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„Wie die dunkle Seite des Mondes“: Wissen zu Trikuspidalinsuffizienz bisher gering

Über die Trikuspidalinsuffizienz (tricuspid regurgitation) weiß man wenig. Und was man weiß, fällt in den Leitlinien unter „wissenschaftlicher Konsens“, also Evidenzlevel C. Sogar epidemiologische Daten sind rar, konstatierte Professor Dr. Yan Topilsky, Sourasky Medical Center, Tel Aviv. Drei Studien drehen sich um dieses Thema. Demnach besteht eine moderate oder schwere Insuffizienz bei ca. 0,6 % der Gesamtbevölkerung. Mit dem Alter steigt die Rate: Über 75-Jährige – insbesondere Frauen – erreichen eine Prävalenz von mehr als 4 %.
Ein signifikanter Klappenschaden hat Folgen: Jährlich sterben bis zu 25 % der Betroffenen. „Es handelt sich um eine maligne Erkrankung!“, so Prof. Topilsky. Offen bleibt aber, ob die funktionelle Trikuspidalinsuffizienz tatsächlich die Exzessmortalität verursacht oder die Insuffizienz nur als Surrogatparameter für die rechtsventrikuläre Dysfunktion herhält. Zwei der jüngeren Studien sehen einen direkten Zusammenhang, eine nicht.
Farbdoppler unterschätzt den Schweregrad der Trikuspidalinsuffizienz
Laut einer aktuellen Metaanalyse mit über 32 500 Patienten geht die moderate/schwere Trikuspidalinsuffizienz unabhängig von pulmonalarteriellem Druck und Rechtsherzversagen mit einer erhöhten Sterblichkeit einher.1 Adjustiert nach verschiedenen Faktoren wie linksventrikuläre Ejektionsfraktion oder Vorhofflimmern ergab sich im Vergleich zu keiner/milder Klappenerkrankung ein relatives Mortalitätsrisiko zwischen 1,54 und 1,95.
Prof. Topilsky betonte, dass man die Trikuspidalinsuffizienz basierend auf ihrer Ätiologie unterscheiden muss (s. Kasten). In der Bildgebung komme es darauf an, den Klappenschaden zu quantifizieren, wenn sich qualitativ ein Rückfluss zeigt. Professor Dr. Rebecca Hahn von der Columbia University in New York pflichtet ihm bei: „ Einer der Hauptgründe, warum wir die Trikuspidalinsuffizienz unterschätzt haben, liegt darin, dass wir in der Echokardiographie den Farbdoppler benutzt haben.“
Ursachen sitzen nicht nur links
Evaluation der sekundären Trikuspidalinsuffizienz
- Schweregrad der Regurgitation: qualitative Dopplerparameter, Vena contracta (biplan und 3D), quantitatives Assessment (EROA und Regurgitationsvolumen, Letzteres 3D)
- Anulusdilatation: Durchmesser, Fläche, Dynamikveränderungen
- Zugkraft der Chordae (tethering): Höhe der zeltartigen Aufspannung der Klappensegel („tenting“), Tenting-Volumen im 3D-Echo, Segel- winkel
- Rechter Ventrikel – Pulmonalarterie: pulmonalarterieller Druck und Widerstand, rechtsventrikuläre Kontraktilität in Bezug zur Nachlast
- rechtsventrikuläres Remodeling und Funktion: Ventrikelgröße (2D und 3D), multiparametrisches Assessment der regionalen und globalen RV-Funktion (TAPSE, RV dP/dT, 2D-longitudinal Strain, 4D flow etc.)
- Linksherzgröße und -funktion: multiparametrisches Assessment von Vorhof und Ventrikel, begleitende linksseitige Klappenerkrankung?
Kombinierte Eingriffe sind im klinischen Alltag selten
Die Pathophysiologie und das falsche Timing machen dem chirurgischen Erfolg einen Strich durch die Rechnung. Eine Intervention kommt zunächst immer zu früh (u.a. wegen schwacher Symptome). Irgendwann hat man den optimalen Zeitpunkt dann verpasst und die Patienten haben ein hohes periprozedurales Risiko. Eine Studie bestätigt: Verglichen mit einer medikamentösen Therapie ändert die isolierte Trikuspidalinsuffizienz-Operation nichts an der Prognose. Anders sieht es bei den kombinierten Eingriffen aus. Die Fachwelt ist sich weitgehend einig, dass eine relevante Trikuspidalinsuffizienz mitbehandelt werden sollte, wenn eine linksseitige Klappenoperation ansteht. Allerdings brauchen in der modernen Herzchirurgie nur wenige eine begleitende Trikuspidalinsuffizienz-Versorgung, so die Erfahrung von Prof. Maisano. Ob Anuloplastie oder Edge-to-edge-Rekonstruktion – fast alle chirurgischen Techniken lassen sich heute auch perkutan durchführen. Derartige Transkathetereingriffe sind das Gebiet von Dr. Ralph Stephan von Bardeleben, Universitätsmedizin Mainz. Erste Outcomedaten zur Trikuspidalklappenanuloplastie mittels Cardioband® zeigen, dass sich neben den Echoparametern die Gehstrecke und die Lebensqualität der Behandelten verbessern.2 Mit mehr als 2000 Implantationen kommt bislang am häufigsten die Edge-to-edge-Technik zum Einsatz (vorwiegend MitraClip®, seltener PASCAL-System). In der TRILUMINATE-Studie arbeiteten Dr. von Bardeleben und weitere Kollegen mit dem TriClip™-Device:3 Trotz einer sehr kranken Patientenpopulation mit teils massiver Regurgitation starb binnen 30 Tagen nach Intervention niemand. Bei einer Teilnehmerzahl von 85 und noch wenig Erfahrung sei das eine sehr wichtige Botschaft, so der Experte. „Der Benefit beginnt mit der Art des Eingriffs.“* European Society of Cardiology
Quellen:
1. Wang N et al. Eur Heart J 2019; 40: 476-484; doi: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy641
2. Nickenig G et al. J Am Coll Cardiol 2019; 73: 1905-1915; doi: https://doi.org/10.1016/j.jacc.2019.01.062
3. ClinicalTrials.gov Identifier: NCT03227757
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