
Wenn der Behçet ins Auge geht

Orale Aphthen, genitale Ulzerationen und intraokuläre Entzündungen sind die Kennzeichen des Morbus Behçet. Hinzu kommen Hautläsionen, vaskuläre und neurologische Manifestationen. Hintergrund der chronisch-rezidivierenden Multisystemerkrankung ist eine Kleingefäßvaskulitis, schreiben Dr. Sanaz Farrokhi und Professor Dr. Nicole Stübiger, beide von der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Die Ursache der Erkrankung ist unklar. Vermutlich lösen genetische Faktoren oder Infektionen eine autoimmune oder autoinflammatorische Reaktion aus. Betroffen sind vor allem Männer im dritten Lebensjahrzehnt. Die an sich seltene Erkrankung ist besonders entlang der historischen Seidenstraße verbreitet. Für Deutschland wird ihre Prävalenz bei deutschstämmigen Personen auf 0,4 pro 100.000 Einwohner geschätzt, bei türkischstämmigen auf 77,4 pro 100.000.
Etwa 60 % der Behçet-Patienten weisen eine Beteiligung der Augen auf, wobei sich die entzündlichen Veränderungen in der Regel innerhalb der ersten fünf Krankheitsjahre zeigen. Initial ist meist ein Auge betroffen, in bis zu 80 % der Fälle erkrankt auch das zweite. Der Verlauf ist chronisch und rezidivierend, unbehandelt droht Erblindung.
Im Verlauf meist posteriore Uveitis oder Panuveitis
Im akuten Schub zeigt sich am vorderen Augenabschnitt ein intraokularer Zellreiz mit nicht-granulomatösen Rückflächenbeschlägen am Hornhautendothel, manchmal auch ein Hypopyon. Im Verlauf typisch ist die Beteiligung des hinteren Augenabschnitts mit okklusiver retinaler Vaskulitis. Jeder Uveitisschub verläuft mit einer dichten Glaskörperinfiltration und kann feine, weißliche Präzipitate hinterlassen. Gleichzeitig kommt es zur retinalen Vaskulitis, bei der vor allem die Netzhautvenen beteiligt sind. Die Vaskulitis ist meistens okklusiv und führt zu retinalen Gefäßverschlüssen. Sind die Vasa nervorum des N. opticus befallen, droht eine akute ischämische Optikusneuropathie. In der Fluoreszenzangiographie zeigt sich eine diffuse perivaskuläre Leckage der retinalen Gefäße mit Staining der Gefäßwand, dazu eine diffuse kapilläre Leckage an der Papille. Im weiteren Verlauf kann es zu Katarakt, Sekundärglaukom, Makulaödem und retinalen Neovaskularisationen kommen. Das Endstadium ist durch die Ischämie geprägt und mit massiver Visusverminderung verbunden.
Bis zu 90 % komplette Remissionen mit Interferonen
Behandelt wird die Erkrankung nach den EULAR*-Empfehlungen von 2018. Für okuläre Manifestationen gilt demnach Folgendes:
- Bei isolierter Uveitis anterior kann eine immunsuppressive Therapie erwogen werden, wenn prognostisch ungünstige Faktoren vorliegen (männliches Geschlecht, junges Alter, frühe Erstmanifestation).
- Ist der hintere Augenabschnitt betroffen, sollte der Patient entweder Cyclosporin A bzw. Azathioprin oder einen TNF-α-Blocker oder Interferon-α erhalten. Eine systemische Kortikosteroidtherapie kann begleitend erforderlich sein.
- Liegt bei Erstvorstellung bereits eine visusbedrohende Uveitis vor, kommen Hochdosis-Steroidtherapie, Interferon-α oder ein TNF-α-Blocker infrage. Zusätzlich kann die intravitreale Steroidinjektion erwogen werden.
Durch den Einsatz biologischer DMARD** konnte die schlechte Visusprognose der Patienten mit okulärem Morbus Behçet deutlich verbessert werden, berichten die beiden Augenärztinnen. TNF-α-Blocker wie Adalimumab und Infliximab führen bei etwa 40 % der Patienten zur Langzeitremission. Mit den Interferonen lässt sich bei bis zu 90 % der Patienten eine komplette Remission erreichen, weshalb die Therapie im Gegensatz zu den TNF-α-Blockern ohne Rezidivrisiko abgesetzt werden kann. Vielversprechend sind auch die Erfahrungen mit neueren Substanzen wie beispielsweise dem Interleukin-1-Antagonisten Gevokizumab und den Januskinase-Inhibitoren.
* European League Against Rheumatism
** Disease-modifying anti-rheumatic drug
Quelle: Stübiger N. Der Augenspiegel 2021; 67: 20-24 © Eyepress Fachmedien GmbH, Mühlheim a. d. Ruhr
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).