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Wer suchet, der findet

Bisher wurde angenommen, dass das Risiko für einen atherosklerotisch bedingten ischämischen Hirninsult durch das Ausmaß der zugrunde liegenden Carotisstenose bestimmt wird – je enger der Durchlass, desto schwerer die Symptome. Allerdings ist diese Einschätzung schon mehr als 40 Jahre alt, stammt also aus einer Zeit, als man mit Angiografie nur die Dicke der beteiligten Läsionen erfassen konnte und nicht die Morphologie. Wenn die Plaques zu dünn waren und sich keine andere Ursache finden ließ, wurde der Insult als embolischer Schlaganfall unbekannter Ursache (ESUS) bezeichnet, so heißt es in der gemeinsamen Konsensuserklärung des ESC Council on Stroke, der European Association of Cardiovascular Imaging und der European Heart Rhythm Association.
Mittlerweile liefert die moderne Bildgebung auch Informationen zu Struktur und Zusammensetzung der Plaques und zur Rupturneigung. Spezielle Merkmale der Gefäßveränderungen gehen mit einem erhöhten Risiko für ischämische Ereignisse einher, unabhängig vom Grad der Stenose.
ESUS sind mit rupturanfälligen Karotisplaques assoziiert
Außerdem konnte gezeigt werden, dass die riskanten Läsionen bei Personen mit ESUS fünfmal häufiger ipsilateral auftreten als kontralateral. Und schließlich ließen sich die gefährlichen Karotisplaques nach einem ESUS doppelt so häufig nachweisen wie nach einem kardioembolischen oder Small-Vessel-Insult. Diese Befunde sprechen für eine Assoziation zwischen ESUS und rupturanfälligen Plaques, konstatiert das Autorenteam um Prof. Dr. George Ntaios von der Universitätsklinik Larissa, Griechenland. Auch zahlreiche weitere Veränderungen erhöhen das Insultrisiko, darunter Einblutungen (akut oder kürzlich), rupturierte fibröse Deckplatten der Plaques und intraluminale Thromben.
Eine weitere mögliche Ursache ist das persistierende Foramen ovale (PFO). Diese kongenitale Anomalie findet sich bei jedem vierten Patienten und die pathogene Rolle beim Schlaganfall war lange Zeit umstritten. Etwaige Insulte ohne anderweitige Ursache wurden fälschlich als ESUS eingestuft. Anhand einer Metaanalyse wurde nun gezeigt, dass nach einem Verschluss des PFO eine deutliche Reduktion der Schlaganfallrate zu verzeichnen ist im Vergleich zur rein medikamentösen Therapie (Hazard Ratio, HR 0,41). Dieser Umstand spricht dafür, dass ein offenes Foramen ovale das Insultrisiko doch erhöhen kann. Besonders gefährdet sind Betroffene, die kürzlich eine tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie erlitten haben und ein atriales Septumaneurysma (ASA) oder ein großes Shuntvolumen aufweisen, unabhängig vom RoPE-Score*. Auch die Kombination von einem ASA oder einem erhöhten Passagevolumen mit einem RoPE-Score ≥ 7 und einem Alter < 60 Jahre steigert die Gefahr.
Thromben im linken Atrium oder Vorhofohr sind ebenfalls mit einem hohen Embolierisiko verbunden. Deshalb ist die Präsenz eines linksatrialen Gerinnsels ein überzeugender Grund für einen Insult, es handelt sich dann nicht um einen ESUS, betont das Autorenteam. Ein neu aufgetretenes Vorhofflimmern wird bei rund 13 % der Menschen mit Schlaganfall während der stationären Behandlung identifiziert, auch hier handelt es sich nicht um einen Insult unbekannter Ätiologie.
Zudem fördert das zunehmend verbreitete Rhythmus-Monitoring nach Schlaganfällen immer häufiger kurze asymptomatische VHF-Episoden zutage (< 1 % der Überwachungszeit). Unterschieden werden zwei Formen: subklinisches Flimmern und atriale High-Rate-Episoden. Es scheint plausibel, dass die kausale Assoziation zwischen diesen beiden Formen und ESUS bei längeren Episoden (z. B. 24 Stunden) stärker ist.
Kryptogener Schlaganfall
Die Bezeichnung ESUS ist nicht gleichbedeutend mit dem kryptogenen Schlaganfall. Bei Letzterem ist die Ursache zwar ebenfalls unbekannt, jedoch umfasst er auch Patientinnen und Patienten
- ohne vollständige diagnostische Abklärung oder
- mit mehr als einer Schlaganfallätiologie.
Amyloidose kann schwere Kardiomyopathie auslösen
Die linksventrikuläre systolische Dysfunktion wird ebenfalls mit einem erhöhten Insultrisiko in Verbindung gebracht, auch bei der Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion. Ein ESUS besteht aber definitionsgemäß nicht, wenn die LVEF unter 30 % liegt, denn die Assoziation zwischen mangelnder Pumpfunktion und Apoplexrisiko ist bekannt. Weitere linksventrikuläre Störungen kommen als Ursache für einen ESUS in Betracht. So kann die Amyloidose eine schwere restriktive Kardiomyopathie auslösen mit ventrikulären und atrialen Thromben. Gerinnsel bilden sich beispielsweise auch bei großen oder dyskinetischen Narben bzw. linksventrikulären Anaeurysmen infolge eines Myokardinfarkts. Liegen ein Schlaganfall und ein linksventrikulärer Thrombus vor, sollte aber wegen der mutmaßlichen Kausalität nicht von einem ESUS gesprochen werden.
Krebstherapien können die Insultrate steigern
Ein weiterer möglicher Auslöser für Schlaganfälle unbekannter Ursache sind Malignome. Unter ihnen kann z. B. eine nicht-infektiöse Endokarditis und eine damit einhergehende verstärkte Gerinnungsneigung entstehen. Erkennbar wird dies durch kardiale Vegetationen bei negativer Blutkultur. Zudem ist mit (oft unterschätzten) Tumorembolien und Folgen externer Kompression durch das Neoplasma zu rechnen. Und schließlich können fast alle Krebsbehandlungen die Insultrate steigern, ein besonders ausgeprägter Zusammenhang besteht mit platinbasierten Chemotherapien, Tyrosinkinase-Hemmern und endothelialen Wachstumsinhibitoren.
Im Jahr vor der Krebsdiagnose ist das Apoplexrisiko um 59 % erhöht. Auch in den sechs Monaten danach ist die Gefahr noch verdoppelt. Etwa die Hälfte aller krebsbedingten Schlaganfälle werden nach der herkömmlichen Untersuchung fälschlich als ESUS eingestuft. Viele dieser Patientinnen und Patienten haben einen fortgeschrittenen oder progredienten Tumor, stark erhöhte Gerinnungsmarker und eine zentrale Embolie in der Bildgebung. Auch eine disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) kann einen ischämischen Hirninsult bewirken.
* Risk of Paradoxical Embolism
Quelle: Ntaios G et al. Eur Heart J 2024; DOI: 10.1093/eurheartj/ehae150
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