Wenn gesunde Ernährung in die Essstörung führt

Friederike Klein/Maria Fett

Erst nur gesund ernährt, dann kommt die Magersucht. Erst nur gesund ernährt, dann kommt die Magersucht. © iStock.com/LightFieldStudios

Viele Kollegen würden sich sicherlich freuen, wenn ihre (adipösen) Patienten beim Gemüse beherzt zulangen. Kreisen die Gedanken jedoch nur noch um eine möglichst gesunde Kost, sollte man an eine Orthorexie denken.

Während ein Teil der Bevölkerung immer dicker und dicker wird, gibt es auch jene Menschen, die sich möglichst gesund ernähren wollen. Aus Angst, krank zu werden, verzichten sie auf industriell verarbeitete Lebensmittel und meiden ganze Nährstoffgruppen. Das ökonomische Potenzial dahinter haben die Großkonzerne längst erkannt und ein entsprechendes Marktangebot geschaffen, erklärte Dr. Martin Greetfeld, Psychiater an der Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee.

Zahlen zur Prävalenz lesen sich in der Literatur sehr unterschiedlich. Auf Basis einer aktuellen Telefonumfrage schätzen sie Forscher hierzulande auf etwa 7 %. Dabei gab ein Großteil der Befragten an, zwar nicht initial abnehmen zu wollen, sich aber zunehmend restriktiver zu ernähren. Dies kann laut Dr. Greetfeld zu einem fortschreitenden Gewichtsverlust bis hin zur Mangel­ernährung führen. In Einzelfällen droht sogar eine Anorexie.

Der Experte ordnet den „Drang zur gesunden Ernährung“ irgendwo zwischen Ess- und Zwangsstörungen ein (s. Kasten). Wie bei Essstörungen spielen für Betroffene die Themen Selbstwert und Kontrolle eine zentrale Rolle. Ebenso seien Essrituale von großer Bedeutung. Zwanghaftes Verhalten lässt sich bei der Orthorexie gut beobachten. Patienten berichten von extremen Ängsten um ihre Gesundheit, erlegen sich eine Reihe von Essritualen auf und versuchen so, eine innere Spannung zu regulieren. Als eigenständige Krankheit würde Dr. Greetfeld die Orthorexie aber nicht bezeichnen. Er versteht das Verhalten eher als Einstieg in eine mögliche Essstörung.

So gesund und doch so problematisch

Hinter der Orthorexia nervosa verbirgt sich der Drang von Personen, sich übermäßig mit der Qualität von Lebensmitteln zu beschäftigen. Betroffene legen sich selbst eine Vielzahl von Regeln auf, in deren Folge es zu psychischen und physischen Beeinträchtigungen kommen kann. Kernmerkmale sind u.a.:
  • Fixierung auf „gesunde“ Ernährung
  • ständige Klassifizierung in gesund vs. ungesund
  • fehlende Balance in der Lebensmittelauswahl
  • Rituale bei Nahrungszubereitung
  • Selbstbestrafung bei Abweichung
  • Angst vor Kontrollverlust über Lebensmittelreinheit bzw. dadurch zu erkranken
  • Unfähigkeit, Genuss zu empfinden
  • soziale Isolation, eingeschränkte Lebensqualität

In einer eigenen Untersuchung ließ der Kollege 437 Personen mit ICD-10-klassifizierten Ess- und Zwangsstörungen vor der stationären Aufnahme einen Fragebogen ausfüllen. Wie die Auswertung zeigte, waren anorektische und bulimische Patienten mit jeweils 17 % überdurchschnittlich häufig Vegetarier. Sich vegan zu ernähren, gaben etwas mehr als 6 % mit der Eingangsdiagnose Anorexie und Zwang an. Nach der Düsseldorfer Orthorexie-Skala zeigten 37,5 % der Patienten mit Anorexie und 25,5 % derjenigen mit Bulimie orthorektische Verhaltensweisen. Der Anteil bei Zwangspatienten war dagegen nicht auffällig erhöht.

Quelle: Kongressbericht, 19. Interdisziplinärer Kongress für Suchtmedizin

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