Was Adenome der Hypophyse im Körper bewirken können

Josef Gulden

Je nach Ursprungszelle können Adenome der Hypophyse unterschiedliche Hormone freisetzen. Je nach Ursprungszelle können Adenome der Hypophyse unterschiedliche Hormone freisetzen. © iStock/7activestudio

Tumoren der Hypophyse sind zwar weitestgehend gutartig. Ihre Auswirkungen können aber sehr vielfältig sein. Die Natur der Störungen hängt dabei von der Ursprungszelle des Adenoms ab. Eine komplette Resektion ist aufgrund der komplexen anatomischen Verhältnisse nicht immer realisierbar.

Hypophysenadenome entstehen aus einer differenzierten, Hormone sezernierenden Zelle. Eine weitere Möglichkeit ist der Ursprung aus einer „Null“-Zelle, die keine spezifischen phänotypischen Marker aufweist. Unter den sym­ptomatischen Adenomen lassen sich vor allem vier Typen unterscheiden, schreibt Professor Dr. Shlomo ­Melmed, Cedars-Sinai Medical Center, Los Angeles, in einer Übersichtsarbeit.

Akromegalie

Tumoren, die Wachstumshormon sezernieren, imponieren klinisch vor allem durch Akromegalie und in seltenen Fällen Gigantismus. Sie stehen für 8–15 % aller Hypophysentumoren. Umgekehrt wird bei etwa 70 % aller Patienten mit Akromegalie bei Diagnose ein invasives Makro­adenom gefunden. Das Wachstumshormon stimuliert in der Leber die Produktion von insulinartigem Wachstumsfaktor 1 (IGF 1).

Die Diagnose erfordert einen oralen Glukosetoleranztest, bei dem bei Gabe von 75 g Glukose sowie 30 und 60 Minuten danach mit einem ultrasensitiven Test die Somatotropintiter bestimmt werden. Bei Werten von über 0,4 µg/l wird eine weitere Evaluierung empfohlen. Das Mortalitätsrisiko ist bei Betroffenen mit Akromegalie erhöht, Todesursachen sind meist kardiovaskulärer, respiratorischer, zerebrovaskulärer und wohl auch onkologischer Natur.

Die Therapie der hypophysär bedingten Akromegalie besteht in der möglichst vollständigen ablativen Behandlung des Tumors. Darüber hinaus erfolgt nötigenfalls die Suppression von Wachstumshormon- und IGF-1-Hypersekretion sowie die Verhinderung von Begleiterkrankungen bei gleichzeitiger Erhaltung der Hypophysenfunktion. Meta­analysen zufolge gelingt das bei etwa 73 % aller Mikro- und 61 % aller Makroadenome. Makroadenome, die invasiv in den Sinus cavernosus einwachsen, sezernieren auch nach der Operation weiter Hormon; mit Radiochirurgie lässt sich bei rund sechs von zehn Patienten eine biochemische Remission erzielen.

Medikamentös kann man eine leichte Überproduktion von Wachstumshormon bei mehr als der Hälfte der Betroffenen durch Somatostatin-Analoga in dosisabhängiger Weise kontrollieren. Bei einigen resistenten Patienten normalisiert der Dopamin­agonist Cabergolin die IGF-1-Konzentrationen. Bei fast zwei von drei solchen Patienten war auch Pegvisomant wirksam. Dies ist ein Antagonist des Wachstumshormon-Rezeptors, der außerdem bei Hyperglykämie die Insulinsensitivität erhöht.

Prolaktinome

Prolaktinproduzierende Adenome sind mit 30–60 %, bei Frauen mit bis zu 75 % die häufigsten Tumoren der Hypophyse. Diagnostiziert werden sie durch den Nachweis erhöhten Prolaktins im Serum (Normwerte < 20 ng/ml). Werte über 250 ng/ml sprechen für ein Makroprolaktinom, die Serumkonzentrationen korrelieren üblicherweise mit der Tumormasse. Sehr selten und vor allem bei Männern treten Tumoren von mehr als 10 mm Durchmesser bei Prolaktin-Serumtitern von über 1000 ng/ml auf.

Im Übrigen können die Prolaktinwerte auch bei rund 30 % der Patienten mit Akromegalie erhöht sein. Dieser sollte daher bei allen Personen mit einer Raumforderung in der Sella turcica bestimmt werden. Umgekehrt sollte eine Hyperprolaktinämie, die nicht durch Schwangerschaft oder Einnahme von Neuroleptika erklärbar ist, eine entsprechende Bildgebung nach sich ziehen. Führt eine Behandlung mit Dopaminagonisten zu keiner Verkleinerung des Tumors, kann das für eine nicht-sezernierende Raumforderung sprechen, die auf den Hypophysenstiel drückt und die Zufuhr von inhibitorischem Dopamin aus dem Hypothalamus behindert, so Prof. Melmed.

