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Warum die Rate der unter 50-Jährigen steigt und weiter zunehmen wird

Die Krebsinzidenz bei Menschen unter 50 Jahren stieg einer aktuellen Analyse zufolge seit 1990 weltweit um knapp 80 %. Dies betrifft insbesondere Malignome des Gastrointestinaltraktes und solche, die sich mit Übergewicht in Verbindung bringen lassen, verdeutlichte Prof. Dr. Dr. Shuji Ogino, Harvard Medical School, Boston. Er erinnerte jedoch daran, dass auch andere chronische Erkrankungen sowie Krebsfälle im Alter zunehmen: „Das ist nur die Spitze des Eisbergs.“
Beim Kolorektalkarzinom besteht das scheinbare Paradoxon, dass die Inzidenz insgesamt seit den 1950ern stieg, aber mittlerweile stagniert. In der Gruppe der jungen Betroffenen zeigt sich die Zunahme hingegen erst seit den Neunzigern. „Warum haben wir diese 40 Jahre Verzögerung?“, warf der Experte auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten sich Lebensstil, Ernährung und Umgebung sukzessive geändert. Er nimmt an, dass dieselben Einflussfaktoren, die für den Anstieg unter den Erwachsenen verantwortlich waren, bei damals geborenen Kindern erst Jahrzehnte später zu Krebs führten.
Der Referent plädierte vor diesem Hintergrund, dass es nicht ausreicht, Daten im Erwachsenenalter zu erheben. Erhöht beispielsweise tatsächlich Übergewicht das CRC-Risiko, oder begünstigen Einflüsse im Kindesalter beides gleichermaßen? Von der Antwort hänge etwa ab, inwiefern neue Medikamente zur Gewichtsreduktion einen tumorpräventiven Effekt ausüben können. Um solche Fragen zu klären, seien große und langfristig angelegte Studien mit Kinderkohorten oder zumindest jungen, krebsfreien Personen nötig. Dies erfordere allerdings eine enge Zusammenarbeit mit Pädiater:innen und ließe sich nur schwer finanzieren.
Auch Ansätze der molekularpathologischen Epidemiologie können Hinweise auf den Zusammenhang zwischen Langzeitexpositionen und Tumorentstehung sowie -eigenschaften liefern. So konnten Forschende beispielsweise immunsupprimierte CRC mit einer proinflammatorischen Ernährung in Verbindung bringen, oder LINE1-hypomethylierte Tumoren mit niedrigem Folat und übermäßigem Alkoholkonsum.
Gene, Umwelt und Prävention
Letztendlich besteht aber immer ein Zusammenspiel zwischen Genen und Umwelt. In Analysen standen polygene Merkmale wie die Insulin-Signaltransduktion im Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit, ein frühes CRC zu entwickeln. Ein polygenischer Risikoscore scheint sich wiederum bei ungesundem Lebensstil stärker auszuwirken. Prof. Ogino hält dies für eine gute Nachricht: „Wir können eventuell Präzisionsprävention anbieten oder Lebensstilempfehlungen auf Basis genetischer Faktoren geben.“
Zusammenfassend betonte der Experte, dass die Langzeitexposition gegenüber Risikofaktoren früh beginnt. Der jetzige Anstieg der Krebsinzidenzen unter verhältnismäßig jungen Erwachsenen sei das Resultat von Jahrzehnten. „In der Zukunft werden viele chronische Erkrankungen weiter zunehmen, wenn wir keine guten Präventionsmaßnahmen durchführen“, warnte der Kollege. Neben der notwendigen Forschung müssten Ärzt:innen sowohl Eltern als auch Kinder zu einem gesunden Lebensstil animieren.
Quelle:
Ogino S. ESMO Congress 2024; Keynote Lecture „The emerging global epidemic of young age- onset cancer: Nature or nurture?“
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