Wann sollte die lumbale Spinalkanalstenose operativ behandelt werden?

Dr. Angelika Bischoff

Spinalkanalstenosen entstehen bei Älteren vorwiegend als Folge von Spondylarthrose und Hypertrophie der Ligamenta flava. Spinalkanalstenosen entstehen bei Älteren vorwiegend als Folge von Spondylarthrose und Hypertrophie der Ligamenta flava. © Mediengruppe Oberfranken - Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach

Die lumbale Spinalkanalstenose ist der häufigste Grund für operative Eingriffe an der Wirbelsäule von über 60-Jährigen. Die Erfolgsaussichten sind groß, dennoch müssen die Messer nicht sofort gewetzt werden.

Spinalkanalstenosen entstehen bei Älteren vorwiegend als Folge von Spondylarthrose und Hypertrophie der Ligamenta flava. Manchmal tragen auch Spondylolisthesis und Diskusprotrusionen bzw. -vorfälle zu der Einengung bei. Radio­logisch kennzeichnen ein anterior-posteriorer bzw. querer Durchmesser des Spinalkanals von < 10 mm und eine Querschnittsfläche < 70 mm2 eine Stenose.

Relevanter für die Prognose ist jedoch der MRT-Befund. Lässt sich kein Liquorsaum um die Kaudafasern nachweisen, wird eine konservative Therapie mit höherer Wahrscheinlichkeit nicht zum Erfolg führen, schreibt Professor Dr. Stefan Zausinger von der Neurochirurgie am Stachus in München. Das Maximum der Enge liegt in der Mehrzahl der Fälle auf der Höhe von LWK 4/5, bei älteren Patienten häufig auch auf Höhe LWK 3/4.

Die klinische Symptomatik korreliert nicht mit dem radiologischen Schweregrad. Es gibt Menschen mit einer relevanten Stenose, die überhaupt nichts spüren, ebenso wie solche mit starken Symptomen und einem geringen Befund. Typische Symptome sind von lumbal in die Beine ausstrahlende Schmerzen im Gehen und Stehen, die sog. Claudicatio spinalis. Die Schmerzen klingen ab, wenn sich der Patient setzt oder den Körper nach vorne beugt. Eine Hyperlordose verstärkt sie dagegen.

Lasègue-Zeichen bei älteren Betroffenen seltener positiv

Dazu kommen oft Sensibilitätsstörungen durch die Wurzelkompression, in schweren Fällen auch Paresen, meist eine Fußheberschwäche. Ein positives Lasègue-Zeichen und nächtliche Ruheschmerzen finden sich bei älteren Patienten seltener, dafür häufiger Reflexauffälligkeiten.

Die klinische Untersuchung zielt auf die Beweglichkeit der Wirbelsäule, Nervendehnungszeichen, Trendelenburgzeichen, Muskelkraft, Oberflächensensibilität und Muskeleigenreflexe ab. Der Finger-Boden-Abstand ist bei Patienten mit Spinalkanalstenose meist weniger eingeschränkt als bei Patienten mit Bandscheibenvorfall.

Patienten, die in der Akutphase schon bei geringsten Bewegungen Schmerzen haben, hilft Entlastung und Ruhigstellung für wenige Tage. Schon bald sollte aber die Physio­therapie beginnen, um Rücken- und Bauchmuskulatur zu kräftigen, kombiniert mit Entspannungs- bzw. Lockerungsübungen und lokaler Wärmeanwendung.

Medikamentös lassen sich die Beschwerden für begrenzte Zeit durch NSAR in Kombination mit anderen Analgetika wie Paracetamol oder Tramadol lindern. Steht ein neuropathischer Schmerz im Vordergrund, sind Gabapentin und Prega­balin erste Wahl. Bei Fehlhaltung oder paravertebralem Hartspann helfen Myotonolytika wie Diazepam, bei chronifizierten Beschwerden trizyklische Antidepressiva.

