
Von Ernährungsumstellung bis Antidepressiva

Voraussetzung für die Diagnose Reizdarmsyndrom (RDS) sind länger als drei Monate anhaltende oder rezidivierende Darmbeschwerden (Bauchschmerz, Blähung etc.), die in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen (Obstipation, Diarrhö) einhergehen. Allerdings gibt es viele Erkrankungen, die sich ganz ähnlich manifestieren.
Besteht die Symptomatik seit weniger als 12–24 Monate, sind insbesondere maligne Ursachen (Kolorektal- bzw. Ovarialkarzinom) auszuschließen. Hinter langjährigen Beschwerden können sich chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (v.a. Morbus Crohn), mikroskopische Kolitis und Zöliakie verbergen. Zur Erstabklärung gehört neben Anamnese (Alarmsymptome) und körperlicher Untersuchung (auch rektal) eine Labordiagnostik auf Zöliakie-Antikörper, Calprotectin und potenziell auslösende Erreger (z.B. Lamblien). Außerdem empfiehlt die unter Federführung von DGVS und DGNM* aktualisierte Leitlinie eine Abdomensonographie und für Frauen die Vorstellung beim Gynäkologen. In der Regel sind zudem die folgenden Untersuchungen nötig:
- Ileokoloskopie
- Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
- ggf. Funktionstests
- ggf. bildgebende Verfahren
Patienten mit typischen Reizdarmbeschwerden ohne Diarrhö dürfen nach negativer Basisdiagnostik probatorisch behandelt werden (max. zwei Monate). Chronische Durchfälle erfordern eine umfassende Abklärung einschließlich Endoskopie mit Stufenbiopsie. Ein Gallensäureverlustsyndrom lässt sich meist ohne spezielle Tests am guten Ansprechen auf Colestyramin erkennen.
Eine niedrige Einstiegsdosis verbessert die Verträglichkeit
Therapeutisch plädieren die Leitlinienautoren bei überwiegend obstipativen Beschwerden für den Einsatz von Ballaststoffen, wobei lösliche Vertreter zu bevorzugen sind. Von Letzteren können auch Kranke mit Beschwerden vom Diarrhötyp profitieren.
Eine niedrige Einstiegsdosis, die behutsam gesteigert wird, erhöht die Verträglichkeit. Eine Ernährung, die wenig fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole (FODMAP) enthält, wird in erster Linie Patienten mit Schmerzen, Blähungen und Diarrhö (s. Kasten) empfohlen. Sie ist auch bei dominierender Obstipation einen Versuch wert, wenn lösliche Ballaststoffe supplementiert werden. Zur Verbesserung des Mikrobioms setzen die Experten auf Probiotika, betonen aber, dass deren Einsatz bei RDS noch immer kontrovers diskutiert wird. Die bisher vorliegenden Daten sprechen aber dafür, dass Probiotika nicht nur die typischen Symptome (z.B. Schmerz, Blähungen, veränderte Stuhlkonsistenz) lindern, sondern auch die Lebensqualität erhöhen.
FODMAP sparen für den Darm
Bei psychischer Komorbidität SSRI oder SNRI erwägen
Gegen das Kardinalsymptom Bauchschmerz empfiehlt die Leitlinie primär Spasmolytika wie Butylscopolaminiumbromid und Pfefferminzöl, wobei Letzteres gleichzeitig entbläht. Das als Koanalgetikum bewährte Amitriptylin kann ebenfalls eingesetzt werden, sofern keine Obstipation vorliegt. Um die Akzeptanz zu erhöhen, sollte man es als Schmerzmodulator anbieten, nicht als Antidepressivum. SSRI und der SNRI Duloxetin können bei Patienten mit psychischer Komorbidität eingesetzt werden. Auch komplementäre Therapieansätze haben sich bewährt: So kann bereits moderate körperliche Aktivität (z.B. fünfmal in der Woche 30 Minuten) die Darmsymptome lindern. Unter den fernöstlichen Optionen setzen die Experten vor allem auf Yoga. Ein Versuch mit Akupunktur und Moxibustion erscheint ihnen ebenfalls als sinnvoll, wobei sie einräumen, dass die echte Nadelung nicht besser wirkt als eine Scheinprozedur.* DGVS: Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, DGNM: Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie & Motilität
Quelle: S3-Leitlinie „Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms“, AWMF-Register-Nr. 021/016, www.awmf.org
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