Bei geriatrischen Lungenpatienten auf gesunden Pragmatismus setzen

Manuela Arand

Viele Senioren haben Angst, als nicht mehr zur Selbstversorgung fähig eingestuft zu werden. Viele Senioren haben Angst, als nicht mehr zur Selbstversorgung fähig eingestuft zu werden. © Mediteraneo – stock.adobe.com

Die Lungenfunktionsdiagnostik scheitert bei geriatrischen Patienten oft daran, dass sie nicht richtig mitmachen können oder wollen. Medizinische Basics sind dann mehr gefragt als Leitlinientreue.

Erst einmal gilt es herauszufinden, ob und welche Symptome bei dem alten Patienten vorliegen, hat er eine Belastungsintoleranz, Atemnot oder Husten? „Die Fremdanamnese ist bei älteren Menschen ganz wichtig“, betonte Privatdozent Dr. Helmut Frohnhofen vom Alfried Krupp Krankenhaus Essen. Nicht allein kognitive Probleme machen die Eigenanamnese mitunter schwierig. Oft bagatellisieren die Senioren gesundheitliche Probleme, weil sie Angst haben, als nicht mehr zur Selbstversorgung fähig eingestuft und im Pflegeheim untergebracht zu werden.

Manch ein Patient setzt sich rabiat zur Wehr

Die körperliche Untersuchung besitzt ebenfalls hohen Stellenwert, aber auch sie gelingt nicht immer. Vor allem Patienten mit Hirnleistungsstörungen setzen sich manchmal rabiat zur Wehr. Labor, Bildgebung oder Blutgasanalyse funktionieren meist ohne Mitarbeit der Kranken, Lungenfunktionsprüfung und Belastungstests sicher nicht. „Wir können als Altersmediziner viel von den Pädiatern lernen, die haben ähnliche Probleme“, sagte der Kollege.

Als häufige Alterskrankheit findet sich bei etwa jedem fünften geriatrischen Patienten eine COPD, die symptomatisch wird, wenn noxengeschädigtes Organ auf altersentsprechenden Funktionsverlust trifft. An eigenen Patienten hat Dr. Frohn­hofen festgestellt, dass die klassischen AHA-Symptome Atemnot, Husten und Auswurf wenig taugen, um Patienten zu identifizieren. Der negative prädiktive Wert ist aber mit fast 90 % gut genug, um sagen zu können: Wenn einer weder hustet noch über Luftnot klagt, wird er mit ziemlicher Sicherheit keine obstruktive Ventilationsstörung haben.

Dyspnoe mit Valsalva differenzieren

Berichtet ein alter Patient über Atemnot, hilft das Valsalva-Manöver dabei, zwischen kardialer und pulmonaler Ursache zu unterscheiden. Normalerweise fällt der Blutdruck durch das Manöver, bei Patienten mit Herzinsuffizienz steigt er dagegen und bleibt hoch. „Das ist ein simpler, extrem zuverlässiger Test, der sehr gut mit kardialer Diagnostik und BNP korreliert“, so Dr. Frohnhofen. Voraussetzung ist natürlich, dass der Patient pressen kann.

Den Kranken Fünfecke nachzeichnen lassen

„Die COPD im Alter positiv zu diagnostizieren, ist schwierig – da ist es manchmal günstiger, einen probatorischen Therapieversuch zu initiieren und zu beobachten, wie sich der Patient entwickelt“, riet Dr. Frohn-hofen. „Gerade in der Altersmedizin ist der Verlauf ein sehr wichtiges Dia­gnostikum.“ Um herauszufinden, wie gut es mit der pneumologischen Standarddiagnostik bei geriatrischen Patienten klappt, analysierte der Kollege retrospektiv die Daten von 1100 konsekutiven Patienten seiner Klinik. In fast der Hälfte der Fälle war keine Spirometrie möglich (47 %). Die betraf vor allem gebrechliche Patienten, jene mit Herzinsuffizienz oder Demenz. Ob ein Patient für die Spirometrie geeignet ist, hängt in hohem Maße von seiner Hirnleistungsfähigkeit ab. In einer britischen Studie an knapp 270 geriatrischen Patienten (Durchschnittsalter 79 Jahre) schaffte es von denen mit einem Mini Mental Score unter 20 Punkten kein einziger. Ein einfacher Test, um die kognitiven Fähigkeiten abzuschätzen: Den Patienten von einer Vorlage zwei überlappende Fünfecke abzeichnen lassen. Schafft er das nicht, brauchen Sie ihn nicht zur Lungenfunktion zu schicken, so Dr. Frohnhofer. „Man kann sich und den Mitarbeitern viel Arbeit ersparen, wenn man im Vorfeld solche einfachen Tests durchführt.“ Ist keine Spirometrie möglich, bietet die Messung des Atemwegswiderstands eine geeignete Alternative. Ein erhöhter Wert weist auf eine Obstruktion hin.

Ohne Lufu werden mehr orale Steroide verordnet

Trotz dieser Widrigkeiten sollte man auch bei geriatrischen Patienten eine saubere Diagnostik anstreben. Sonst drohen Fehl- und Überbehandlung. So erhalten geriatrische COPD-Patienten ohne Lungenfunktionsprüfung wesentlich mehr orale Stero­ide – mit allen negativen Konsequenzen.

Quelle: 60. Kongress der DGP*

* Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin

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