Spricht der Patient auf diese Therapie nicht an, kann man eine CT-gesteuerte Wurzel- oder Facetten­gelenkblockade mit Lokalanästhetika oder Steroiden versuchen. Wirken die konservativen Maßnahmen bei starken Beschwerden nicht innerhalb von drei, spätestens sechs Monaten, sollte an eine chirurgische Dekompression gedacht werden. Eine klare Indikation dafür besteht bei progredienten motorischen Defiziten oder einem Kaudasyndrom mit Paraparese, Blasen- und Mastdarmlähmung.

Jeder Zweite profitiert langfristig von der OP

Bei unilateralen Beschwerden nimmt man auf der betroffenen Seite am besten minimalinvasiv eine erweiterte interlaminäre Fensterung mit Flavektomie, Entfernung von Spondylophyten und eventuell eines Diskusprolaps vor und entdacht den stenosierten Recessus lateralis. Über denselben Zugang lässt sich bei Bedarf auch die Gegenseite bearbeiten. Im Falle einer hochgradigen bilateralen symptomatischen Stenose führt die beidseitige interlaminäre Fensterung zu besseren Ergebnissen.

Die Laminektomie kommt nur selten im Rahmen einer umfangreicheren Dekompression zum Einsatz, z.B. bei mehrsegmentalen Stenosen. Besteht präoperativ eine segmentale Instabilität, sollte die Dekompression mit einer segmentalen Fusion kombiniert werden.

Gute oder schlechte postoperative Prognose?

Zu den Prädiktoren, die ein günstiges Ergebnis erwarten lassen, gehören:
  • männliches Geschlecht
  • wenig Komorbiditäten
  • keine Voroperationen an der Wirbelsäule
  • minimalinvasives Vorgehen
  • hochgradige Stenose ohne epidurales Fett und gewundene Kaudafasern
Negative Prädiktoren sind:
  • weibliches Geschlecht
  • Übergewicht
  • degenerative Skoliose
  • kardiovaskuläre Begleiterkankung
  • Depression
  • Angsterkrankung

Lumboischialgie und Gehstrecke verbessern sich bei 60–90 % der Patienten innerhalb der ersten zwei Jahre nach einer Dekompression. Jeder Zweite profitiert auch längerfristig. Einige Faktoren deuten auf ein gutes oder schlechteres Outcome hin (s. Kasten). Ältere Patienten scheinen generell nicht weniger gut abzuschneiden. Die Operation lindert bei ihnen Schmerzen und Alltagsbeeinträchtigung effektiver als die konservative Therapie.

Quelle: Zausinger S. internistische praxis 2020; 63: 103-113 © Mediengruppe Oberfranken - Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Spinalkanalstenosen entstehen bei Älteren vorwiegend als Folge von Spondylarthrose und Hypertrophie der Ligamenta flava. Spinalkanalstenosen entstehen bei Älteren vorwiegend als Folge von Spondylarthrose und Hypertrophie der Ligamenta flava. © Mediengruppe Oberfranken - Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach
Bisegmentale Spinalstenose auf Höhe LWK 2/3 und LWK 3/4. Ursache ist jeweils ein Diskusprolaps. Beide Ligamenta flava sind hypertroph. Bisegmentale Spinalstenose auf Höhe LWK 2/3 und LWK 3/4. Ursache ist jeweils ein Diskusprolaps. Beide Ligamenta flava sind hypertroph. © Mediengruppe Oberfranken - Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach
Ausgeprägte Stenose an den Lendenwirbeln 4/5. Das Ligamentum flavum ist beidseitig stark verdickt. Es liegt eine Diskusprotusion vor. Der Duralsack ist eingequetscht. Ausgeprägte Stenose an den Lendenwirbeln 4/5. Das Ligamentum flavum ist beidseitig stark verdickt. Es liegt eine Diskusprotusion vor. Der Duralsack ist eingequetscht. © Mediengruppe Oberfranken - Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach