Widerspenstige Mykobakterien schachmatt setzen

Dr. Dorothea Ranft

Die Behandlung einer Tuberkulose erfolgt grundsätzlich mit einer Kombination von Medikamenten. Die Behandlung einer Tuberkulose erfolgt grundsätzlich mit einer Kombination von Medikamenten. © stockdevil – stock.adobe.com

Im Kampf gegen die multiresistente Tuberkulose tut sich was: Neue Medikamente verbessern nicht nur die Heilungschancen. Nach den aktualisierten WHO-Empfehlungen müssen die Betroffenen mit dem Standardschema nur noch sechs Monate lang behandelt werden.  

Als multiresistent wird eine Tuberkulose eingestuft, wenn die Erreger nicht auf eine Kombination der beiden effektivsten Standardtherapeutika, Rifampicin und Isoniazid, ansprechen (­MDR-TB). Mitunter sind die Erreger nur gegen Rifampicin resistent. In den meisten Fällen einer Rifampicinresis­tenz (RR) wirkt aber auch Isoniazid nicht, schreibt Prof. Dr. Christoph­ Lange­ vom Leibniz­ Lungenzentrum in Borstel. Die WHO fasst deshalb beide Formen als MDR/RR-TB zusammen. 

Weltweit sind immer mehr Mykobakterien multiresistent

Die Erkrankung ist in Europa sehr unterschiedlich verteilt: In Russland wurden 2021 mehr als 50 % der TB-Fälle durch mehrfach resistente Keime ausgelöst, in Belarus waren es 48 % und in der Ukraine 35 %. Hierzulande wurden im gleichen Zeitraum nur 67 Betroffene gezählt. Mehr als 80  % der Patienten mit MDR/RR-TB werden inzwischen geheilt. Als besorgniserregend stuft die WHO die weltweite Zunahme von Mykobakterienstämmen ein, die sich auch mit Zweitlinienmedikamenten nicht mehr bekämpfen lassen. 

Prävention nach Ansteckung

Bei Menschen, die sich mit Tuberkuloseerregern angesteckt haben ohne zu erkranken, kann eine präventive Antibiotikatherapie die Manifestation verhindern. Der Nachweis der latenten Infektion gelingt mit dem Interferon-g-Release-Assay oder dem Tuberkulin-Hauttest. Das Resistenzprofil der Mykobakterien spielt dabei keine Rolle. Eine aktive Tuberkulose sollte möglichst ausgeschlossen werden. Bei erwachsenen Patienten aus Regionen mit niedriger Prävalenz wie Deutschland, die keinen Immundefekt aufweisen, ist der Interferon-g-Release-Assay dem Tuberkulin-Hauttest überlegen. Wenn der übertragende Patient bekannt und der Bakterienstamm fluorchinolonsensibel ist, rät die WHO zu einer vorbeugenden Behandlung mit Levofloxacin über sechs Monate.

Inzwischen gibt es eine neue Definition der WHO für die resis­tente Tuberkulose. Demnach liegt eine präextensive Erkrankung (prä-XDR-TB) vor, wenn ein Patient zusätzlich zur MDR/RR-TB nicht auf Chinolone anspricht. Eine extrem arzneimittelresistente Tuberkulose (mXDR-TB) haben Menschen, die neben der prä-XDR-TB auch Resis­tenzen gegen Bedaquilin und/oder Linezolid aufweisen.

Antibiotikaresistenzen entstehen in der Regel durch Mutationen im Genom der Mykobakterien. Die PCR-Diagnostik erfolgt heute automatisiert und kann selbst geringe DNA-Mengen z.B. im Sputum erkennen. Außerdem ermöglicht sie Vorhersagen für eine Rifampicinresistenz. So lassen sich fast alle hierzulande relevanten Genveränderungen für eine RR erfassen. Auch Mutationen, die ein unzureichendes Ansprechen auf Isoniazid, Fluorchinolone und Aminoglykoside prophezeien, sind mittels PCR zu erkennen.

Zur Detektion einer mangelnden Empfindlichkeit für Bedaquilin, Linezolid und andere Zweitlinienmedikamente müssen die betroffenen Gene gezielt sequenziert werden. Die dafür benötigten Techniken stehen aber noch nicht für die Routinedia­gnostik zur Verfügung. Goldstand zum Nachweis von Resistenzen gegen Zweitgenerationswirkstoffe ist derzeit noch die Bakterienkultur in Anwesenheit einer kritischen Wirkstoffkonzentration

Zur Behandlung von Patienten mit isoniazidmonoresistenter Tuberkulose wird von WHO und in der deutschen Leitlinie über einen Zeitraum von einem halben Jahr eine Vierfachtherapie mit 

  • Rifampicin, 

  • Ethambutol, 

  • Pyrazinamid und 

  • Levofloxacin

empfohlen. Unklar ist, ob Isoniazid in der Standardbehandlung durch ein Fluorchinolon ersetzt werden kann, wenn ein ausreichend hoher Rifampicinspiegel gesichert ist. 
Für Betroffene mit rifampicin­monoresistenter Erkrankung empfehlen die Autoren der deutschen Leitlinie über 18 Monate eine Kombinationsbehandlung mit 

  • Bedaquilin, 

  • Levofloxacin (oder Moxifloxacin),

  • Linezolid und 

  • Isoniazid.

Wegen der inzwischen deutlich kürzeren Dauer der MDR/RR-TB muss die Therapie nach Einschätzung von Prof. Lange­ aber angepasst werden.

Die WHO unterscheidet nicht zwischen RR-TB und MDR-TB. Sie hat ihre Empfehlungen aufgrund aktueller Studienergebnisse (ZeNIX-TB und TB-PRACTECAL) grundlegend modifiziert. Patienten mit MDR/RR-TB sollen demnach als Therapie der ers­ten Wahl über sechs Monate hinweg eine Vierfachkombination nach dem BPaLM-Schema erhalten:

  • Bedaqualin (400 mg/d in den ersten 14 Tagen, danach 200 mg jeweils montags, mittwochs und freitags),

  • Pretomanid (200 mg/d),

  • Linezolid (600 mg/d) und

  • Moxifloxacin (400 mg/d). 

Auch mit dem BPaL-Regime, also  ohne Moxifloxacin, wurde in Studien eine Heilungsrate von rund 90 % erzielt. Deshalb rät die WHO, Patienten mit Fluorchinolonresis­tenz (prä-XDR-TB) mit BPaL zu behandeln. Allerdings sind gewisse Einschränkungen zu beachten: So kann das mittlerweile als Standard geltende BPaL(M)-Regime mangels ausreichender Daten nicht bei Kindern ≤ 13 Jahre eingesetzt werden. Weitere Ausschlussgründe sind schwere Verlaufsformen, Miliar- und Knochen-TB sowie die tuberkulöse Meningitis, ebenfalls wegen ungenügender Evidenz. 

Wenn BPaL(M) wegen Arzneimittelreaktionen oder Ausschlussgründen nicht in Betracht kommt, soll laut deutscher Leitlinie und WHO eine individualisierte Therapie über mindestens 18 Monate erfolgen. Die Wahl der Wirkstoffe richtet sich nach dem Antibiogramm, wobei mindestens vier Substanzen eingesetzt werden sollten.

In kniffligen Fällen Rat von Experten einholen

Nur wenige Patienten weisen ein fortgeschrittenes Resistenzprofil oder eine Vielzahl von Nebenwirkungen auf, die die Therapie mit einer ausreichenden Anzahl von Medikamenten nicht erlauben. Für diese Fälle empfiehlt Prof. Lange, mit dem Nationalen Referenzzentrum für Mykobakterien im Forschungszentrum Borstel Rücksprache zu halten.

Quelle: Lange C. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 1236-1241; DOI: 10.1055/a-1939-0000

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Die Behandlung einer Tuberkulose erfolgt grundsätzlich mit einer Kombination von Medikamenten. Die Behandlung einer Tuberkulose erfolgt grundsätzlich mit einer Kombination von Medikamenten. © stockdevil – stock.adobe.com