
Welche Präventionsmaßnahmen sind bei Senioren sinnvoll?

Früherkennung hat natürlich in jedem Alter große Bedeutung. Aber ein Malignom eher zu entdecken, heißt nicht unbedingt, dass sich für den Patienten die Prognose bessert. „Es kann auch bedeuten, dass man ohne Chance auf eine erfolgreiche Behandlung mehr Lebenszeit mit der Diagnose verbringt“, mahnte Privatdozentin Dr. Anne Letsch von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie der Charité in Berlin. Das schränkt vielfach die Lebensqualität der Patienten erheblich ein.
Koloskopie verhindert ab 65 Jahre kaum Sterbefälle
Mit Ausnahme des Mammographie-Screenings, das mit dem 69. Lebensjahr endet, gibt es bei den Vorsorgeprogrammen in Deutschland keine Altersbegrenzung nach oben. Tatsächlich nutzen Senioren das Angebot: 78 % der Frauen und 72 % der Männer über 65 Jahre nehmen die Untersuchungen noch wahr. Über den Sinn mancher Maßnahme lässt sich aber diskutieren.
Eine Studie an über 65-Jährigen zum Thema Koloskopie zeigte etwa, dass Spiegelungen, die alle fünf Jahre durchgeführt wurden und an die sich die entsprechende Therapie anschloss, nur 0,6 Sterbefälle auf 1000 Patienten verhindern konnten. Jenseits der 85. Lebensjahres waren es nur noch 0,3. Es kam zu 2,4 zusätzlichen Komplikationen, zudem war die Lebensqualität der Untersuchten beeinträchtigt. Auch wenn zur Früherkennung anderer Erkrankungen nur wenige Daten vorliegen, riet Dr. Letsch dazu, das Screening im Alter mit Augenmaß anzusetzen und subgruppenspezifisch nach definierten prädiktiven Faktoren durchzuführen.
Für Impfungen von Betagteren gibt es recht klare Empfehlungen. Neben den Auffrischungen gegen Tetanus, Diphtherie und Co. sollte man die Influenza nicht vergessen. Obwohl diese Vakzine im Vergleich zu anderen mit einer 60–80%igen Immunität deutlich weniger effektiv ist, ist sie von großer Bedeutung. Aus dem Robert Koch-Institut heißt es sogar, dass sich mit keiner anderen Impfung mehr Leben retten lassen, berichtete Professor Dr. Thomas Weinke, Klinik für Gastroenterologie und Infektiologie am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam. Empfohlen wird sie für alle über 60 Jahre und für Jüngere mit Komorbiditäten.
Die präventive Maßnahme zielt nicht nur darauf ab, die Grippe zu verhindern, sondern auch einer systemischen Inflammation im Zuge der Infektion vorzubeugen, die die kardiovaskuläre Morbidität steigert. So besteht vor allem in den ersten 30 Tagen eine signifikante Assoziation zwischen der Influenza und einem Myokardinfarkt. Die Impfung bietet einer Studie zufolge mehr Schutz vor dem Herzinfarkt als Statine, Rauchstopp oder Antihypertensiva.
Auf Nebenwirkungen der Zostervakzine hinweisen
Die Zosterimpfung im Alter bekommt vom Experten ebenfalls ein klares „Ja“. Denn obwohl sich die Gürtelrose gut behandeln lässt, droht 10–20 % der Betroffenen die postzosterische Neuralgie. Man muss allerdings auf die Nebenwirkungen hinweisen, betonte der Referent. Schmerzen, Rötungen und Schwellungen an der Einstichstelle zählen ebenso dazu wie systemische Myalgien, Kopfschmerzen oder Fieber. „Nur wenn unsere Patienten das wissen, haben wir die Chance, sie zur nötigen zweiten Dosis zu motivieren.“ Da ein wieder aufflackernder Zoster nicht selten ist, lohnt die Vakzinierung übrigens auch nach durchgemachtem ersten Ausbruch. Es sollten aber etwa sechs Monate vergehen, bis das Immunsystem sich erholt hat.
Auch die Impfung gegen Pneumokokken sollte den Senioren dringend ans Herz gelegt werden. Denn die ambulant erworbene Pneumonie hat enorme Bedeutung, mahnte Professor Dr. Norbert Suttorp von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie an der Charité. Jedes Jahr erkranken in Deutschland 740 000 Menschen daran, ein knappes Drittel muss deshalb ins Krankenhaus. Die Gefahr steigt mit jeder Lebensdekade erheblich an. Und es gibt eine Reihe weiterer bedrohlicher Fakten zu dieser Erkrankung. Aber laut Prof. Suttorp hat diese Impfung ein echtes Imageproblem: „Oft heißt es: Ist doch nur ‘ne Lungenentzündung ...“
Viele Erreger können eine ambulant erworbene Pneumonie auslösen, am häufigsten steckt aber Streptococcus pneumoniae dahinter. Die Empfänglichkeit für den Erreger steigt, wenn keine Immunität gegen Influenza besteht, warnte Prof. Suttorp. Die Pneumokokkenimpfung wird ab dem 60. Lebensjahr empfohlen. Die Leitlinie favorisiert das Serum gegen die 13 häufigsten Serovaren, die Ständige Impfkommission (STIKO) das gegen 23. Laut Prof. Suttorp wirkt Letzteres aber nicht so gut und schützt vor allem nicht vor einer Bakteriämie. Dennoch wird es bevorzugt benutzt, weil sich die gesetzlichen Krankenkassen an der STIKO orientieren.
Gefährliche Volkskrankheit
Statine wirken bei über 70-Jährigen besonders gut
Mit der kardiovaskulären Prävention beschäftigte sich Professor Dr. Ursula Müller-Werdan, Klinik für Geriatrie und Altersmedizin der Charité. Gerade bei Älteren sollte man an den Zusammenhang mit der Hirnleistung denken. „Herzerkrankungen wie Insuffizienz oder Vorhofflimmern gelten heute als unabhängige Risikofaktoren für kognitive Störungen“, warnte die Kollegin. Inzwischen gibt es viel Evidenz für die Effizienz verschiedener vorbeugender Interventionen bei Senioren. Erster Punkt: die LDL-Senkung mit Statinen. Die Substanzen wirken bei über 70-Jährigen besonders gut. Zurückhaltung ist lediglich bei Marasmus, Neigung zur Dehydratation und extremer Sarkopenie geboten. Außerdem riet die Expertin zum Absetzen, wenn die Lebenserwartung unter drei Jahren liegt. Den Stopp empfehlen Fachleute zudem bei einer Creatinkinase-Erhöhung auf das Zehnfache der oberen Norm, den generellen Verzicht bei wiederholten Anstiegen auf mehr als das Dreifache außer in instabilen koronaren Situationen. Eine Hypertonie muss auch bei Älteren behandelt werden. Die Zielwerte lauten wie beim jüngeren Menschen 130–139/70–79 mmHg. Für Oldies ebenso wichtig: die Antikoagulation bei Vorhofflimmern und begleitenden Risikofaktoren.Quelle: 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).