Diagnose und Therapie beim Reizdarmsyndrom

Dr. Elke Ruchalla

Die gründliche Aufklärung der Patienten ist eine wichtige Säule der Therapie. Die gründliche Aufklärung der Patienten ist eine wichtige Säule der Therapie. © iStock/kirisa99

Genau geklärt ist die Ursache des Reizdarmsyndroms noch nicht. Experten gehen aber davon aus, dass Darmhirn und ZNS nicht so miteinander kommunizieren, wie es in einer guten Zweierbeziehung sein sollte. Kommt es zur Fehlkommunikation, hält der Darm seinen Ärger entweder zurück – oder lässt ihn frei heraus.

Während die einen Reizdarmpatienten unter starker Obstipation leiden, können die anderen ihren Stuhl aufgrund einer Diarrhö kaum kontrollieren. In manchen Fällen wechselt sich beides ab. Nicht zu vergessen die starken Bauchschmerzen, die manche Betroffene unablässig quälen (s. Kasten). Zusätzlich treten Beschwerden auf, die auf den ersten Blick nicht zwangsläufig an ein Reizdarmsyndrom denken lassen, etwa Kopf- oder Regelschmerzen.

Reizdarm erkennen

Für die Diagnose müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
  • rezidivierende abdominelle Schmerzen, mindestens einmal wöchentlich in den vergangenen drei Monaten, die vor mindestens sechs Monaten erstmals aufgetreten sind,
plus mindestens zwei der folgenden Beschwerden:
  • Die Symptome treten in Zusammenhang mit der Darmentleerung auf.
  • Der Stuhlgang ist häufiger oder seltener als sonst. nDer Stuhl sieht anders aus als sonst.

Bevor die finale Diagnose steht, müssen ein paar Alarmzeichen in jedem Fall ausgeschlossen werden, insbesondere um eine mögliche maligne Erkrankung nicht zu übersehen, schreiben Gastroenterologen um Dr. Adam­ D. Farmer­ von den University Hospitals of North Midlands in Stoke-on-Trent. Zu diesen „Red Flags“ gehören:
  • erstmalige Beschwerden nach dem 50. Lebensjahr
  • Gewichtsverlust
  • Blut im Stuhl oder tastbare abdominelle Raumforderung
  • nächtliche Beschwerden
  • vorangegangene Antibiotikatherapie
  • Leukozytose oder erhöhte Konzentrationen von Entzündungsmarkern (CRP) im Blut
  • kolorektale Karzinome in der Familienanamnese
Wichtige Differenzialdiagnosen sind kolorektale Karzinome, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sowie die Clostridioides-difficile-assoziierte Diarrhö. Ebenso können eine Zöliakie bzw. Störungen beim Kohlenhydratabbau oder ein Gallensäureverlustsyndrom die Symptome verursachen.

Rund ein Drittel der Patienten leidet unter Gallensäureverlust

Letzteres ist besonders tückisch, da es sich klinisch nicht von einem Reizdarmsyndrom vom ­Diarrhötyp unterscheiden lässt. Dabei werden in den Darm freigesetzte Gallensäuren nicht im enterohepatischen Kreislauf rückresorbiert, sondern wirken als osmotische Abführmittel. Rund 30 % der Patienten, die die Rom-III-Kriterien eines Reizdarmsyndroms erfüllen, leiden unter einem Gallensäureverlustsyndrom. Besonderes Augenmerk gilt dabei Patienten nach einer Cholezyst­ektomie. Denn bei ihnen können Gallensäurebinder wie Colestyr­amin die Durchfälle in der Regel lindern. Diagnostizieren lässt sich das Gallensäureverlustsyndrom über den direkten Nachweis von Gallensäuren im Stuhl der Betroffenen oder mittels ­nuklearmedizinischer ­Methoden. Zurück zum Reizdarm. Ist dieser erst einmal diagnostiziert, orientiert sich die Therapie an der Klinik – mit Fokus auf einer vertrauensvollen Patientenbeziehung. So lässt sich das Maximum für die Betroffenen herausholen, schreiben die Kollegen. Das bedeutet, die Patienten zunächst ausführlich über ihre Erkrankung aufzuklären: Wann und wie können die Symptome beginnen? Welchen Einfluss haben Lebensumstände, tägliche Gewohnheiten und Stress auf die Beschwerden? Wichtig zu wissen ist auch, dass es im Lauf der Zeit immer wieder zu Besserungen, aber auch zu Rückfällen kommen wird. Die Patienten haben häufig die Sorge, dass es sich dabei um Zeichen eines Fortschreitens der Erkrankung handelt. Diese Bedenken gilt es, zu zerstreuen. Sofern die Red Flags ausgeschlossen wurden, ist auch eine Krebserkrankung sehr unwahrscheinlich. Für viele Patienten kann es sich lohnen, die Ernährung umzustellen. In einer Metaanalyse ging der Verzicht auf FODMAP* binnen kurzer Zeit mit einer niedrigeren Symptomlast einher. Ein Versuch lohnt sich, allerdings am besten in Zusammenarbeit mit einem Diät­spezialisten. Ohnehin raten die Autoren dazu, sich als Gastroenterologe Ernährungsberater und Psychologen mit ins Boot zu holen. Auch die medikamentöse Therapie richtet sich nach den Beschwerden (s. Tabelle). Neben Flohsamenschalen können Probiotika sinnvoll sein. Das Nebenwirkungsrisiko ist äußerst gering.

Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten beim Reizdarm
Überwiegendes SymptomSubstanz(gruppe)Anmerkungen
DiarrhöLoperamid (2–4 mg bis zu 3 x/d)
Eluxadolin (2 x/d je 75–100 mg)kontraindiziert nach Cholezystektomie
ObstipationFlohsamen (Psyllium) (3,5 g/d)
Polyethylenglykol (1–2 x/d je 13,8 g)
Guanylatzyklase-CAgonisten (Linaclotid, Plecanatid)
SchmerzenPfefferminzöl (1 Kapsel mit 0,2 ml, 1–2 x/d)Besserung bei fast der Hälfte der Patienten möglich
Spasmolytika
trizyklische Antidepressiva, z.B. Amitriptylin (10 mg zur Nacht)können Obstipation verschlimmern
selektive Serotonin-Wiederaufnahme- Hemmer, z.B. Citalopram (10 mg 1 x/d)können Diarrhö verschlimmern

Selbsthilfegruppen und/oder psychotherapeutische Maßnahmen sollten die Reizdarmtherapie abrunden. Diese Optionen scheinen besonders für Patienten vorteilhaft, die auf die symptomorientierten Therapien der ersten und zweiten Wahl nicht ansprechen. Interventionen aus der Kognitiven Verhaltenstherapie oder Hypnose helfen einerseits, die direkten Belastungen der Krankheit zu mindern. Auf der anderen Seite lernen Betroffene, mit ungünstigen Lebensumständen und Stress umzugehen, was sich wiederum positiv auf die Symptome auswirken kann.

* Fermentable Oligo-, Di-, Monosaccharides And Polyoles

Quelle: Farmer AD et al. CMAJ 2020; 192: E275–E282; DOI: 10.1503/cmaj.190716

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