Das kontinuierlich erhöhte Prolaktin supprimiert die Gonadotropinproduktion und kann bei Frauen zu Amenorrhö, Oligomenorrhö oder einer verkürzten Lutealphase führen, die in Infertilität resultieren. Bei Männern bedingt es eine erniedrigte Libido, Impotenz, Oligo- oder Azoospermie. Etwa die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer leiden an Galaktorrhö und bei beiden Geschlechtern wird die Knochendichte reduziert. Oft geht dies einher mit einem Mangel an Sexualsteroiden und einem erhöhten Risiko für Wirbelfrakturen.

Eine Therapie sollte:

  • die Prolaktintiter normalisieren,
  • die sexuelle Funktion und Fruchtbarkeit wiederherstellen,
  • eine Galaktorrhö stoppen und n den Hypophysentumor eliminieren oder reduzieren.

Dabei sollte die Hypophysenfunktion erhalten bleiben. Idealerweise wird das durch Gabe von Dopaminagonisten erreicht. Aufgrund seiner günstigen Pharmakokinetik wird meist Cabergolin eingesetzt. In einer Dosierung von 0,5–1 mg ein- oder zweimal pro Woche reduzierte dies in einer Studie das Prolaktin bei mehr als 80 % aller Patientinnen und konnte die ovulatorischen Zyklen und die Fertilität wiederherstellen. Auch bei Makroprolaktinomen war es noch in rund zwei Drittel aller Fälle wirksam. Etwa 15 % aller Betroffenen sprechen jedoch nicht an und 20 % der Responder erleiden nach Ausschleichen der Medikation ein Rezidiv, erläutert der Experte.

Die gute Wirksamkeit der medikamentösen Therapie hat die chirurgische Behandlung zumindest für die Erstlinie in den Hintergrund gedrängt – abgesehen von Notsitua­tionen, wenn etwa in der Schwangerschaft der Tumor auf die Sehnerven drückt und Cabergolin nicht gegeben werden kann. Mikroprolaktinome lassen sich durch transsphenoidale Resektion in mehr als zwei Drittel der Fälle, in sehr erfahrenen Händen in bis zu 90 %, dauerhaft in Remission bringen.

Bei Makroprolaktinomen liegt die Rezidivrate bei 50 %; bei invasiven, gegen Dopaminagonisten resistenten Tumoren können weitere Operationen und die fortgesetzte Behandlung mit hoch dosiertem Cabergolin indiziert sein. Eine Strahlentherapie sollte für Erkrankungen reserviert werden, die gegen alle anderen Therapiemodalitäten refraktär sind, betont der Autor.

Hyperthyreose

Thyreotropinsezernierende Hypophysenadenome sind sehr selten (< 1 %) und resultieren klinisch in einer Hyperthyreose. Diagnostisch sind hier normale oder erhöhte T4-Werte bei messbarem Thyreotropin im Serum. Zur biochemischen Kontrolle sind die Resektion und eine adjuvante Therapie erforderlich.

Cushing-Syndrom

Corticotropinproduzierende Tumoren machen bis zu 15 % aller Hypophysenadenome aus. Sie sind normalerweise eher klein (etwa 6 mm Durchmesser) und bei Frauen fünf- bis zehnmal häufiger als bei Männern. Sie imponieren klinisch durch Hypercortisolämie und sind ursächlich für etwa 70 % aller Fälle von Cushing-Syndrom. Die Störung kann indolent verlaufen oder klinisch durch die typische Cushing-Symptomatik auffallen; die Mortalität – vor allem durch kardiovaskuläre Erkrankungen – ist erhöht. Mehrere Testmethoden stehen zur Verfügung, darunter die Messung von erhöhtem freiem Cortisol im 24-Stunden-Urin bzw. im Speichel um Mitternacht. Beim Dexamethasontest nimmt der Patient abends 1 mg Dexamethason ein. Wenn der Cortisoltiter morgens nicht unter 1,8 µg/dl liegt, ist von einem corticotropinsezernierenden Tumor auszugehen. Die Messung von Corticotropin im Serum gestattet eine Differenzierung zwischen einem Nebennierenadenom (niedrige Werte) und einem Hypophysentumor (hohe Werte), während exzessiv hohe Werte für eine ektope Corticotropinquelle sprechen. Therapie der Wahl ist die transsphenoidale Resektion mit Remissionsraten von ungefähr 75 % und Rezidiven bei rund 10 % der Patienten. Bestrahlung ist eine weitere Option, die aber erst nach mehreren Jahren wirkt und bei etwa 30 % der Patienten zum Rezidiv führt. Die Entfernung der Nebennieren lässt die Hypercortisolämie natürlich sofort verschwinden, macht aber eine lebenslange Hormonsubstitution erforderlich. Auch auf die Hypophyse zielende Medikamente stehen zur Verfügung: Cabergolin kontrolliert den Hypercortisolismus bei etwa 30 % der Betroffenen, aber nicht immer langfristig, während Pasireotid bei 40 % der Patienten mit leichterer Erkrankung wirkt. In diesem Fall müsse häufig die Entwicklung einer Hyperglykämie in Kauf genommen werden.

Quelle: Melmed S. N Engl J Med 2020; 382: 937-950; DOI: 10.1056/NEJMra1810772

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