laxanzien und Spasmolytika eingesetzt – trotz der eher bescheidenen Datenlage zum Reizdarm. Auch das krampflösende Pfefferminzöl kann probiert werden. Zu den Zweitlinien-Arzneien zählen trizyklische Antidepressiva. Neben ihrer zentralen neuromodulatorischen Wirkung verlangsamen sie den gastrointestinalen Transit. Sie dürften sich deshalb am besten für das Colon irritabile mit Schmerzen und/oder Diarrhö eignen. Die 5-HT3-Ant­agonisten Alosetron und Ramosetron bremsen ebenfalls den Darmtransport und reduzieren zusätzlich die viszerale Hypersensitivität. Gleiches gilt für den Opioid-Rezeptor-Modulator Eluxadolin und das minimal resorbierte Antibiotikum Rifaximin.

Kognitive Verhaltenstherapie ist immer einen Versuch wert

Linaclotid hingegen beschleunigt die Darmpassage durch eine verstärkte Flüssigkeitssekretion und ist somit eine Option für Patienten mit obstipationsdominantem Reizdarm. Für den 5-HT4-Agonisten konnte ebenfalls ein günstiger Effekt bei chronischer Obstipation gezeigt werden, randomisierte kontrollierte Studien zum Reizdarm stehen noch aus. Einen anderen Ansatz bieten psychologische Verfahren wie die kognitive Verhaltenstherapie. Ihr Vorteil: Sie wirken auch bei Patienten, die nicht auf Medikamente ansprechen.

Quelle: Ford AC et al. Lancet 2020; 396: 1689-1702; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)30469-4

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Der Reizdarm zeigt sich meistens anhand von Diarrhö und Obstipation. Der Reizdarm zeigt sich meistens anhand von Diarrhö und Obstipation. © Aldeca Productions – stock.adobe.com