Wenn beim Sex der Schädel dröhnt

Dr. Alexandra Juchems

Primärer Kopfschmerz anamnestisch nicht von akuter Gefahr zu unterscheiden. Primärer Kopfschmerz anamnestisch nicht von akuter Gefahr zu unterscheiden. © fotolia/Andrey Popov

Kopfschmerz beim Husten, beim Geschlechtsverkehr oder auch im Schlaf sind zwar eher Raritäten. Doch Vorsicht: Es können gravierende Erkrankungen dahinter stecken! Nicht weniger knifflig wird es, wenn sich als Ursache ein primärer Kopfschmerz findet. Denn die Therapieoptionen sind meistens off-label.

Außer den drei weitgehend bekannten primären Kopfschmerzformen "Migräne", "Spannungskopfschmerz" und "trigenino-autonome Kopfschmerzen" definiert die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (International Headache Society, IHS) noch weitere – seltene – Kopfschmerzarten, bei denen eine primäre Genese weitgehend als gesichert gilt. Klinisch sind sie aber oft nicht von sekundären Kopfschmerzen zu unterscheiden. Daher ist beim Erstauftreten stets eine erweiterte Diagnostik zwingend, um eine sekundäre Genese der Symptomatik auszuschließen, mahnen Dr. Jan Hoffmann und Professor Dr. Arne May vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Bei plötzlich auftretendem Kopfschmerz unbedingt zur CT

Das gilt besonders für drei der seltenen Kopfschmerzarten, die sich als belastungsbedingt zusammenfassen lassen. Auslöser sind entweder Husten (durch kurze intrathorakale Drucksteigerungen), längere körperliche Anstrengung oder aber sexuelle Aktivität, berichten die beiden Neurowissenschaftler. Wegen ihres plötzlichen Auftretens sind diese Kopfschmerzformen anamnestisch nicht von einer Subarachnoidalblutung (SAB), einer arteriellen Dissektion oder einem reversiblen Vasokonstriktionssyndrom zu unterscheiden. Zum Ausschluss muss daher unbedingt eine CT und eventuell eine Liquordiagnostik erfolgen.

Welche Medikation eventuell helfen kann

  • Kopfschmerz bei körperlicher Anstrengung: Indometacin, prophylaktisch Metoprolol, Propranololn
  • Kopfschmerz bei sexueller Aktivität: Prophylaxe mit Propranolol, Flunarizin, Indometacin, Triptan als Kurzzeitprophylaxe kurz vor dem Sex
  • Primärer Donnerschlagkopfschmerz: NSAR, Nimodipin
  • Primär stechender Kopfschmerz: Indometacin, evtl. Prophylaxe mit Gabapentin, Nifedipin, Melatonin oder Celecoxib
  • Hustenkopfschmerz: Indometacin
  • Münzkopfschmerz: Gabapentin, Botulinumtoxin A
  • Primär schlafgebundener Kopfschmerz: Lithium, Koffein, Melatonin, Flunarizin sowie bei unilateralen Schmerzen Indometacin
  • Neu aufgetretener, täglich persistierender Kopfschmerz (NDPH): Gabapentin, Topiramat, Valproat, Amitriptylin sowie Prednisolon zur Kurzzeitprophylaxe
Das gilt umso mehr auch beim primären Donnerschlagkopfschmerz, der ebenso abrupt einsetzt wie der Schmerz bei einer SAB, bei dem aber keinerlei Auslöser bekannt ist. Er hat seine maximale Intensität nach ca. einer Minute und hält bis zu fünf Minuten an.

Belastungsabhängiges Leiden kann stundenlang anhalten

Alle drei Formen der belastungsabhängigen primären Kopfschmerzen haben gemeinsam, dass sie bilateral auftreten und evtl. mehrere Stunden andauern. Der Husten-Kopfschmerz kann von vegetativen Symptomen wie Übelkeit oder Schwindel begleitet sein. Der Kopfschmerz durch körperliche Anstrengung weist oft einen pulsierenden Charakter auf, was auf eine vaskuläre Genese hinweisen könnte. Der Kopfschmerz beim Sex ist meist okzipital lokalisiert und wird mit dem Erregungsgrad immer intensiver. Er kann auch explosionsartig beim Orgasmus auftreten.

Primäre Kopfschmerzen, die durch andere äußere Faktoren wie Kältereiz (Speiseeis, kalte Getränke, kalte Luft) oder externen Druck (Stirnband, Motorradhelm) ausgelöst werden, bilden sich schon innerhalb von Minuten bis maximal einer Stunde zurück. Die Therapie beschränkt sich darauf, die betreffenden Trigger zu vermeiden. Der primär stechende Kopfschmerz (früher auch Ice-Pick-Headache oder needle-in-the-eye syndrome genannt) tritt manchmal in Serien von jeweils einige Sekunden dauernden Episoden auf. Er betrifft meist verschiedene Areale und kann auch die Seiten wechseln. Differenzialdiagnostisch ist vor allem das SUNCT*-Syndrom abzugrenzen, welches mit trigeminoautonomen Begleitsymptomen einhergeht, aber auch eine Trigeminusneuralgie.
Meist parietal lokalisiert ist der Münzkopfschmerz (Nummular Headache), der sich auf ein umschriebenes elliptisches Areal begrenzt und in der Regel eine leichte bis mittlere Intensität aufweist. Dieser Kopfschmerz kann zwischen einer Minute und einem Tag anhalten.

Der primär schlafgebundene Kopfschmerz (Hypnic Headache)führt aus dem Schlaf heraus zum Erwachen und dauert zwischen 15 Minuten und vier Stunden. Ein Dia­gnosekriterium ist, dass sich der Schmerz über ein Vierteljahr hinweg monatlich mindestens zehnmal bemerkbar macht. Aufgrund des zirkadianen Auftretens kann er leicht mit einer Migräne oder einem Clusterkopfschmerz verwechselt werden.

Migräneähnlich ist auch der neu aufgetretene, täglich persistierende Kopfschmerz (new daily persistent headache, NDPH). Die Patienten können meist genau angeben, an welchem Tag die anhaltenden und pulsierenden, schwach- bis mittelstarken Schmerzen begonnen haben. Für die Diagnose dieser i.d.R. bilateralen Schmerzen wird eine Mindestdauer der Beschwerden von drei Monaten gefordert. Ausgeschlossen werden sollten eine spontane intrakranielle Hypotension und eine Sinusvenenthrombose.

Behandlung off-label, aber wirkungsvoll

Eines haben die seltenen primären Kopfschmerzformen gemeinsam, erklären die Autoren. Zur Therapie gibt es keine randomisierten placebokontrollierten Studien, sondern i.d.R. lediglich Einzelfallberichte. Daher seien auch alle von ihnen genannten Medikationen off-label (siehe Kasten). Aber trotz der schwachen Datenlage zeige die Praxis, dass die Patienten enorm von diesen Behandlungen profitieren.

* severe unilateral neuralgiform headache with conjunctical injection and tearing

Quelle: Hoffmann J , May A. InFo Neurologie & Psychiatrie 2016; 18: 32-37

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Primärer Kopfschmerz anamnestisch nicht von akuter Gefahr zu unterscheiden. Primärer Kopfschmerz anamnestisch nicht von akuter Gefahr zu unterscheiden. © fotolia/Andrey Popov